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View Full Version : Karlsbader Salz


Pfaelzer
07.01.2001, 05:55
Hallo Sportsfreunde, eine Frage die mich schon seit längerem bewegt ist, wie wende ich Karlsbader Salz während der Reisesaison an?
Höre immer wieder von Züchtern die Ihren Tauben dies nach der Heimkunft oder später verabreichen. Habe dies selbst auch schon ausprobiert, aber mit dem Ergebnis, daß ich beim nächsten Flug eine auf die Nuss bekommen habe und die Tauben außer Tritt kamen. Die Dosierung die ich dafür verwende ist ein Teelöffel auf ein Liter Wasser, wie z. B. Ernst Nebel in seinen Büchern schreibt. Erfahrungswerte eurerseits würden mich hier ein ganzes Stück weiterbringen.
mfg Mauer Thomas

Tiberius Mohr, Tierarzt
20.01.2001, 17:28
In der Humanmedizin wird das Karlsbader Salz seit Anfang des 19. Jahrhunderts eingesetzt — wohl aus Mangel an Alternativen in der damaligen Zeit von Blutegel-Therapie, Aderlaß und Ausbrennen von Wunden (Letzteres war allerdings gar nicht so verkehrt). Vermutlich kamen ähnliche Mixturen schon in früheren Zeiten zum Einsatz, jedoch fehlen darüber eindeutige schriftliche Aufzeichnungen.
In der Veterinärmedizin wird das Karlsbader Salz etwa seit dem Jahr 1900 eingesetzt, erste schriftliche Dokumentationen stammen von einem gewissen Dr. Fröhner. Seit dieser Zeit werden verschiedene Salzmischungen als Abführmittel und zum Ausgleich einer Magenübersäuerung bei Pferd, Rind, Hund, Katze und Heimtieren eingesetzt.

Das Karlsbader Salz gibt es eigentlich nicht. Es gibt Salzmischungen unterschiedlicher Zusammensetzung, die unter dem Namen Karlsbader Salz vertrieben werden. Dementsprechend fallen die Wirkungen auf den Körper der Taube schwerpunktmäßig und hinsichtlich der Stärke unterschiedlich aus — je nachdem welche Salze zu welchem Anteil in der Mischung enthalten sind.

Hier nur einige der vielen gängigen Rezepturen:

Mischung Nr. 1
· Natriumchlorid (= Kochsalz)
· Natriumsulfat (= Glaubersalz)
· Natriumbikarbonat (= Bulrichsalz, Natriumhydrogenkarbonat, Hausnatron, Backnatron, NaH2CO3)

Mischung Nr. 2
· Natriumsulfat
· Kaliumsulfat
· Natriumchlorid
· Natriumbikarbonat

Mischung Nr. 3
· Natriumsulfat
· Natriumchlorid
· Natriumbikarbonat

Mischung Nr. 4
· Natriumsulfat
· Magnesiumsulfat (= Bittersalz)
· Natriumchlorid
· Natriumbikarbonat

Mischung Nr. 5 (extrem abführend, Abführmittel der Gruppe der sog. Drastika)
· Natriumsulfat
· Magnesiumsulfat


Neben diesen „Standard“-Mischungen gibt es im Handel eine ganze Reihe Eigenkreationen verschiedener Apotheker und Ärzte sowie pharmakologisch mehr oder weniger sinnvoll zusammengesetzte Salz-Mixturen einiger „Heilkünstler“ — alles unter dem Namen „Karlsbader Salz“.
Neben den oben aufgeführten Bestandteilen können die Mixturen noch eine ganze Reihe anderer Salze enthalten (Zinksalze, Jodsalze etc.). Der Anteil der jeweiligen Komponenten variiert ebenfalls von Produkt zu Produkt erheblich.

So gut wie alle Mischungen enthalten — mehr oder weniger — Natriumsulfat (Glaubersalz) und Natriumhydrogenkarbonat (Hausnatron). Diese beiden Komponenten, vor allem das Natriumsulfat, sind für die Hauptwirkungen (und Nebenwirkungen) des Karlsbader Salzes bestimmend. Durch den hohen Anteil von Natriumsulfat (und der starken Wirkung dieser Komponente auch in geringen Mengen) gehört das Karlsbader Salz zu den sog. osmotisch-salinische Laxantien. Osmotische Laxantien der salinischen Gruppe sind starke Abführmittel.

