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View Full Version : Brieftaubenzüchter=Trichomonadenzüchter???


orleans
24.01.2001, 19:35
Hallo Sportsfreunde,

die Überschrift ist absichtlich etwas provokativ gewählt, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß wir Züchter nicht ganz unschuldig sind am Trichomonadenproblem.
Für mich sind Trichos eigentlich ein Fremdwort, denn die Zuchttauben kure ich schon seit 3- 4 Jahren nicht mehr dagegen, ohne besondere Ausfälle bei den Jungtauben und die Witwer nur bei Befund-zweimal in 4 Jahren. Ich glaube mit der vielen Kurerei machen wir das Problem nur größer und schaffen uns allerhand resistente Stämme.

Mit Sportsgruß
Orleans

timo
25.01.2001, 19:36
hallo sportfreund, sicherlich hast du vollkommen recht, doch deine erfahrungen will u. wird kaum jemand wahrnehmen. schließlich bist du doch nur ein "kleiner, unwissender tropf" gegenüber der almächtigen pharmaindustrie. also werden alle diesen herrschaften vertrauen, ohne zu wissen, was sie anrichten. vor kurzem hatte ich ein interessantes gespräch mit einem wiklich guten tierarzt - auch für tauben!! seine aussage fand ich sehr aufschlußreich. möglicherweise lassen sich auch, gerade hieraus rückschlüsse auf die zumehmende resistenz in vielen bereichen ziehen. er sagte, eine namhafte firma empfehle ein tricho - präparat mit dosierungsangaben. nach seinen berechnungen müßte das 8 - fache überdosiert werden, um einene wirkung zu erreichen. ich meine, eine deutliche aussage.
nicht nur deshalb, werde ich, noch mehr als bisher auf alle diesbezüglichen präparate verzichten u. nur auf anweiseung dieses tierarztes behandeln. eine weitere seiner aussage war der hinweis auf einen derzeit in mode gekommenen tierarzt, der heute absolut gegensätzliche meinungen vertritt als noch vor fünf jahren. allerdings bestand damals noch kein eigenes verkaufsinteresse.
vielleicht denken jetz doch noch einige nach.
mit sportlichen grüßen gerhard

carli
26.01.2001, 16:52
Hallo Sportsfreund

Ich gebe dir vollkommen recht. Meine Zuchttauben bekommen auch nichts mehr. Leben alle noch. Je öfter die Taubenzüchter gegen die Trichomonaden behandeln um so schlechter wird es in Zukunft. Man sollte wieder mehr selektieren. Wenn ich die schwachen Auslese dann vermehren sich diese auch nicht mehr. Es wird keine Taube geben die ganz ohne Trichomonaden ist. Es gibt garantiert auch in jeder Taube Bakterien, man muss nur immer auf der Suche sein. Gute und glaubhafte Beiträge dazu hat schon Toni von Ravenstein geschrieben. Auch im letzten Taubenspiegel (1/2001) steht ein sehr interessanter Beitrag von Kevin Verhasselt.
Nach den Vorstellungen von „Verkaufs-Spezialisten“ müssten wir unbedingt eine Kur machen: vor der Anpaarung, nach dem Legen des 2. Eies, wenn die Jungen abgesetzt werden, vor der Reise, während der Reise mind. jede 2.Woche, nach der Reise, und auf jeden Fall noch eine Kur vor der Mauser, ist die Zeit dazwischen recht lange dann muss, um ganz sicher zu gehen, alle 4 Wochen noch eine Behandlung eingeschoben werden. Wenn das noch nicht reicht, der kann seine Tauben alle 14 Tage zum Tierarzt fahren, Trichomonaden feststellen lassen und dazwischen noch eine extra Kur einschieben. Wer seine Tauben so das ganze Jahr behandelt, der wird auch massenweise Trichomonaden vorweisen können.
Mit sportlichen Grüßen Carli

Pfaelzer
27.01.2001, 15:10
Hallo Sportsfreunde,
ich kann mich dem oben stehenden Artikel nur anschließen. Diese Probleme die wir momentan im Taubensport haben, haben wir uns selbst gemacht. Aus eigener Praxis kann ich bestätigen, daß seit ich dem Medikamentenwahn verfallen bin, ich keine Extras für die Reise mehr gezüchtet habe. Das das keine leeren Worte sind kann ich behaupten, habe ich doch den besten Vogel der RV Dahn in 1998 undden besten Vogel der RV Südpfalz in 1999 gezüchtet. Auch wurde mit der Nachzucht meiner Tauben ( teils Original teils Nachzucht )im Jahr 2000 die RV Meisterschaft meiner Rv gewonnen. Wobei ein Vogel als 5 jähriger 48 Preise geflogen hat und vollkommen ohne Medikamente aufgezogen wurde. Lediglich eine Impfung gegen Paramyxo haben sie über sich ergehen lassen müssebn. Ich werde dieses Jahr meine Zuchttauben nur gegen Para´myxo impfen, ansonsten bekommen sie nichts. ( eine Tierärztliche Untersuchung haben sie hinter sich - ohne Befund ).
Ein anderer Beweis meiner Aussage ist, daß ich dieses Jahr von einem Spitzenschlag im 30. Bezirk mir im Sommer Junge und Eier von den Zuchttauben geholt habe. Die Jungen aus den Eiern wurden von den Zuchttauben aufgezogen und ich hatte keinerlei Probleme. Nach der Saison habe ich mir vom selben Schlag noch einige Eier von den besten Witwern geholt. diese wurden dann von meinen Reisetauben aufgezogen. Die Reisetauben des Ausgangsschlages und auch meine wurden mit allerlei gekurt damit sie möglichst gute Reiseleistungen bringen.
Und jetzt kommts: Wo ich bei den JUngtauben aus unbehandelten Tauben überhaupt keine Probleme hatte, war es bei den Jungtauben aus den Reisetauben genau umgekehrt. Obwohl die Reisetauben nach den Flügen untersucht wurden und nichts festgestellt wurde, hatten die Jungen schon kleinere Probleme gesund aufzuwachsen. KOmmt es daher, daß die Eltern eine Darmflora haben die zu diesem Zeitpunkt durch die Medikamentengaben geschäfigt war?
Sportsfreunde glaubt nun nicht das ich in Zukunft irgendetwas schleifenklasse. Die Tauben werden auch in Zukunft behandelt wenn eine Krankheit festgestellt wurde. Nur blinde Trichokuren oder ähnliches werden meine Zuchttauben nicht mehr sehen. Sportsfreunde gebt euren Tauben wenn ihr gesunde Jungen aufziehen wollt keine Medikamente und Vitamine mehr. Gesunde Tauben brauchen keine Vita´mine wenn sie gut untergebracht werden.
Nur der Verkäufer braucht sie um sich zu ernähren.
Auch kann man die Schwachen und Gurken viel besser erkennen. Ich hatte nie Probleme mit der JUngtierkrankheit, aber seit ich die Zuchttauben gegen allerlei behandelt habe, habe ich damit zu tun.
WIE WÜRDE HARRY TAMSEN SAGEN: DENK DOCH EINMAL DARÜBER NACH.
mfg. Mauer Thomas

