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View Full Version : Milben,Federlinge etc.


Franz
16.11.2000, 08:22
guten tag herr mohr !

mich interessiert , ob es sinnvoll ist ,gegen milben und federlinge zum Beispiel mit IVOMEC ausserhalb der reisezeit vorbeugend zu kuren . wie belastend ist diese behandlung für die tiere ? ist eine behandlung bei befall auch in der reisezeit möglich , oder muss hier eine pause eingelegt werden ? welche behandlungsalternativen gibt es ?

vielen dank im voraus
mfg franz

Tiberius Mohr, Tierarzt
19.11.2000, 01:31
Sehr geehrter Herr Franz,

gegen Milben und Federlinge sollte immer dann behandelt werden, wenn ein Befall vorliegt. Darüber hinaus sollte man während der Reise dafür sorgen, daß die Tauben sich im Auto nicht anstecken und Parasiten nach Hause schleppen. Zu diesem Zweck ist die Behandlung mit einem Präparat durchzuführen, das einen Langzeitschutz von mindestens 4 Wochen gewährleistet — schließlich hat man im Taubensport auch noch anderes zu tun, man möchte nicht jede Woche mit der Tropfflasche durch den Bestand ziehen.

Mögliche Behandlungsformen sind:

1) Badewasserzusätze
Diese Behandlungsweise lehnen wir aufgrund von Nebenwirkungen grundsätzlich ab. Es ist nicht zu vermeiden, daß die Tauben Badewasser abschlucken, wenn auch aufgrund des wohl unangenehmen Geschmacks in nicht sehr großer Menge. Bei uns in der Praxis sind zwei solche Fälle aktenkundig: In beiden Fällen hat der Badewasserzusatz mit den zu diesem Zeitpunkt verabreichten Arzneimitteln im Kropf reagiert, in einem Fall sind 23 Tauben innerhalb von 8 Stunden gestorben. Der Badewasserzusatz allein ist in kleinen Mengen wohl nicht so schädlich, sicherlich aber auch nicht gerade gesundheitsfördernd (hängt vom darin enthaltenen Wirkstoff ab).

2) Verdampfen / Vernebeln / Aerosol
Es gibt einige Präparate, die man auf den Schlagboden und in die Zellen träufelt. Die dabei entstehenden Dämpfe sollen die Milben abtöten.
Diese Präparate haben drei Nachteile:
Erstens wirken sie nur auf Milben, sie töten keine Milbeneier ab.
Zweitens sind sie für die Tauben bedenklich. Wenn die Tauben sich aber nicht im Schlag befinden, können logischerweise auch keine Milben abgetötet werden, die sich gerade auf der Taube befinden. Diese Milben legen weiter ihre Eier und vermehren sich.
Drittens bieten diese Mittel keinen Langzeitschutz und sind daher für den Einsatz in der Reisezeit nicht geeignet (auch aufgrund von Nebenwirkungen nicht empfehlenswert!).
Die Anwendung dieser Mittel müßte in 20tägigem Abstand ständig wiederholt werden (auch wenn der Hersteller etwas anderes schreibt!), weil aus noch vorhandenen Milbeneiern ständig junge Milben nachschlüpfen.

3) Einzeltierbehandlung
Diese Behandlungsart ist die einzige, die sich im Brieftaubensport bewährt hat. Sicherlich ist die Anwendung aufwendiger, alle Eigenschaften sprechen aber dafür.

Folgende Anforderungen sollte ein Milbenmittel erfüllen:
a) Unbedenklichkeit
b) Gute Wirksamkeit
c) Langzeitschutz (nicht nur wegen der Ansteckungsgefahr im Kabinenexpreß, es ist wichtig, daß das Mittel noch wirkt, wenn aus den Eiern die Nachkommen nachkommen.

Im Brieftaubensport haben sich 3 Mittel besonders bewährt: Ivomec, Metrifonat und Frontline.

Hier in Kürze die Beurteilung, weiteres entnehmen Sie bitte der Arzneimittelbesprechung auf www.brieftaubenmedizin.de.

Ivomec (http://www.brieftaubenmedizin.de/arzneimittel/ivomec.htm)
Wirksamkeit gegen Milben: sehr gut
Wirksamkeit gegen Federlinge: mäßig bis schlecht
Wirksamkeit gegen Darmwürmer: sehr gut (Wiederholung nach 20 Tagen unbedingt erforderlich)
Wirksamkeit gegen Luftsackmilben: nach manchen Autoren mäßig, nach eigenen Erfahrungen so gut wie nicht gegeben
Unbedenklichkeit: bei richtiger Verdünnung unbedenklich (Bitte beachten Sie auch den sehr guten Beitrag von Herrn A. Berger vom 15.11.00 im Züchterstammtisch.)
Langzeitschutz: mäßig, während der Reise gerade ausreichend

Metrifonat (http://www.brieftaubenmedizin.de/arzneimittel/metrifonat_spot_on.htm)
Wirksamkeit gegen Milben: sehr gut
Wirksamkeit gegen Federlinge: sehr gut
Wirksamkeit gegen Darmwürmer: gut, gegen einige Wurmarten sehr gut (deckt in der „Milbendosierung“ nicht das gesamte Wurmspektrum ab)
Wirksamkeit gegen Luftsackmilben: sehr gut (einziges Mittel gegen Luftsackmilben!)
Unbedenklichkeit: bei richtiger Dosierung unbedenklich, in der „Wurmdosierung“ problematisch
Langzeitschutz: sehr gut, ca. 4 Wochen

