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View Full Version : Arzneimittelgesetz


Tiberius Mohr, Tierarzt
15.10.2001, 23:14
Wie auch schon der Verband berichtete, ist vom Bundesgesundheitsministerium geplant Brieftauben als Masttiere einzustufen. Dies würde bedeuten, gebräuchliche Arzneimittel dürfen nicht mehr eingesetzt werden. Weitere Informationen unter:
http://ticker-kleintiere.animal-health-online.de/20010917-00000/
Weis dazu jemand mehr?
Herr Mohr, können Sie darüber berichten?
MfG Ihr Schlagbetreuer
Erich Obster

Mit diesem Vorhaben haben irgendwelche geltungssüchtigen Politiker einen Weg gefunden, sich ohne Gefahr zu profilieren. Die Lobby der Brieftaubenzüchter ist nicht gerade hoch einzuschätzen, starke „Gegenwehr“ haben sie also nicht zu befürchten. Dazu kommt noch, daß in der „nicht züchtenden“ Bevölkerung so gut wie keine zutreffenden Informationen über den Brieftaubensport bekannt sind. Ein geeignetes Gebiet, wenn man sich als Politiker ins Gespräch bringen will.
Wenn ich auch ziemlich oft über den Verband hergezogen bin – vor allem was die Taubenklinik betrifft – eines müssen wir dem Verband hoch anrechnen: Dem Verband ist es zu verdanken, daß wir überhaupt noch Tauben züchten und Wettflüge veranstalten dürfen. Die Diskussion, die gerade wieder aufgeflammt ist, hatten wir in der Vergangenheit bereits 2-3 mal. Jedes Mal (zuletzt 1998-99) hat der Verband das Schlimmste verhindern können. Die Pferdezüchter haben nicht so viel Glück gehabt, in der Pferdemedizin herrscht ein regelrechter Therapienotstand – das ist nicht übertrieben, die Kollegen haben seit 1999 nicht mehr die Möglichkeit ein krankes Pferd zu behandeln. Wann es uns Taubenzüchter treffen wird, weiß ich auch nicht, aber irgendwann bestimmt. Zur Zeit sieht es so aus, als ob der Zeitpunkt gekommen wäre...

Die Änderung der Zugehörigkeit hat für die Brieftaubenmedizin vor allem 3 unangenehme Folgen:
1) Es dürfen keine Arzneimittel eingesetzt werden, die nicht für Tauben zugelassen sind
2) Es dürfen keine Arzneimittel verabreicht werden, die nicht für die Anwendung an lebensmittelliefernden Tieren zugelassen sind
3) Es dürfen keine Arzneimittel verschickt werden

Die meisten Arzneimittel, die wir zur Zeit umwidmen, um sie bei Tauben anwenden zu können, sind für lebensmittelliefernde Tiere nicht zugelassen. Die Umwidmung für Tauben wäre dann nicht mehr möglich.
Vermutlich wird kein Tierarzt seine Approbation riskieren, indem er das dann gültige Arzneimittelgesetz „umgeht“.
Unter dem Strich sieht es dann so aus: Wir können keine Taube und keinen Bestand mehr behandeln, und auch wenn wir es könnten, dürfen wir es nicht tun.

Das war nur eine Zusammenfassung dessen, was uns erwartet. Bei Bedarf – der hoffentlich nie entstehen wird – werde ich für die Forumteilnehmer die Sachlage etwas eingehender durchleuchten.

Tiberius Mohr

witwer
16.10.2001, 14:23
hallo herr mohr,
ich bin noch nicht lange im forum, informiere mich aber schon eine zeit lang mittels dieses mediums. ich habe mich mit diesem thema auch noch nicht näher befasst. nach wie vor ist ja das ganz nur eine anregung einer wie sie schon sagten profilierungssüchtigen politikers. sollte das ganze irgendwann zu einer gesetzesvorlage werden, denke ich, wird es nicht so heiss gegessen wie es zur zeit gekocht wird. es kann ja wohl nicht sein, dass man die gängigen taubenkrank. nicht mehr therapieren kann. dann müssten ja auch die tierschützer wach werden, da dies ja zumind. mehr tierquälerei ist als das oft in den raum gestellte ausbleiben von tausenden tauben auf unseren flügen.
sollte es in irgendeiner form dazu kommen, dass einige mittel nicht mehr zugelassen werden, kann ich für mich sagen, dass man dem ganzen auch dann was gutes abgewinnen sollte. der medikamentenmissbrauch war ja schon oft thema dieses forums. aber so wie ich die letzten beiträge gelesen habe (siehe behand. gelber knopf und chlamydien) ist der griff zur arzneibulle das erste an was ein taubenzüchter denkt. hier glaube ich, liegt auch eine grosse chance für den bt-sport. man sollte eben manche krankheit sich selbst überlassen, schafft das immunsystem die bekämpfung der bakterien -thema viren lassen wir hier mal aussen vor, aber gerade hier spielt ja das immunsystem die wichtigste rolle- dann ist es i.o., wenn nicht, dann muss man die taube selektieren.
ich weiss, dass sie herr mohr die "naturmethoden" nicht so lustig finden, habe irgendwannmal von ihnen darüber einen beitrag gelesen. als tierarzt würde ich auch so argumentieren. aber seien wir ehrlich, die meisten tauben bekommen doch heute überhaupt nicht mehr die chance ein wirklich gutes immunsystem aufzubauen. das fängt schon mit der unglaublichen gabe von spatrixtabletten beim absetzen von jungtauben an. wenn ich sowas höre und lese, habe ich schon immer gewusst, dass diesbezüglich der realitässinn bei den züchter vollständig verloren gegangen ist. stellen wir uns nur das ganze mal beim menschen vor. welcher nonsens!!!
wenn ein jungtierbestand in den ersten 8-12 wochen noch nicht einmal mit dem gelben knopf fertig wird, ja für was dann eigentlich ein immunsystem? bei den meisten züchtern wird das sowieso durch den medikamentenschrank ersetzt. die mittlerweile aufgetr. juntierkrankh. ist m.e. deshalb aufgekommen, da die alttiere, die ja leider noch mehr medika. verabreicht bekommen, ein ord. immunsystem gar nicht mehr weitervererben können. ich weiss, dass das ein nicht endenden thema ist und immer sein wird. aber ich würde mir von ihnen als tierarzt ab und zu mal wünschen, den züchtern dahingehend zu beraten, dass man die taube sich selbst überlassen sollte -taube extra sperren beobachten sowie gesamtbestand im auge behalten- regeneriert sie sich ist gut, wenn nicht, dann muss sie selektiert werden. ich weiss der spruch "in der natur wird sie auch nicht überleben" klingt abgedroschen. aber manchmal ist das "weniger ist mehr" nicht nur von der quantität her zu sehen sondern vor allem aus sicht der qualität wichtig.
abschließend möchte ich ihnen trotzdem ein wirkliches lob aussprechen. die art und weise, wie sie die diskussionsbeiträge abschließend beantworten und ihren fachlichen rat bzw. anderweitige vorschläge einbringen, finde ich sehr ausführlich und ausgesprochen informativ.