Tiberius Mohr, Tierarzt
30.01.2001, 20:14
Sie haben Recht: Durch den „unkritischen“ Einsatz von Arzneimitteln wird die Resistenzlage von Jahr zu Jahr schlechter. In der Trichomonadenbekämpfung werden hauptsächlich folgende Fehler gemacht:
1) Es werden Arzneimittel ohne Überprüfung der Wirksamkeit eingesetzt — Trichomonaden sterben nicht ab, sondern werden höchstens für einige Tage geschwächt, und gefährden sowohl den eigenen Bestand weiter als auch die Tauben anderer Wettflugteilnehmer. Kein Züchter kann darauf vertrauen, daß die Tauben, die zu seinen in die Box gesetzt werden, Trichomonadenfrei sind.
2) Es werden wirksame Arzneimittel unterdosiert bzw. für einen zu kurzen Zeitraum verabreicht (vor allem in der Reise) — bisher gegen das Mittel empfindliche Trichomonadenstämme werden mit der Zeit dagegen resistent.
3) Es werden völlig unwirksame Mittel (sog. Futterzusatzmittel) verabreicht, fachgerecht durchgeführte Kuren unterbleiben — siehe Punkt 1).
4) Es wird nicht planmäßig vorgegangen — Tauben werden unnötig durch „Standardkuren“ geschwächt (auch wenn gar kein Befall vorliegt)
5) Aufgrund schlechter Erfahrungen sinkt die Bereitschaft etwas gegen Trichomonaden zu unternehmen (Punkte 1 bis 4) — damit wird das Problem aber nicht gelöst; später, wenn der Erfolg nachläßt und wieder Trichomonaden nachgewiesen wurden, wird die Vorgehensweise (1-4) wiederholt, der Teufelskreis dreht sich weiter.

Es ist zwar wahr, daß mit der Zeit, durch harte Selektion, die eigenen Tauben — von Generation zu Generation — immer unempfindlicher werden, sie „arrangieren“ sich mit den Trichomonaden, die im Bestand vorkommen. Zum einen dauert das aber mehrere Jahre und zum anderen gibt es mehrere Trichomonadenstämme, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Die Sache funktioniert nur so lange, bis sich die Tauben mit Trichomonaden eines anderen Stammes anstecken. Und dann gibt es ja noch den Taubensport. Ist es den anderen Teilnehmern gegenüber fair, infizierte Tauben einzukorben? Vorausgesetzt es funktioniert überhaupt: die Tauben der übrigen Teilnehmer sind nicht durch eine entsprechende Selektion unempfindlich geworden... Und dann gibt es noch den Tierschutz. Wie viele Jungtauben müssen „daran glauben“, bis der Bestand Trichomonadenunempfindlich geworden ist? 10, 100, 1000? Was ist „angebracht“? Was erscheint zu viel? Immer daran denken: Auch Tauben, die unserer Vorstellung nicht entsprechen sind Lebewesen, die einen Anspruch auf ein erträgliches Leben (u.a. auch parasitenfrei!) haben. Und es gibt noch den Züchter, mit seiner Verantwortung für die Tiere in seiner Obhut (ob es ihm gefällt oder nicht!).

Tauben so lange Trichomonaden auszusetzen, bis alle elend zugrunde gehen, die dagegen empfindlich sind, ist Barbarei!

Außerdem funktioniert die Sache nur auf dem Papier, „im richtigen Leben“ nicht. Alle 4-5 Jahre flammt die Diskussion darüber auf — wir sind gerade wieder so weit. Nach anfänglichen Erfolgen kommt dann die Ernüchterung, die Meisterschaft geht flöten und die Sache wird für weitere 4-5 Jahre vergraben.
Richtig ist:
1. Den eigenen Bestand durch wirksame Arzneimittel und ein planmäßiges Vorgehen Trichomonadenfrei zu halten
2. Darauf hinzuwirken, daß möglichst viele Teilnehmer der eigenen Einsatzstelle das gleiche tun, damit der Kreis der immerwährenden Ansteckung durchbrochen werden kann.

Tiberius Mohr

Tiberius Mohr, Tierarzt
30.01.2001, 22:35
Keiner sollte irgendwelchen Herrschaften vertrauen, ohne zu wissen, was er anrichtet — weder im Brieftaubensport noch sonst wo. Wozu wurden wir denn mit Verstand „ausgestattet“?. Vertrauen sollte man hinsichtlich der Trichomonadenbekämpfung ausschließlich einem qualifizierten Tierarzt, der seine Vorgehensweise dem Züchter offenlegt und sachlich und für den Züchter nachvollziehbar begründet.

