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View Full Version : Methionin


Jörg
03.11.2000, 18:44
Hallo Sportsfreunde, Hallo Herr Mohr,

in einigen der letzten Beiträge wurde immer wieder von dem schwefelhaltigen Methionin gesprochen.
Auch Sie, lieber Herr Mohr haben es in Ihrer Web-
seite.
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, daß man es
nur im Herbst (zur Federneubildung) einsetzen soll.
Jetzt kommt in mir die Überlegung auf, dies auch
auf der Reise in Form von Taubengold oder Methionin BT einzusetzen, denn gerade während der Reise müssen die Federn tip-top sein. Wäre so etwas sinnvoll?
Übrigens: Ihr Tricho-Beitrag war echt Klasse.

Tiberius Mohr, Tierarzt
05.11.2000, 15:59
Hallo Herr Jörg,

Methionin ist eine essentielle Aminosäure und daher für den Stoffwechsel der Taube unentbehrlich. Die Taube kann Methionin im Körper nicht (aus anderen Aminosäuren) selbst herstellen (im Gegensatz zu Pflanzen und Bakterien, die Methionin aus Asparaginsäure und Cystein bilden können); Methionin muß mit dem Futter oder Trinkwasser aufgenommen werden. Aus Methionin hingegen kann der Körper auch weitere (sog. nicht-essentielle) Aminosäuren herstellen. Methionin ist im Stoffwechsel der Taube der Hauptlieferant von Schwefel für die Eiweißbildung (= Wachstum und Muskelneubildung). Folglich ist Methionin nicht nur in der Mauser, sondern auch während der Reise (Muskelaufbau) und in der Wachstumsphase unentbehrlich. Methionin ist eine der 20 Aminosäuren, die an der Eiweißbildung (mit ca. 2%) beteiligt sind (die anderen sind Alanin, Arginin, Asparagin, Cystein, Glutaminsäure, Glutamin, Glycin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Phenylalanin, Prolin, Serin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin und Valin).

Ihre Überlegung ist richtig, zumal die Federn, auf die es beim Wettflug vornehmlich ankommt (Schwungfedern), während der Reise (und unmittelbar danach) gewechselt werden. Das was die Züchter Mauserzeit nennen ist die Zeit, in der lediglich das Deckgefieder gewechselt wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mauser der Handschwingen abgeschlossen, nach Ende der Reise werden nur noch die Fingerschwingen abgeworfen. Treffender wäre es, die Mauser (bei Reisetauben) als den Zeitabschnitt von April bis November zu definieren (der Beginn ist vom Zeitpunkt der ersten Eiablage abhängig). Bei Jungtauben beginnt die Mauser abhängig vom Schlupfdatum (bzw. Tageslänge und Lichtintensität nach dem Absetzen) unterschiedlich früh, aber auch hier mit dem Abwerfen der ersten Schwungfedern und nicht erst im September. Wenn normal geschlüpfte (und nicht abgedunkelte) Jungtauben „in der Mauser“ sind, haben sie es eigentlich schon hinter sich, sie mausern dann nur noch das Deckgefieder — das ist aber das, was man am eindrucksvollsten sieht, es ist der Zeitabschnitt, nachdem die Jungtaube dem Betrachter „erwachsen“ erscheint. Jungtauben mit nackten Ohren haben schon fast einen vollen Flügel.

Aus diesen Gründen setzen wir Methionin auch während der Reise ein — also eigentlich während der Mauser — in Form von Roborans BT-1 (Zusammensetzung siehe unter http://www.brieftaubenmedizin.de/produkte/roborans_bt-1.htm). Durch die Mauser der Hauptschwingen während der Reise erklärt sich auch der relativ hohe Anteil von 3% Methionin. Roborans BT-1 enthält aber auch noch andere Wirkstoffe, die für die Federneubildung absolut notwendig sind (Biotin etc.) und weitere Wirkstoffe zur Leistungsförderung. Bei einer Versorgung mit Roborans BT-1 während der Reise ist kein zusätzliches Methionin erforderlich.

Tiberius Mohr

Berger OVATOR
05.11.2000, 20:03
Werter Herr Mohr,
ich wurde von einem Züchter heute Abend (05.11.00) telefonisch gebeten, mir Ihre Ausführungen zum Methionin anzuschauen.
Das habe ich nun, trotz Beanstandungen seitens meiner Freundin, getan,
PS: Ich war heute erst bis 16 Uhr in Sachen Tauben unterwegs.
zum Thema:
Ich stimme Ihnen überwiegend zu.
Ergänzend möchte ich folgende Anmerkungen machen:
1. Um ein klares Bild zu beschreiben muß ich der Richtigkeit halber bemerken, dass Methionin kein Schwefellieferant für die Eiweißbildung ist, sondern Methionin ist eine schwefelhaltige Aminosäure, die im tierischen Eiweiß als Baustein eingebaut wird und durch keine andere AS ersetzt werden kann. In dieser Funktion bleibt der Schwefel Bestandteil der Aminosäure Methionin.
Sie ist essentiell oder lebensnotwendig.
Das haben Sie sicher so gemeint!

