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View Full Version : Neuregelung für Medikamentenabgabe


BergerAlfred
22.10.2002, 13:29
Hallo Herr Mohr,

ist es richtig, dass ab dem 1. November 2002 Medikamente vom Tierarzt nur noch nach Befund abgegeben werden dürfen.

Was hat dies für Konsequenzen für den Züchter bzw. für den Tierarzt?

mfg A. Berger

TM
28.10.2002, 05:21
Hallo Herr Berger,

Sie haben Recht, es hat sich einiges geändert. Zur Zeit setze ich mich gerade mit den neuesten Änderungen des AMG und den bevorstehenden auseinander. Wenn ich „durch“ bin, werde ich hier im Forum ausführlich über die Sachverhalte berichten, die für den Brieftaubensport von Bedeutung sind (nach Kassel).

Allgemein ist das Ziel dieser Änderungen, die Überführung der EU-Richtlinie 81/851/EWG in nationales Recht. Damit wird die Möglichkeit des Tierarztes, Arzneimittel herzustellen stark eingeschränkt. Auch die Anwendung von Arzneimitteln an Tauben, die vom Hersteller nicht für Tauben zugelassen sind, wird deutlich erschwert. Damit bewegen wir uns in Richtung Therapienotstand.
Dieses „elfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ tritt am 1. November 2002 in Kraft.

Zu Ihrer konkreten Frage, ob künftig verschreibungspflichtige Arzneimittel nur noch nach Befund abgegeben werden dürfen:
Das ist so, das ist aber nichts neues. Es war auch bisher so, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel ausschließlich nach Befunderhebung und Diagnosestellung dem Züchter ausgehändigt / verschrieben werden durften. Ich erinnere mich an keine Fassung des AMG, wonach die betreffenden Arzneimittel auf einer anderen Grundlage abgegeben werden durften – und das war / ist auch richtig so.
Andere Konsequenzen werden sich folglich auf der Grundlage der Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach strenger Indikation nicht ergeben – das trifft zumindest für seriöse Tierärzte zu. Generell gilt, dass man nach jeder Änderung im AMG und nach jeder Beschneidung des Dispensierrechts den „Arzneimittel-Gürtel“ enger schnallen muss. Problematisch wird es nur für Tierärzte sein, denn es ist so gut wie unmöglich, nicht gegen einen Unterpunkt eines Unterpunktes zu verstoßen, in dem lediglich auf weitere Unterpunkte, Ziffern und Abs. verwiesen wird... Man kann wohl nicht mehr davon ausgehen, dass man, wenn man im Einklang mit seinem medizinischen Verständnis der Dinge handelt und die „üblichen“, selbstverständlichen Gebote und Verbote des AMG beachtet, nicht gegen irgendeinen Paragraphen verstößt. Ich bin sicher, dass so gut wie alle Tierärzte mehrfach gegen das AMG verstoßen, ohne es auch nur zu vermuten. Meistens sind es Dinge, die mit einem gesunden Menschenverstand nicht erfassbar sind. Dazu ein Beispiel aus dem Dispensierrecht (grob vereinfacht aber voll zutreffend): Der Tierarzt darf für bestimmte Tierarten, die im § 60 genannt sind, ein Arzneimittel herstellen – nehmen wir als Beispiel das sog. „Jungtaubenpulver“. Unter anderem verwendet der Tierarzt bei der Herstellung Amoxicillinpulver in Reinsubstanz (100%ig). Wenn das Amoxicillinpulver als Reinsubstanz für irgend eine Tierart als Arzneimittel zugelassen ist, gibt es keine Probleme. Wenn hingegen der Tierarzt DAS GLEICHE PULVER über einen Arzneimittelhersteller bezieht, der das 100%ige Amoxicillin nicht als Arzneimittel für Tierart X bezeichnet, sondern lediglich als Amoxicillin 100% Rohware, hat der Tierarzt gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen, und das nicht zu knapp! – obwohl es sich in beiden Fällen um die absolut gleiche Substanz handelt. Für mich war das bis letzte Woche auch nicht klar, bis mich eine Paragraphenfetischistin vom Regierungspräsidium Gießen darauf aufmerksam gemacht hat… Zum Glück (und rein zufällig!) haben wir bis jetzt das „richtige“ Amoxicillin verwendet. Bei manchen Paragraphen – sofern man sie überhaupt versteht – kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand am Werk war, der sich einen Spaß daraus macht, Fallstricke für Tierärzte ins AMG einzubauen. Noch so ein unverständliches Beispiel: Wenn man ein ZUGELASSENES Arzneimittel aus dem Ausland für den Einsatz in der Praxis erwirbt, ist es nicht gleich, ob man ins Ausland fährt und dort das Arzneimittel LEGAL in der Apotheke erwirbt und es nach Hause bringt, oder ob man es beim Apotheker in Deutschland erwirbt, der es bei seinem Kollegen in der selben Apotheke im Ausland bestellt. Im ersten Fall ist man ein Verbrecher, im zweiten Fall ein gesetzestreuer, verantwortungsvoll handelnder Arzt!

Dass man Arzneimittel ausschließlich aufgrund einer zuvor gestellten Diagnose und Überprüfung der Wirksamkeit verabreicht, ist wenigstens verständlich und aus medizinischer Sicht völlig sinnvoll…

In Zukunft wird man verstärkt darauf achten, dass keine Arzneimittel anhand einer eingesandten Kotprobe dem Züchter zugeschickt werden. Rechtlich war das bisher eine Grauzone, nun ist die Sache konkretisiert worden. Das ist jedoch auch verständlich. Es dürfte auch einem Nichtmediziner klar sein, dass es nicht rechtens sein kann, wenn Trichomonadenmittel aufgrund von Untersuchung einer Kotprobe abgegeben/verschickt werden. Schließlich können Trichomonaden im Kot nicht nachgewiesen werden. Wir haben solcherlei Praktiken nie angewendet, viele Kollegen jedoch haben es getan. Denen wird es „an den Kragen“ gehen, wenn sie diese Praktiken nicht einstellen.

Wie gesagt, ich werde ausführlich darüber berichten und alles für den Taubenzüchter Wichtige ins Deutsche „übersetzen“.

Mit freundlichen Grüßen

T. Mohr