Wer den Bestand von Trichomonaden befreit behält Recht, egal was er vor fünf Jahren für richtig befand (haben Sie Ihre Meinung in den letzten 5 Jahren nie geändert?). Vor allem aufgrund der galoppierenden Resistenz einiger Erreger wäre es ziemlich unklug, auf das zu vertrauen, was vor 5 Jahren richtig war! Dazu kommt noch die beträchtliche Nachrede-Komponente Ihrer Ausführungen. Dem Tierarzt werden gelegentlich Dinge in den Mund gelegt, die sehr oft nicht einmal annähernd stimmen. Vermutlich glaubt man so, in den Augen der Zuhörer interessanter zu erscheinen, wenn man etwas außergewöhnliches über einen bekannten Tierarzt zu berichten weiß. Ich höre — vor allem auf Messen — immer sehr aufmerksam und amüsiert zu, wenn sich mehrere Züchter an einem fremden Stand oder in der Schlange vor der Würstchenbude über mich unterhalten. Am vergnüglichsten sind für mich die Geschichten, die der Erzähler — der mich nicht einmal kennt und nie in unserer Praxis war — über seine Erlebnisse anläßlich des angeblichen Besuches in unserer Praxis schildert. Wenn ich mich dann zu erkennen gebe, muß der Züchter (mit etwas veränderten Gesichtszügen) zugeben, daß er das erzählte eigentlich nicht selbst erlebt hat — ich muß mich verhört haben, nicht er hat das alles erlebt, ein guter Freund war es, dessen Wort er bisher nie anzweifeln mußte... Am Stand von Natural, vor 3 Jahren, haben sich mehrere Züchter über die Rasse Bricoux unterhalten. Irgendwann kam aus der Gruppe die Bemerkung, daß Mohr als einziger Züchter noch die reinen Bricoux hätte. Das war der Auslöser: „dieser Halsabschneider, ich selbst habe für eine einzige Untersuchung 1.500 DM bezahlt,... und dann noch die Medikamente...“ usw. Zunächst versuchte ich ihm zu erklären, daß solche Summen für die Untersuchung gar nicht zustande kommen können, da alle Tierärzte Ihre Preise im engen Rahmen einer einheitlichen, von der Bundesregierung beschlossenen Gebührenordnung berechnen müssen und wohl keiner für einige hundert DM seine Approbation aufs Spiel setzt. Das schien den „gut informierten“ Erzähler nur noch stärker anzuspornen — was er nicht alles in meiner Praxis in Stuttgart erlebt hat! Ich habe ihn noch einige Minuten weiter über seine angeblichen Erfahrungen berichten lassen, bevor ich ihn darauf aufmerksam machte, daß zwar mein Buch in Stuttgart erschienen ist, die Praxis sich aber in Fernwald, nähe Gießen befindet, außerdem kenne ich ihn schließlich gar nicht. Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, sich in Luft aufzulösen, hätte er bestimmt davon Gebrauch gemacht. Der Ausdruck der Peinlichkeit war so groß, seine Augen zeigten blanke Panik, daß er mir schon wieder leid getan hat.
So entstehen solche Geschichten. Sie werden weiter erzählt, jeder fügt etwas hinzu oder läßt etwas weg und irgendwann fällt man aus allen Wolken, wenn man hört, was man alles angeblich gesagt oder getan hat — alles stammt schließlich aus zuverlässigen Quellen.

Aber davon abgesehen: die Beweggründe des Tierarztes sind ohne Bedeutung, was zählt ist sein Behandlungserfolg bzw. seine redlichen Bemühungen, dem Züchter zu helfen. Es gibt sicherlich auch Tierärzte, die in karitativen Organisationen arbeiten, ohne dafür einen Lohn zu bekommen. Wenn der Lebensunterhalt gesichert ist, ist das ihre Sache. Es gibt aber auch Tierärzte, die trotz Zuneigung zum Tier und tiefe Verwurzelung im Taubensport ihren Lebensunterhalt durch ihre tierärztliche Tätigkeit verdienen. Das ist keineswegs verwerflich — er ist ja eben nicht Bäcker oder Maurer sondern Tierarzt. Sein Dienst für den Taubenzüchter muß entlohnt werden, das steht ihm zu, davon lebt er schließlich. Keiner würde von einem guten Automechaniker erwarten, den Motor ohne Bezahlung zu reparieren, nur weil dieser Mechaniker das gerne macht und für sein Leben gerne Automechaniker ist. Ich selbst nehme lieber die Dienste eines Fachmanns in Anspruch (auf welchem Gebiet auch immer), der seine Sache gerne und mit Liebe zum Detail tut, denn dieser würde sich schon aus persönlichem Ehrgeiz keine Schlamperei erlauben.
Vom Tierarztsein an sich kann man nicht leben. Das Geld für sein Brot muß man sich verdienen, und wenn man für den Taubenzüchter einen guten Dienst getan hat — zum Beispiel die Tauben von Trichomonaden befreit hat — hat man sich seinen Lohn verdient. Wer nicht bereit ist, diesen Lohn zu zahlen (DM 12 für einen Kropfabstrich!), sollte den Tierarzt erst gar nicht in Anspruch nehmen — die Nörgelei danach hat der Tierarzt wirklich nicht verdient. Einem Tierarzt pauschal zu unterstellen, den Züchter falsch zu beraten, nur weil er seinen Lebensunterhalt als Tierarzt verdient ist weltfremd, vermessen und bösartig.
Und immer daran denken: Die Probleme, die der Taubensport hat, sind hausgemacht und nicht durch die Tierärzteschaft verursacht! Der Tierarzt kann helfen oder nicht, er ist (bezogen auf Tauben) kompetent oder er ist es nicht, aber für die Probleme des Brieftaubensportes ist er beim besten Willen nicht verantwortlich. Höchstens dafür, daß er nicht nachdrücklich genug vor den Problemen warnt — aber das tun auch viele, seit vielen Jahren, die Warnungen werden aber ignoriert und die betreffenden Tierärzte als Nestbeschmutzer beschimpft (man braucht nur die Beiträge und die Antworten aus diesem Forum aufmerksam zu lesen!).
Nicht einmal für die derzeitige Resistenzlage der Trichomonaden ist die Tierärzteschaft verantwortlich. Das waren auch die Züchter mir ihren „probaten Mitelchen“ und abenteuerlichen Behandlungsplänen! Es wird nicht 7 Tage behandelt, weil der Züchter X das Mittel auch nur 1x / Woche verabreicht, und schließlich ist er so Deutscher Meister geworden. Außerdem steht im Buch von XY, daß der Belgische Meister Z seit Jahren nur so behandelt. Die Warnungen der Tierärzte werden in den Wind geschlagen, sie würden die Behandlungsdauer aus reiner Gewinnsucht auf 7 Tage ausdehnen...
Nein, lieber Herr Gerhard, diesen Schuh wollen wir Tierärzte erst gar nicht anprobieren, der paßt sicherlich nicht.