Frontline (siehe „Medizinische Versorgung im Brieftaubensport“, Seite 35-37)
Wirksamkeit gegen Milben: sehr gut
Wirksamkeit gegen Federlinge: sehr gut
Wirksamkeit gegen Darmwürmer: keine
Wirksamkeit gegen Luftsackmilben: keine
Unbedenklichkeit: Wirkstoff völlig unbedenklich (auch in hoher Konzentration), Lösungsmittel kann zu Reizungen der Atemwege führen. Die Tauben dürfen nach der Behandlung nicht in den Korb gesetzt werden, damit sie die Alkoholdämpfe (Isopropanol) nicht konzentriert einatmen. Isopropanol Verdampft allerdings sehr schnell (der Wirkstoff Fipronil bleibt dabei im Gefieder zurück und schützt die Taube mehrere Wochen vor einem Neubefall). Wenn die Tauben anschließend fliegen oder sich in einem größeren Raum aufhalten können (Voliere, Schlag), gibt es keine Probleme.
Langzeitschutz: sehr gut, angegeben bis zu 4 Wochen, nach eigenen Erfahrungen bis zu 3 Monate

Bemerkungen:
Milben und Federlinge sind Parasiten, die zu keiner Zeit bei Tauben geduldet werden dürfen. Da die Ansteckungsgefahr im Brieftaubensport sehr hoch ist, gewährleisten nur regelmäßig wiederkehrende Behandlungen die Parasitenfreiheit über einen längeren Zeitraum. Reisetauben sollten während der Saison alle 4 Wochen mit Ivomec und/oder Metrifonat behandelt werden. Nach Abschluß der Reise genügt eine Behandlung, um die Parasitenfreiheit bis zur nächsten Flugsaison zu gewährleisten. Allerdings sollten Neuzugänge und Nachzügler behandelt werden, bevor sie in den Bestand eingegliedert werden. Wenn Luftsackmilben und Darmwürmer ausgeschlossen werden können, sollte mit Frontline behandelt werden, weil der Schutz vor einer Neuansteckung oft bis zu 3 Monate anhält. Dagegen haben Ivomec und Metrifonat den Vorteil, auch andere Parasiten (Würmer, Luftsackmilben) abzutöten.

Ich kann mich der Empfehlung des Herrn A. Berger (siehe Züchterstammtisch, Beitrag vom 15.11.00) nur anschließen: Stimmen Sie jeden Einsatz während der Saison mit Ihrem (Tauben-)Tierarzt ab.

Tiberius Mohr

Franz
20.11.2000, 09:44
Guten Tag ,Herr Mohr !

Vielen , vielen Dank für Ihre mehr als ausführliche Antwort . Da bekommt man ja ein schlechtes Gewissen , wenn man sieht , zu welcher unchristlichen Zeit sie diesen Beitrag geschrieben haben ....

mfg franz

Tiberius Mohr, Tierarzt
24.11.2000, 10:22
Danke für Ihre Anteilnahme.

Leider läßt sich die Arbeit für das Forum — zwischen September und März — oft nur zu Lasten meines Schlafes bewerkstelligen. In der Reisezeit ist es erfahrungsgemäß etwas ruhiger, und ich kann mich auch zwischendurch um die Fragen aus dem Forum kümmern.
Die Nachmittagssprechstunde geht bei uns bis 21 Uhr. Die letzten Patienten, die kurz vor 21 Uhr in die Praxis kommen, verlassen diese oft erst gegen 23 Uhr.
Danach kommt noch die Arbeit im Labor — die Züchter möchten die Ergebnisse möglichst noch gestern haben. In der Hauptuntersuchungszeit für Tauben (wir befinden uns gerade mitten drin) müssen auch noch 4-5 Befunde pro Tag (sprich Nacht) geschrieben werden. Wenn ich schon zu so unchristlichen Zeiten im Labor arbeiten muß, damit der Züchter zügig zu seinem Befund kommt, dann muß ich den Befund auch sofort schreiben — sonst hätte ich mich gleich hinlegen können.
Da wir die Befundbesprechung sehr ausführlich gestalten — der Züchter möchte auch verstehen, was seine Tauben haben und was er dagegen unternehmen muß — kommen wir selten auf weniger als 10 Seiten pro Befund (40-60 Seiten täglich). Wir legen großen Wert darauf, daß die Befunde medizinisch auf dem neusten Stand sind. Also können mir die Angestellten diese Arbeit nicht abnehmen. Wenn ich dann noch einigermaßen klar denken kann, versuche ich die Fragen aus dem Medizinforum zu beantworten.
So erklärt sich auch, warum meine Antworten gelegentlich über eine Woche auf sich warten lassen — ich schaffe es zeitlich einfach nicht und „Standardantworten“ möchte ich den Lesern nicht zumuten. Wenn ich mir schon die Arbeit mache, dann muß die Antwort „Hand und Fuß“ haben. Dabei lege ich großen Wert darauf, daß der Züchter damit etwas anfangen kann. Wenn der Züchter meine Antwort nicht umsetzen kann, kann ich mir die Mühe sparen, dann brauche ich sie auch nicht zu schreiben und schlafe lieber 2 Stunden mehr...

Tiberius Mohr