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View Full Version : Streptokokken


schoeni
22.09.2002, 20:28
Sehr geehrter Herr Mohr,
vor einigen Jahren spielte ich sehr erfolgreich. Mehrfach 1. RV Weibenchenmeister, 2. RV Meister, etc.
Seit einigen Jahren funktioniert fast gar nichts mehr. In diesem Jahr war ich es dann irgendwann leid.
Obwohl ich in den Vorjahren auch immer entsprechende Untersuchungen getätigt habe (Abstriche, Kotproben) bin ich in diesem Jahr nach gleichen Pleiten einmal in die Taubenklinik gefahren (Diagnose: leichter Schnupfen, Behandlung 3 Tage Ery-Spect-W). Im Nachhinein habe ich dann zufällig erfahren, daß ich das Medikament nochmals in der 2. Woche hätte verabreichen müssen.
Nachdem die Resultate nicht besser wurden, haben ich eine tote Taube zur Untersuchung der Klinik zugesandt (Diagnose: gesund).
Jetzt habe ich eine neue Diagnose vom Tiergesundheitsamt:
a-haem. Streptokokken +++. Nach einer 5-tägigen Kur mit Chloramphenikol sollte alles weg sein.
Denkste!! Nach weiteren acht Wochen wieder dieses Ergebnis.
Die Tauben haben über das ganze Jahr kein äußeres Krankheitsbild. Sie fliegen sogar auch Haus gut bis sehr gut.
Können Sie mir einen Rat geben.
Mit sportlichem Gruß
Schoeni

TM
11.10.2002, 17:55
Ich schätze, dass wir in Ihrem Fall mit der „Internet-Medizin“ nicht sehr weit kom-men werden. Es scheint eine nicht gerade einfache Sache zu sein, wenn sich schon so viele daran die Zähne ausgebissen haben, die auch die Gelegenheit hatten, die Tauben bzw. Probenmaterial zu untersuchen. Diese Möglichkeit habe ich nicht…

Ich vermute, dass im Tiergesundheitsamt eine Antibiotika-Resistenzbestimmung durchgeführt wurde und Chloramphenicol sich als wirksam erwiesen hat. Aber rein aufgrund bisheriger Erfahrungen (es ist vermutlich bekannt, dass ich von Haus aus Bakteriologe bin) würde ich nicht an erster Stelle an Chloramphenicol denken, wenn ich eine Streptokokkeninfektion zu behandeln hätte. Das sage ich jetzt nicht, weil ich aus Ihrem Beitrag entnommen habe, dass die Behandlung offensichtlich nicht geklappt hat, und ich lege auch keinen besonderen Wert darauf, an der Vorgehens-weise des Gesundheitsamtes herum zu kritisieren – zumal hier überhaupt zum ers-ten mal ein Erreger isoliert und sogar weiter typisiert wurde. Das ist schon alles in Ordnung so! Ich bin aber nach meiner Meinung gefragt worden. Und die ist: Chlo-ramphenicol gilt als gegen Streptokokken nicht sehr wirksam. Obwohl Streptokok-ken nicht gerade zu den Resistenzkünstlern zählen (wie z. B. Escherichia coli, Kleb-siellen oder Proteus) gibt es doch Antibiotika, die man bei einer Streoptokokkose vorziehen sollte. Als Antibiotika der ersten Wahl gegen Bakterien aus dem sog. gram-positiven Bereich (also vor allem Streptokokken und Staphylokokken) gelten immer noch beta-Laktame und zum Teil auch Tylosin. Die Stärken von Chlo-ramphenickol liegen im gram-negativen bereich: Salmonellen (dafür gibt es allerdings heutzutage bessere), Klebsiellen, Proteus und Colibakterien.
Chloramphenicol könnte einer der Gründe für die Behandlungspleite sein. Was al-lerdings in Ihrem Bestand los ist, kann damit noch nicht vollständig erklärt werden. Ich vermute sehr stark, dass die nachgewiesenen Streptokokken lediglich ein Teil des Problems darstellen. Sie werden vermutlich nicht drum herum kommen, ir-gendwann einmal die medizinische Versorgung Ihres Bestandes doch in dafür kom-petente Hände zu legen, anstatt irgendwelche Kadaver durchs Land zu verfrachten. Je früher Sie sich dazu entschließen, desto besser sieht es für die Flugsaison 2003 aus. Das einzig greifbare nach all den Untersuchungen sind die Streptokokken. Trotzdem würde ich mich nicht all zu sehr darauf versteifen. Mit dem geeigneten Antibiotikum sind Sie diese innerhalb weniger Tage los – wie gesagt, mit der Antibi-otikaresistenz der Streptokokken ist es nicht so weit her wie bei den anderen Bakte-rien. Nicht desto trotz sollte es das „richtige“ Antibiotrikum sein.

Zu der Behandlung mit Ery-Spect-W: 3 Tage Behandlung sind zu wenig. Mindestens 5-7 Tage muß die Behandlung dauern bzw. bis 2 Tage nach abklingen der Be-schwerden. Außerdem ist die Resistenzsituation bei Ery-Spect-W sehr ungünstig. Ohne vorherige Resistenzprüfung sollte dieses Präparat nicht eingesetzt werden (Empfehlung stammt aus „Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren“, dem Stan-dardwerk der Veterinärpharmakologie).

Mein Rat also:
Kein Probenmaterial oder tote Tauben zur Untersuchung irgendwohin schicken. Wenn schon, dann lebende Tauben. Besser wäre es jedoch, den für Sie am nächsten wohnenden Taubentierarzt ausfindig zu machen, dort einen Termin zu vereinbaren, sich einen Tag Urlaub zu nehmen und „Nägel mit Köpfen“ zu machen.
Vermutlich wird dabei herauskommen, dass Ihre Tauben weniger mit Krankheitser-regern zu kämpfen haben als vielmehr mit klinisch unauffälligen Leistungsminde-rern.

TM