Ihr „wirklich guter Tierarzt – auch für Tauben“, hat sich mit Sicherheit verrechnet (oder wollte Ihnen gegenüber wichtig erscheinen). Alle Angaben aus dem Beipackzettel werden von der zentralen Zulassungsbehörde (z. B. das Paul-Ehrlich Institut) geprüft und mit den allgemeingültigen Regeln der Pharmakologie in Übereinstimmung gebracht. Kein Präparat bekommt (in Deutschland) die Zulassung, dessen Dosierung nicht stimmt oder dessen Wirksamkeit in der vom Hersteller angegebenen Dosierung nicht zweifelsfrei belegt wurde.
Und nebenbei bemerkt: es gibt kein Mittel, das gegen Trichomonaden wirkt, und in 8facher Dosierung die Tauben nicht umbringt! Schon bei der 2fachen Dosierung wird es bei den meisten (wirksamen!) Trichomonadenmitteln kritisch... und Mittel, die nicht wirken, werden in 8facher Dosierung auch nicht wirken (höchstens gegen Tauben!) — das sollte man nach 6 Jahren Studium der Veterinärmedizin schon begriffen haben.

Tiberius Mohr


p.s.:
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Meine Ausführungen sind keineswegs ein persönlicher Angriff gegen Sie, ich habe Ihren Artikel nur zum Anlaß genommen, einiges klarzustellen.

orleans
01.02.2001, 20:29
Hallo Herr Dr. Mohr,

einerseits habe ich positiv zur Kenntnis genommen, daß Sie mir prinzipiell Recht geben- was für einen Tierarzt schon nicht unbedingt zu erwarten ist.
Andererseits muß ich doch kritisch anmerken, daß Sie, wenn vielleicht auch nur als argumentatorisches Stilmittel, zu Übertreibungen neigen.
Ich sehe die Sache so: Wir als Taubenzüchter haben eine gewisse Verantwortung wie alle anderen Tierzüchter auch. Zum einen besteht die Verantwortung mit Sicherheit darin unseren Tieren ein soweit wie möglich artgerechtes Dasein zu bieten, zum anderen ist dies nicht uneingeschränkt möglich da wir eine auf Leistung ausgerichtete Zucht betreiben. Beides muß so gut wie möglich miteinander vereint werden. Leistung und wenig Medikamente stehen für mich in keinerlei Widerspruch- sind aber nicht mit jeder Taube zu machen. Wer ist Schuld? Der Züchter und auch die Tierärzte, die jedem Hanswurst das in die Hand drücken was er gerade wünscht. Natürlich möchte ich nicht pauschalieren, da es quer durch die Gesellschaft in allen Berufen Stümper und Fähige gibt. Wir als Züchter sind auch für den Erhalt der Taube als solche verantwortlich, die auch ohne viel Medikamente ein gesundes und artgerechtes Leben führen kann.
Dann die Zahlen die Sie nennen. Sie reden von
tausenden toter Jungen beim Versuch auf Trichomonadenmittel zu verzichten. Ich habe in den letzten 5 Jahren ohne Trichomonadenmittel vielleicht 10 Jungtauben durch solche verloren- was ca. 2% entspricht und das ist nun wirklich kein Verlust.
Ich kann nur allen Züchtern raten bei den Zuchttauben ohne Mittel gegen Trichos zu arbeiten und bei den Reisetauben nur im absoluten Notfall.

Mit Sportsgruß

Orleans

timo
04.02.2001, 08:10
sehr geehrter herr dr. mohr, ich beziehe mich auf ihre nachricht u. kann ihnen mitteilen, daß ich mich keinesfalls beleidigt fühle. meine auffassung, wir führen eine diskussion u. sind nicht beim kaffeekränzchen.
zu ihrer möglichen beruhigung kann ich ihnen sagen, daß nicht sie mit dem in mode gekommenen tierarzt gemeint waren.
was die meinungsänderungen im laufe von 5 jahren betrifft, so idt die sicherlich auf versorgung u. vieles andere zutreffend, nicht jedoch auf die verabreichung von medikamenten.
meine meinung hierzu, wenn eine taube krank ist, dann ist sie heute ebenso krank wie dies vor fünf jahren war.
aus meiner sicht gibt es - weder ein bisschen gesund, noch ein bisschen krank.
gesund oder krank!!
beim ersteren erübrigt sich jede behandlung, während bei letzterem richtig behandelt werden muß. ich lege dabei besonderen wert auf richtig!!
was die dosierung von medizin ersatzstoffen anbelangt, haben sie bei meiner aussage sicherlich etwas verwechselt.
ich hatte nich von medikamenten zur behandlung kranker tauben gesprochen, sondern von "püverchen oder tröpfchen welche von etlichen produktherstellern vertrieben werden u. nach meiner auffassung nichts bewirken, außer daß die resistents der geiseln zunimmt.
genau diese pülverchen hatte ich mit meiner aussage gemeint.
in ihrem folgenden beitrag stimmen sie mir übrigens zu, - erstaunlich!
viele grüße, gerhard baumann

Tiberius Mohr, Tierarzt
04.02.2001, 21:11
Sie pauschalisieren doch: “was für einen Tierarzt schon nicht unbedingt zu erwarten ist“ schmeichelt nicht unbedingt meinem Berufsstand und ist vielen Tierärzten gegenüber ungerecht (mir gegenüber auch, obwohl Sie mich fairer Weise nicht mit den anderen in einen Topf werfen). Aber vergessen wir das, ich glaube zu wissen, wie Sie das gemeint haben.

Eine gewisse Überspitzung in der Darstellung hilft oft, sich des Problems bewußt zu werden. Sie haben zwar „nur“ einige Jungtauben verloren, das NUR bezieht sich aber ausschließlich auf den Blickwinkel des Züchters, der eben MEHRERE (ich will nicht wieder sagen hunderte) Jungtauben pro Jahr züchtet. Für den Züchter sind es vielleicht nur 2%, für jede Taube, die daran glauben mußte, ist das sehr wohl ein „hoher Verlust“, es sind 100% — die Taube ist nämlich zu 100% tot! Und wenn viele Züchter Ihren Rat annehmen, werden es sicherlich tausende werden. Abgesehen davon habe ich nicht behauptet, daß es tausende sind, ich habe lediglich die Frage gestellt, welche Anzahl unter diesen Bedingungen vom Züchter als akzeptabel angesehen wird (erst genau lesen, dann „angreifen“).