Wirkung:
Abführend, je nach Zusammensetzung und Dosierung stark bis extrem stark wirksam.
Im Darm ziehen diese Salze Wasser aus dem Gewebe und dem Blut und binden es an sich. Dadurch kommt es in kurzer Zeit zu einer erheblichen Volumenzunahme und folglich zu einer Dehnung der Darmwand. Dieser Dehnungsreiz gibt dem Darm das Signal, seine wellenförmige Bewegung zu verstärken. Wenn Magnesiumsalze (Magnesiumsulfat, Bittersalz) in der Mischung enthalten sind, kommt es zusätzlich über die Freisetzung eines bestimmten Botenstoffes (Cholecystokinin) zu einer noch stärkeren, krampfartigen Steigerung der Darmbewegung. Auf keinen Fall darf eine solche Salzmischung während der Reise verabreicht werden. Eigentlich sollten alle Karlsbader-Salz-Mixturen nur nach strenger Indikation verabreicht werden!

Indikation:
Das Haupteinsatzgebiet von Karlsbader Salz sind Vergiftungen mit oral aufgenommenen Stoffen. Hier ist eine starke und schnell einsetzende Abführwirkung wichtig, damit das eventuell noch im Darm befindliche Gift möglichst schnell diesen wieder verläßt, bevor es Schaden anrichten oder vom Körper aufgenommen werden kann.

Nebenwirkungen:
Die Nebenwirkungen sind durch die Hauptwirkung begründet. Nebenwirkungsfreies Karlsbader Salz bzw. eine Menge, bei der noch keine Nebenwirkungen auftreten, hat auch keine Wirkung auf den Körper, denn die unerwünschten Wirkungen sind die Folgen der Hauptwirkung: ohne Hauptwirkung keine Nebenwirkung, ohne Nebenwirkung keine Hauptwirkung.
Häufige Nebenwirkungen sind:
· Kolikartige Schmerzen im Bauch (bedingt durch die forcierte Steigerung der Darmbewegung, bis hin zum Dauerkrampf, vor allem durch den Zusatz an Magnesiumsulfat)
· Magenüberdehnung (vor allem bei etwas verzögert einsetzender Steigerung der Darmbewegung)
· Darmüberdehnung (durch Volumenzunahme)
· Wasserverlust und Wassermangel im Körper (durch Wasserentzug aus dem umliegenden Gewebe des Darmes und aus der Blutbahn)
· Eindickung des Blutes durch den Flüssigkeitsentzug
· Störung des Gleichgewichtes der Körperelektrolyte untereinander und Elektrolytverlust (durch vermehrte Ausscheidung einiger Elektrolyte in großen Mengen über den Darm und den folglich gestiegenen Anteil der übrigen Elektrolyte im Blut)
· Eingeschränkte Nierenfunktion, in schlimmen Fällen Nierenversagen und Tod (bedingt durch den Wasserverlust — die Niere kann nur bei einem bestimmten Wassergehalt des Blutes richtig arbeiten)
· Starke Belastung des Kreislaufes (durch die plötzliche Bluteindickung und Verschiebung des Elektrolytgleichgewichtes)
· Neurologische Störungen (durch die Hypermagnesiämie, verursacht einerseits durch die Magnesiumsalzzufuhr und andererseits durch die Elektrolytverschiebung und den Wassermangel).

Welche Nebenwirkungen in welchem Ausmaß auftreten und wie lange sie andauern, hängt weniger von der Zusammensetzung des Karlsbader Salzes — wie schon gesagt, wenn es wirkt hat es auch Nebenwirkungen — sondern vor allem von der verabreichten Menge pro Zeiteinheit ab.

Einsatz im Brieftaubensport:
Für den Einsatz im Brieftaubensport gibt es — außer bei Vergiftungen — keine vernünftig begründbare Indikation.
Ich habe die medizinischen Eigenschaften absichtlich so ausführlich dokumentiert, damit sich der Leser selbst eine Meinung darüber bilden kann, ob es angebracht ist, den Tauben Karlsbader Salz zu verabreichen.
Das beste, was den Tauben passieren kann, ist daß die Mischung unwirksam bzw. die verabreichte Menge zu gering ist, um irgendwelche Wirkungen (und damit Nebenwirkungen!) auszulösen.

Tiberius Mohr

Pfaelzer
22.01.2001, 18:03
An Dr. Mohr,
vielen Dank für die ausführliche Antwort. Es stimmt vielleicht doch was Harry Tamsen mal geschrieben hat. ES STECKT SYSTEM DAHINTER DEN NORMALEN ZÜCHTER FÜR DUMM ZUVERKAUFEN. Diese Vorgehensweise habe ich dem Buch der Championsreihe von Ernst Nebel übernommen. Das sind ja wirklich schöne Bücher, sind es aber auch GUTE? Wenn das alles stimmt, was man hört, daß die Züchter die in diesem Buch stehen horrende Beträge dafür zahlen das Sie in so ein Buch kommen, dann muß man sich fragen, sind das überhaupt die besten? Ich auf jeden Fall werde diese Kacke nicht mehr verwenden, da ich schon 2 mal regelrecht auf die Schnauze gefallen bin.
freundliche Grüße
Mauer Thomas