2.Methionin ist an der Federbildung nur in geringer Menge (ca. 0,6%) beteiligt. Die ebenfalls schwefelhaltige Aminosäure Cystein, die aus Methionin von der Taube umgewandelt werden kann (deswegen kann das synthetisch hergestellte Methionin in Mauserprodukten als schwefelhaltige AS für die Federbildung eingesetzt werden), ist in der Feder mit ca. 8% enthalten und das ist gegenüber anderen tierischen Geweben, ein sehr hoher Anteil.
Im Bezug auf die Federbildung während der Reise, = Handschwingen, ist eine extra Methioninversorgung unnötig, da im Verhältnis zum Zeitraum des Wachstum der Handschwinge für diese nur sehr wenig Methionin benötigt wird!

3. Methionin hat für die Reisetaube eine ganz andere, viel wichtigere Funktion:
Methionin dient nicht nur als Eiweißbaustein für den Aufbau von z.B. Muskulatur, sondern in der Leber als sogenannter Methylgruppendonator.
Das bedeutet, dass vom Methionin Methylgruppen (eine kleine chemische Gruppe) abgespalten werden, die dann im Stoffwechsel der Leber wichtige Funktionen übernehmen. Da die Leber ein sehr stoffwechselaktives Organ ist, hat das eine außerordentliche Funktion für den Leistungsstoffwechsel.

4. In dem von Ihnen erwähnten Produkt
Roborans BT-1 ist 3% Methionin enthalten. Der Vergleichbarkeit halber mit anderen Aminosäurenprodukte können wir auch sagen
30.000 mg/1000 Gramm = 30 Gramm/kg.
Das ist eine hoher Gehalt!
Ihrer Dosierung nach werden 1 Messlöffel pro Liter Trinkwasser oder 20 Tauben gegeben.
Leider geben Sie nicht die Grammzahl an! Durch die Abbildung des Messlöffel vermute ich, dass es sich um einen 2 Gramm Messlöffel handelt.
Aus diesen Angaben kann nun sehr einfach hochgerechnet werden wieviel Methionin die Taube durch das Produkt aufnimmt.
Wir geben 1. Messlöffel = 2 Gramm in 1 Liter Trinkwasser.
2 Gramm x 3% Met.-Gehalt = 0,06 Gramm / Liter
Es sind nach Ihrer Dosierung nun 0,06 Gramm oder 60 mg in 1 Liter Trinkwasser enthalten.
Von diesen 1000 ml trinkt die Taube ca. 50 ml = 5%

=> 60 mg/Liter x 5% = 3 mg Methionin pro Taube!

Zum Vergleich können wir die Methioninaufnahme durch das OVATOR Vollwertkorn ZMR berechnen.
OVATOR Vollwertkorn ZMR enthällt 0,48% Methionin.
Laut Empfehlung werden 10 Gramm pro Taube in der Mauser oder Zucht gefüttert.

=> 10 gr. x 0,48% = 0,048 Gramm = 48 mg/Taube.

Die Taube nimmt gegenüber dem Produkt Roborans BT durch das Vollwertkorn ZMR 16 mal so viel Methionin auf !

Selbst mit einer einfachen Körnermischung, die immer noch ca. 0,2% Methionin enthällt, wird mehr Methionin aufgenommen. Dies gilt übrigens auch für fast alle anderen Aminosäurenprodukte.

Achtung: Jetzt bitte nicht aufgrund dieser Aussage, eine höhere Dosierung anwenden, denn die Vitaminierung ist hoch und es könnte zu einer Überversorgung kommen.

Ich habe mir in der kürze der Zeit die anderen Gehalte nicht im Detail anschauen können, wollen.
Doch der erste Blick zeigt, dass der Vitamingehalt hoch ist. Dies muß aber immer im Verhältnis zur Dosierungsempfehlung gesehen werden und benötigt einfach mehr Zeit für eine geeignete Analyse.

Abschließend noch die Bemerkung, Überdosierungen einzelner Aminosäuren können zu Schäden führen !!
So führt z.B. eine Überdosierung der lebenswichtigen AS Methionin zu Blutarmut (Anämie) und Wachstumsdepressionen!