Warum sollte man gerade in der Zucht auf Trichomonadenmittel verzichten? In der Zucht ist es nun wirklich einfach, die Trichomonaden „für immer“ los zu werden, denn einmal ausgerottet bleibt der Bestand sauber – zumindest bis neue Tauben in die Zucht gesetzt werden. Bekanntlich „entstehen“ Trichomonaden nicht einfach so, sie werden von Taube zu Taube übertragen. Jede Neueinführung sollte aber selbstverständlich darauf untersucht werden, ob sie nicht Krankheitserreger in den Bestand einschleppt und eine einzige hinzugekaufte Taube trichomonadenfrei zu bekommen ist wirklich keine besondere Kunst.
Und wer sagt uns, daß Sie die 2% wegen Trichomonaden verloren haben? Vielleicht haben Sie gar kein Trichomonadenproblem im Bestand und die Jungtauben sind aus anderen Gründen eingegangen... Auch ist Ihre Erfahrung nicht auf andere Bestände — mit all ihren sonstigen Problemen — übertragbar.

Ich habe auch nicht behauptet, daß tausende Jungtauben sterben werden, wenn man auf Trichomonadenmittel verzichtet. Ich behaupte aber, daß Tausende Jungtauben (mit den Jahren natürlich) sterben werden, wenn man versucht, einen trichomonadenresistenten Taubestamm zu züchten. Das sind zweierlei Paar Schuhe. Man kann einen Taubenstamm nicht auf Trichomonadenresistenz hin züchten, ohne daß die Tauben zu Beginn des Vorhabens mit Trichomonaden infiziert sind — die Jungtauben dieser Tauben würden dann in hoher Anzahl sterben; nicht pauschal alle Jungtauben irgendwelcher Bestände, nur weil kein Trichomonadenmittel eingesetzt wird. Verstehen Sie den Unterschied?

Im Übrigen stimme ich Ihnen zu, auch wenn ich dafür von Berufskollegen keine Belobigung zu erwarten habe. Mit Sicherheit hätten die Züchter nicht so viel „Schaden“ anrichten können, wenn gewisse Tierärzte bei der Vergabe von Arzneimitteln mehr Verantwortung gezeigt hätten. Bei manchen Tierärzten genügt auch jetzt immer noch die Einsendung einer Kotprobe als Vorwand, alle vom Züchter angeforderten verschreibungspflichtigen Arzneimittel durchs Land zu schicken — Anruf genügt. Diese Auslegung der berufsrechtlich festgelegten Untersuchungspflicht vor einer Behandlung ist weder medizinisch noch rechtlich gedeckt. Der Tierarzt darf ausschließlich Arzneimittel zur Behandlung der von ihm festgestellten Krankheiten einsetzen. Wie dieser Tierarzt beispielsweise Trichomonaden in einer Kotprobe festgestellt haben will, ist mir ein Rätsel.

Hinsichtlich der artgerechten Haltung muß ich Ihnen widersprechen: der Brieftaubensport muß mit dem Tierschutz vereinbar sein! Wir haben nicht nur „eine gewisse Verantwortung“, wir haben die volle Verantwortung, so lange sich die Tauben unserem Wirkungsbereich nicht entziehen können, wenn ihnen danach ist. Alles, was wir nicht jetzt für den Tierschutz im Brieftaubensport freiwillig tun (dazu gehört auch eine angemessene medizinische Betreuung!), werden wir später gezwungenermaßen tun. Wir haben jetzt noch die Chance, einiges wieder gerade zu biegen — wie lange noch?

Tiberius Mohr

Dennis
06.02.2001, 13:42
Könnte man sich einfach mal auf ein paar grundlegende Dinge einigen, die sowohl von Herrn Dr. Mohr als auch von etlichen Sportfreunden einige Male geschrieben wurden:

1. Ein unkontrollierter Einsatz von Medikamenten rein auf Verdacht des Züchters ist immer schlecht.

2. Einsatz von Medikamenten in zu geringen Dosen kann zu Resistenzbildung führen, und ist deshalb ebenfalls unbedingt zu vermeiden.
Dass Überdosierungen nicht gerade gut für die Taube sind, versteht sich von selbst.

3. Wenn Tauben krank sind müssen sie gezielt dagegen behandelt werden. Nichts dagegen zu tun ist verantwortungslos.
Um zu wissen, ob und was getan werden muß, ist natürlich eine regelmäßige Kontrolle notwendig.

4. Die Behandlung von Taubenkrankheiten kann weder vom Züchter selbst noch von einem Tierarzt für Pferde, Rinder, Kleintiere oder sonstiges durchgeführt werden, sondern von einem Tauben- oder zumindest Geflügelspezialisten.

Ich glaube, wenn das mehr Züchter beherzigen würden, bräuchten wir uns hier gar nicht über Tauben- und Trichomonadenzüchter, Pharmazie-Konzerne und "in Mode gekommene Tierärzte" aufregen.

Noch eine Frage an Herrn Dr. Mohr:

Kostet ein Kropfabstrich bei ihnen wirklich 12 DM pro Taube, oder habe ich das falsch verstanden ?
Mir kommt das persönlich sehr viel vor, ich bezahle bei meinem Tierarzt (ein Geflügelspezialist) DM 3,50.

Der letzte Absatz (Tierschutz) in ihrem Artikel gefällt mir übrigens sehr gut. Ich finde, dass einige Aspekte des Taubensports wirklich dringender Verbesserung in Bezug auf den Tierschutz bedürfen. Die Aktionen des Deutschen Tierschutzbundes im letzten Jahr haben gezeigt, dass wir dazu vielleicht nicht mehr allzu viel Zeit haben werden.