Ich freue mich schon auf die kommenden Beiträge.
Gut Flug und eine gute Anreise nach Kassel
Dipl.-Biol. Alfred Berger

Tiberius Mohr, Tierarzt
14.11.2000, 23:03
Sehr geehrter Herr Berger,

ich habe — in Annerkennung Ihrer Kompetenz auf dem Ernährungssektor — Ihre Beiträge immer mit sehr viel Interesse gelesen und bin der Meinung, daß Sie damit dem Taubenzüchter in Bezug auf die Ernährung vergleichbar gute Dienste leisten wie ich auf dem medizinischen Sektor.
Um so erstaunter war ich über den stellenweise recht polemischen Ton Ihres Artikels: „Etsch, in meinem Futter ist mehr Methionin als in Deinem Wirkstoffprodukt“ — wir haben alle mal einen schlechten Tag...
„Die Taube nimmt gegenüber dem Produkt Roborans BT durch das Vollwertkorn ZMR 16 mal so viel Methionin auf!“ – schreiben Sie. Das ist korrekt, nur kann Roborans BT-1 nicht anhand einzelner Komponenten beurteilt werden, sondern nur in seiner Gesamtheit. Zumal die Hauptaufgabe von Roborans BT-1 nicht darin besteht, die Methioninversorgung der Taube zu sichern (dafür haben wir Methionin BT im Programm), sondern eine Steigerung der Reiseleistung zu bewirken. Eine weitere „Analyse“ von Roborans BT-1 (wie von Ihnen angekündigt) erübrigt sich wohl, denn das würde Sie zu weit aus der Ernährungsphysiologie in ein Gebiet führen, auf dem Sie nicht „zuhause“ sind. Bitte nicht falsch verstehen: ich bin sicher, daß Sie die reine ernährungsphysiologische Seite des Präparates hervorragend analysieren und bewerten können.

Die Sache mit dem Schwefelatom ist von mir auch so gemeint gewesen, wie Sie es ausgeführt haben. Den genauen Weg über Cystein habe ich mir erspart, ich hielt es (für den Züchter) nicht wirklich von praktischer Bedeutung und wollte nicht Gefahr laufen, so verstanden zu werden, daß sich bei einer ausreichenden Cysteinversorgung die Methoninversorgung erübrigt. Sie haben aber völlig Recht, dem Biochemiker tut es schon weh, wenn man Methionin als S-Donator bezeichnet. Meine Antwort war jedoch für einen Züchter bestimmt und ohne den Anspruch auf biochemische Vollständigkeit.
Wenn Sie aber Wert auf solche Feinheiten legen, dann überrascht es mich, daß Sie Ihrerseits Methionin als Methylgruppendonator bezeichnen. Es ist zwar für den Züchter völlig ausreichend, nur ist Ihre Aussage — streng biochemisch gesehen —nicht korrekt. Nicht Methionin sondern S-Adenosylmethionin ist der eigentliche CH3-Donator, denn für die meisten biosynthetischen Methylierungen ist das Reaktionspotential der Methylgruppe des Methionins zu niedrig. Als aktiver Methylgruppendonator wird daher das ATP-aktivierte S-Adenosylmethionin angesehen (S-Adenosylhomocystein —> Homocystein —> Homoserin —>...). Das haben Sie sicher so gemeint...

Das alles sind jedoch biochemische Finessen, die in einem (Medizin-)Forum nichts verloren haben, weil für den Züchter der praktische Aspekt fehlt. Wichtig für den Züchter ist: die Taube braucht während der Reise / Mauser Methionin — meinetwegen aus dem Vollwertkorn ZMR — wichtig ist nur, daß die Versorgung stimmt, denn die Taube ist auf eine Zufuhr von außen angewiesen. Was Methionin (bzw. S-Adenosylmethionin) mit irgendwelchen Methylgruppen macht und woher das Schwefelatom nun tatsächlich kommt und wohin es geht, ist für den Züchter nicht wirklich von Bedeutung.

Ich denke, daß wir beide es nicht nötig haben, uns gegenseitig unsere Kompetenz zu demonstrieren. Wir besitzen sie beide (auf dem jeweiligen Sektor) und erkennen uns wohl auch gegenseitig das Fachwissen an.

Im Übrigen sind Ihre Ausführungen (wenn auch für den Züchter nicht unmittelbar verwertbar) aus biochemischer bzw. ernährungsphysiologischer Sicht so, wie ich sie von Ihnen erwartet habe: begründet und präzise (hätten Sie es doch dabei belassen...).

Über einen anspruchsvollen Gedankenaustausch freue ich mich jederzeit, nur sollten wir als Plattform für eine fachlich in die Tiefe gehende Diskussion nicht das Forum „mißbrauchen“, vor allem dann nicht, wenn es um Dinge geht, die für den Züchter ohne jegliche praktische Bedeutung sind und von einem Laien nicht nachvollzogen werden können.
Darüber hinaus ist dem Forum (und dem Züchter, der nach Informationen Ausschau hält) eine rein sachliche Auseinandersetzung dienlicher als eine polemisch angehauchte — jeder von uns sollte anstreben, sich auf sein Fachgebiet zu beschränken. Auf unserem Gebiet können wir beide viel für den Züchter und den Taubensport tun.

Mit freundlichen Grüßen

Tiberius Mohr