MfG

Dennis

Pfaelzer
06.02.2001, 19:19
Hallo Dennis,
gebe dir Recht in dem Sinn, daß man seine Tiere nicht mit etwas behandelt wo man gar nicht weiß ob sie diese Krankheit überhaupt haben.
Andererseits muss ich schon sagen, daß wir Taubenzüchter uns schon so manchen Bären aufbinden lassen. Von wegen keine Antibiotika:
Ich kenne einige gute Züchter die in Reportagen von sich gaben, daß sie keine geben. Ich weiß aber zufällig genau das sie welche geben und das auch vorbeugend während der Reise. Nehmen wir nur mal das Beispiel von Dietbert Spicher. In der einen Reportage heißt es er gibt nichts, in der anderen heißt es läßt alle 14 Tage Spritzen mit Spectinomycin und anderswo hab ich gelesen, daß der Tierarzt wöchentlich kommt um die Tiere zu behandeln. Was ist denn nun wahr?
Andererseits mein Schwager, der schon seit Jahren bei keinem Tierarzt mehr war. Der ist dieses Jahr 1 RV-Meister geworden. Ohne Tierarzt:
Viele Wege führen nach Rom. Wenn wir alle Ehrlich wären, hätten wir manche Probleme nicht.
Wünsche allen eine gute Zucht und GUT FLUG in 2001.
Mauer Thomas

Tiberius Mohr, Tierarzt
08.02.2001, 22:18
Sehr geehrter Herr Baumann,

ich bin auch nicht davon ausgegangen, daß Sie mich gemeint haben könnten. Wenn es um fachliche Äußerungen geht, weiß ich noch ganz genau, welchen Standpunkt ich vor 5 Jahren vertreten habe.
Eigentlich „schade“, daß nicht ich gemeint war, denn solche Geschichten haben für mich und meinen Freundeskreis einen meist sehr unterhaltsamen Charakter — in diesem Fall hätte ich gerne mehr darüber erfahren wollen, was ich angeblich so alles gesagt habe... Ich schreibe mir alle diese Geschichten auf.

Daß Sie meine Ausführungen nicht persönlich genommen haben, freut mich. Obwohl der Ton meiner Beiträge oft etwas „direkt“ ausfällt, möchte ich keineswegs jemanden damit in irgend einer Weise verletzen — das würde die Entfaltung eines Gedankenaustausches nur unnötig hemmen.
Wenn man einen Beitrag zum Anlaß nimmt, einen bestimmten Sachverhalt zu kritisieren, besteht immer die Gefahr, daß der Autor des Beitrags die Kritik auf sich oder auf den gesamten Beitrag bezieht. In unserem Fall meinte ich vornehmlich die Anmerkung zur 8fachen Überdosierung von Trichomonadenmitteln und die Meinungswende des Tierarztes. Mein Standpunkt dazu ist vom übrigen Inhalt des Artikels und von seinem Verfassers losgelöst zu betrachten.

Tiberius Mohr

Tiberius Mohr, Tierarzt
08.02.2001, 22:20
Klare Worte, konkret und vernünftig!

Es ist mir auch ein Rätsel, warum nicht alle so denken — eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit! Wenn es um Tauben geht wird offenbar oft der Verstand ausgeschaltet, nur um sich danach über allerlei Mißstände aufzuregen — die aber erst durch Geheimniskrämerei, Mißtrauen und Wundermittelgläubigkeit ermöglicht wurden. Daß schwarze Schafe allerlei Branchen diese Mißstände in Geld umzuwandeln verstehen, kann doch keinen mehr ernsthaft wundern. Sie nehmen doch nur das, was ihnen offenherzig angeboten wird, wobei die „Offenherzigkeit“ mancher Züchter nicht selten an schierer Gehirnverdunkelung grenzt; Welche Hausfrau, welcher halbwegs normale Mensch wäre bereit, DM 60 für 500 g „besondere“ Leinsamen, oder DM 20 für 500 ml Kräuter-Essig zu zahlen? Und man wundert sich anschließend, daß die Tauben „trotzdem“ keine ersten Preise fliegen... Jeder NICHT-Taubenzüchter würde nur mit dem Kopf schütteln.

Nun zu Ihrer Frage:

Ja, wir führen diese Untersuchung für DM 12 durch. Ich werde Ihnen die Angelegenheit etwas ausführlicher erklären.

In dieser Untersuchung sind enthalten:
· Verbrauchsmaterialien: Tupfer, Objektträger, isotone Mikroskopierflüssigkeit, Deckgläschen — ein geringer Betrag, aber es summiert sich und diese Kosten sind nach der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) vom Züchter zu tragen.
· Probenentnahme: Leistung + Zeit
· Mikroskopische Untersuchung: Mikroskopeinsatz + Zeitaufwand
· Bewertung der Befunde
· Mündliche Erklärung der Befunde
· Schriftliche Befundübermittlung: Zeitaufwand, Verbrauchsmaterialien (Papier, Tintenpatronen für den Drucker – bei 10-15 Seiten FARBDRUCK pro Befund auch nicht zu verachten, zumal die Tintenpatronen sehr teuer sind). Der Züchter bekommt in seinem Befund auch die Fotos der Befunde als Farbaufnahme mitgeliefert und ausführlich erklärt
· Schriftlicher Behandlungsplan
· Schriftlicher Strategieplan für die Vermeidung weiterer Ansteckungen
· Wirkstoff-Versorgungsplan für die Reise, für Zucht- und Jungtauben
· Vorsorgeplan für die Reise, für Zucht- und Jungtauben

Die GOT – die für alle Tierärzte bindend ist – sieht für die Untersuchung eine Gebührenspanne zwischen DM 10 und DM 30 vor. D.h., daß MINDESTENS DM 10 berechnet werden MÜSSEN und maximal DM 30 berechnet werden DÜRFEN (GOT vrgl. V § 1.1.8). Dazu kommen dann die Gebühren für die Verbrauchsmaterialien (GOT § 1 Abs. 1.).
Nach der GOT berechnen wir folglich den Minimalsatz von DM 10 für die Untersuchung selbst. Bei der Berechnung von DM 2 für Verbrauchsmaterialien legen wir noch drauf (wie gesagt, allein die Zeit für die Erstellung des Befundes würde viel mehr kosten, denn ich glaube kaum, daß irgend jemand in Deutschland für einen Stundenlohn von DM 2 nachts arbeitet). Bei näherer Betrachtung schenken wir dem Züchter einiges an Arbeitsstunden...

Ihr Geflügelspezialist arbeitet demnach unterhalb des Minimalsatzes der GOT. Das ist verboten und strafbar. Erst kürzlich ist ein Tierarzt wegen wiederholter Unterschreitung der GOT zu 500.000 DM Strafe verurteilt worden.
Wir sehen es nicht ein, die Dumping-Kampagne mancher Tierärzte mitzumachen — und strafbar ist es auch noch. Wir führen eine hochwertige Arbeit unter Einsatz modernster Geräte durch und liefern dem Züchter Befunde, mit denen er etwas anfangen kann — wir können alles nachweisen, was wir nachweisen wollen und nicht nur das, was man eben mit einer Minimalausstattung nachweisen kann! Dafür berechnen wir den Minimalsatz der Gebührenordnung. Mehr kann man wirklich nicht verlangen. Wer nicht bereit ist, die DM 12 zu bezahlen, muß sich eben mit weniger Leistung zufrieden geben (ich glaube kaum, daß Sie von Ihrem Tierarzt für DM 3,50 das gleiche bekommen wie bei uns für DM 12). Und Tierärzte, die meinen, sich mit jedem Kropfabstrich strafbar machen zu müssen, nur weil der Züchter (der am nächsten Wochenende für DM 5.000 eine Taube ersteigern wird und ein Wochenende davor auf einer Taubenmesse für DM 1.500 diverse Unsinnigkeiten eingekauft hat) nicht bereit ist, den Mindestsatz der GOT zu zahlen, müssen selbst wissen wofür sie studiert haben. Ich habe studiert, mich auf Tauben spezialisiert und bilde mich TÄGLICH weiter, um für den Züchter auf dem absolut neuesten Stand der Vogelmedizin zu sein. Damit erbringe ich für den Züchter eine Leistung, die er natürlich bezahlen muß. Dabei bezahlt der Züchter bei uns den (rechtlich festgelegten!) Minimalsatz für die Maximalleistung, die man heutzutage auf diesem Sektor bekommen kann.
Eine vollständige Untersuchung von 6 Tauben dauert bei uns ca. 2 Stunden, gelegentlich noch länger. Dazu kommt noch die Arbeit im Labor (ca. 1 Stunde, meistens nachts!) und die Arbeit für die Erstellung der Befunde. Dabei kommen Geräte für schätzungsweise DM 150.000 zum Einsatz. Allein das Fluoreszenzmikroskop kostet DM 24.000. Das alles muß sich amortisieren, muß sich mit der Zeit amortisieren können, sonst ist das ein Verlustgeschäft und davon kann keiner leben. Sicherlich kann man auch mit einem Schulmikroskop für DM 3.000 arbeiten, aber damit werden die meisten Erreger einfach übersehen (das kann ich jederzeit demonstrieren!). Darüber hinaus kann ich mit meiner Anlage beispielsweise Chlamydien innerhalb von 30 Minuten mit einer 100%igen Sicherheit nachweisen bzw. ausschließen. Mit einem günstigeren Mikroskop gelingt das weder in 30 Minuten noch in 30 Monaten – es geht einfach nicht!
Wie lange hat Ihr Tierarzt für Sie gearbeitet, was für Geräte kamen zum Einsatz und welche Nachweise hat er mit diesen Geräten durchführen können? Wie sieht die Betreuung während und nach der Untersuchung aus?

Tiberius Mohr

Tiberius Mohr, Tierarzt
08.02.2001, 22:21
Zu Ihrer Bemerkung (wir Taubenzüchter lassen uns schon so manchen Bären aufbinden) möchte ich folgendes anmerken: Wir betreuen allein in Deutschland tausende Brieftaubenzüchter, ich schätze, daß ca. 50% von denen, die überhaupt zum Tierarzt gehen, von uns betreut werden. Viele von ihnen werden regelmäßig zu irgend einem Anlaß, interviewt, in fast jeder Taubenzeitung finde ich mindestens einen, meistens sogar mehrere in der selben Ausgabe. „Keiner“ gibt irgend etwas, Antibiotika schon gar nicht. Ich frage mich nur, was sie mit all den Arzneimitteln machen, die sie von und beziehen. Werden diese regelmäßig weggeworfen, nur um wieder neue zu bestellen? Wenn meine Mitarbeiter bemerken, daß ich in der Taubenzeitung blättere, kommt fast immer die Frage: Wer gibt diesmal keine Medikamente?
Warum die Züchter den Medikamenteneinsatz verheimlichen? Die Antwort ist einfach: 1) sie müßten dann zugeben, daß ihre Tauben nicht in Ordnung gewesen sind, denn wer uns kennt weiß, daß wir verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht „einfach so“ abgeben. 2) man könnte auf die Idee kommen, daß nicht die Güte der Tauben, sondern der Tierarzt für die Erfolge verantwortlich ist. Beides ist geschäftsschädigend. Keiner möchte Tauben aus einem „kranken“ Bestand kaufen. Und wenn der Tierarzt für die Leistung verantwortlich ist, dann würde es auch reichen, die eigenen Tauben diesem Tierarzt vorzustellen, um die gleichen Erfolge zu erzielen wie der Züchter X. In Wahrheit sind aber beide am Erfolg beteiligt: Tauben und Tierarzt. Wenn entweder die Tauben oder der Tierarzt lediglich durchschnittlich sind, klappt es heutzutage nicht mehr. Dafür ist die Konkurrenz einfach zu stark und so gut wie alle Züchter haben gute Tauben auf dem Schlag.

Tiberius Mohr

Dennis
12.02.2001, 08:07
Sehr geehrter Herr Mohr !

Meine Frage sollte keine Angriff auf ihre Person oder ihre Preispolitik sein, sondern ich wollte lediglich erfahren, wie und warum es zu diesen Preisunterschieden kommt. Es tut mir Leid, das sie dieses offenbar missverstanden haben - zumindest schließe ich das aus ihrer am Ende doch etwas schroffen Reaktion.
Es ist in der Tat so, dass ein "einfacher" Kropfabstrich in ihrer Praxis doch wesentlich intensiver untersucht wird, als in der meines Tierarztes, in der lediglich der Abstrich mit dem Mikroskop auf Trichomonaden untersucht wird, was einen Aufwand von max. 3 Minuten pro Taube bedeutet. Auch der Aufwand an Material ist deutlich geringer.
Da ich weder ein großer Freund von blinden Kuren noch von Trichomonadenbefall während der Reisezeit bin, lasse ich meine Tauben regelmäßig auf Trichomonaden untersuchen. Wenn man davon ausgeht das ich alle zwei Woche 3 meiner Witwer + einige Weibchen und Jungtiere untersuchen lasse, würde mich das bei einem Preis von 12 DM pro Taube ca. 150 DM im Monat kosten - und damit einen finanziellen Aufwand bedeuten, den ich mir als Student (Tiermedizin) nicht leisten könnte.
Durch ihre Erklärung ist durchaus klar geworden, dass ihre Untersuchung weitaus mehr Leistungen beinhaltet, als die meines Tierarztes, und ihren Preis sicherlich wert ist.
Ich hoffe es ist jetzt auch verständlich geworden, warum es mich interessiert hat, wie und warum es zu diesem Preis kommt, und warum ich ihn von meinem Standpunkt aus als zu hoch empfunden habe.

MfG

Dennis

Tiberius Mohr, Tierarzt
13.02.2001, 23:26
Mit den Fragen am Ende des Beitrages wollte ich nur den Unterschied unterstreichen. Angegriffen habe ich mich dabei nicht gefühlt. Wenn der Ton unangebracht schroff ausgefallen ist, lag es sicherlich an meiner Übermüdung — in diesem Fall möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen.

Die Untersuchungen, die Sie meinen, werden auch bei uns auf eine andere Weise berechnet — wenn überhaupt. Wenn es sich um Patienten unserer Praxis handelt, sehen wir den „einfachen Kropfabstrich“ nicht als gebührenpflichtige tierärztliche Leistung sondern als Service für unsere Patienten an. Solche „Kleinigkeiten“ werden im Normalfall nicht berechnet.

Tiberius Mohr

p.s.: Viel Erfolg im Studium. Wo studieren Sie / in welchem Semester sind Sie? Wenn Sie in irgend einer Form Hilfe benötigen können Sie sich an mich wenden (t.mohr@brieftaubenmedizin.de).

Dennis
15.02.2001, 14:56
Sehr geehrter Herr Mohr !

Herzlichen Dank für ihre Antwort und ihr Angebot. Ich werde sicherlich zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.
Ich studiere im 3. Semester in Hannover.

Wie würden Sie angesichts der Mitgliederentwicklung des Brieftaubensports die Zukunftsaussichten eines auf Tauben spezialiserten Tierarztes beurteilen ? Das wäre sicherlich mein Traumberuf (auch wenn sich daran in den nächsten Jahren sicherlich noch einiges ändern kann, der klinische Teil hat ja für mich noch nicht einmal angefangen).

MfG

Dennis

Tiberius Mohr, Tierarzt
23.02.2001, 23:54
Was Ihren Traumberuf angeht kann ich Sie gut verstehen, es war und ist auch mein Traumberuf. Hinsichtlich der Chancen läßt sich jetzt wenig vorhersagen, denn bis Sie so weit sind, wird einige Zeit vergehen: noch ca. 4 Jahre bis zur Approbation und ca. 6 Jahre bis zum Abschluß der Spezialisierung. Wenn Sie es nicht schaffen, ein Tauben-Dissertationsthema zu bekommen und die Dissertation in einer geeigneten Vogelklinik zu schreiben, müssen Sie noch 3-4 Jahre dazurechnen... Um die Zeit etwas zu verkürzen, versuchen Sie zumindest für die Pflichtpraktika einen Platz in einer Vogelklinik oder bei einem Taubentierarzt zu bekommen. Allerdings birgt eine so frühe Festlegung die Gefahr, daß die restlichen Fächer etwas zu kurz kommen. Wenn Sie es dann doch nicht schaffen, nach Abschluß der Spezialisierung eine eigene Taubenpraxis auf die Beine zu stellen, werden Sie ein „kleines“ Problem haben. Es würde Ihnen (und Ihrer Patienten) wenig nutzen, wenn Sie sich als „verhinderter Taubentierarzt“ mit Hunden und Katzen herumschlagen müssen. Die Patientenbesitzer würden Ihnen genau so weglaufen wie die Taubenzüchter den Hundetierärzten — mit Recht übrigens: wir gehen mit Halsschmerzen auch nicht zum Urologen...
Ob wir noch in 10 Jahren Brieftaubensport betreiben können, so wie wir es heute tun, ist fraglich, wobei die medizinische Versorgung sicherlich einen höheren Stellenwert bekommen wird. Ob dann aber die Marktlage einen weiteren Taubentierarzt auch verträgt, kann Ihnen jetzt niemand sagen. Als ich meine Praxis und mein Labor auf Tauben ausgerichtet habe, wurde ich von Kollegen schief angeguckt und ausgelacht. Jetzt versuchen immer mehr Tierärzte, mein System zu kopieren — und wiederum verstehen sie nicht, daß weder die Ausstattung der Praxis allein noch die Fachkenntnisse ohne eine entsprechende Ausrüstung für eine Taubenpraxis reichen.

Wenn Sie jetzt fertig wären, würde ich Ihnen raten, sich sofort als Taubentierarzt nieder zu lassen.

Ich beabsichtige nicht, Ihren Traum zu zerstören. Ich möchte Sie nur auf die Schwierigkeiten und Risiken aufmerksam machen, damit Sie sich rechtzeitig auf die Besonderheiten einstellen können. Dazu gehört auch eine solide geplante Finanzierung der Praxis. Für eine Kleintierpraxis, die nicht nur Impfungen durchführt, müssen Sie mit ca. 200.000 DM rechnen. Für eine Taubenpraxis kommen Sie damit nicht hin. 500.000 sollten es schon sein — vielleicht sehen wir uns mal irgendwann und können alles in Ruhe besprechen.

Tiberius Mohr

Dennis
12.03.2001, 13:54
Sehr geehrter Herr Mohr !

Vielen Dank für ihre Antwort. Sie haben mir keineswegs meinen Traum zerstört, sondern im Grunde genommen bestätigt, was ich Angesichts der ungewissen Zukunft des Taubensports sowieso vermutet habe. Die erhebliche finanzielle Unterschied bei der Ausstattung einer Taubenpraxis im Vergleich zur Kleintierpraxis hat mich allerdings überrascht.

Ich werde sicherlich weder "die Flinte ins Korn werfen" noch mich vorschnell auf diese Spezialisierung festlegen. Auf ihr Angebot würde ich gerne zurückkommen, wenn ich in dieser Sache etwas klarer sehe.

MfG

Dennis

Tiberius Mohr, Tierarzt
13.03.2001, 10:44
Gut so! Und weiterhin viel Erfolg im Studium.

Tiberius Mohr