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View Full Version : Gefiederschäden


lupogti198
27.10.2000, 05:45
Sehr geehrte Sportsfreunde,
bei einer Durchsicht meiner Reisetauben habe ich festgestellt, dass bei zwei Tauben eine geringe Fehlbildung(blaße Stelle in einer Flügelschwinge auf jeder Seite) im Gefieder vorhanden ist. Ein Blick in meine Reiseunterlagen hat ergeben, dass diese zwei Tauben auf einem verkrachten Preisflug erst nach mehreren Tage bzw. Wochen heimkehrten. Ich denke das dies die Ursache für die Federschäden ist. Eine weitere Taube hat sich eine neue Schwungfeder abgebrochen. Meine Frage: Sollte man diese beschädigten Federn den Tauben jetzt während der Mauser oder zu einem späteren Zeitpunkt ausziehen?
MfG
Wolfgang

Franz
27.10.2000, 08:39
hallihallo !
die abgebrochene feder würde ich nach der mauser ausziehen , bei leichten schäden darauf verzichten,um die gefahr eines dauerhaften schaden zu vermeiden.
mfg

franz

timo
30.10.2000, 14:40
offensichtlich hat hallihallo zu viel gelesen, aber nicht richtig. warte mit dem ziehen bis die feder abgestorben, der kiel ausgetrocknet ist. andernfalls kann es zu verkrüppelter federentwicklung führen. schlimmstenfalls wächst die feder nicht nach.
sei mit voreiligen handlungen also vorsichtig.
m.f.g. g.b.

Franz
31.10.2000, 12:06
hallihallo ,
du hast recht ....
ich bin ein blutiger anfänger und sollte mich nicht äussern-sorry!
aber: es geht doch um hier um federn , die schaden durchs reisen (mai -august )genommen haben. da ist die zeitspanne bis zum ende der hauptmauser (NOV./DEZ.) durchaus ausreichend , um die feder ziehen zu können . ich habe ja nicht gesagt ,dass die feder sofort ausgezogen werden soll .
ich lerne aber gerne dazu und hoffe dabei auch auf deine hilfe .....
in diesem sinne
franz

Franz
31.10.2000, 12:16
bei der neu abgebrochenen feder muss man natürlich warten ,vielleicht bis Februar /März.
das hatte ich übersehen , sorry....
franz

Tiberius Mohr, Tierarzt
31.10.2000, 21:22
Sehr geehrter Wolfgang,

Die von Ihnen beschriebenen Störungen / Veränderungen im Bereich des Gefieders sind sogenannte „Streßlinien“ (in Bayern „Wasserzeichen“ genannt). Es handelt sich dabei um Verfärbungen (meist Aufhellungen), die linienförmig (quer) sowohl die Fahne als auch den Schaft durchziehen, die Fahne ist an dieser Stelle an beiden Seiten kürzer und wirkt wie leicht eingezogen.

Streßlinien entstehen, wenn die Feder in der Wachstumsphase nicht ausreichend mit den benötigten Wirkstoffen versorgt wird oder diese Wirkstoffe nicht in einem optimalen Verhältnis zueinander zur Verfügung stehen. Einige Arzneimittel — vor allem Metronidazol, einige Antibiotika (Sulfonamide) und Levamisol (z.B. Concurat-L) — sind bekannt dafür, daß sie zur Bildung von Streßlinien führen.

Die Unterversorgung bzw. das Mißverhältnis können folgende Ursachen haben:
Unsachgemäßer Einsatz von Arzneimitteln in der Reise (= Mauser der Hand- und Fingerschwingen)
Arzneimittelüberdosierung während der Mauser der Schwingen. Entweder wurde absolut überdosiert, also zu viel pro Taube bzw. pro Liter Trinkwasser, oder relativ überdosiert, daß heißt, daß zwar die richtige Konzentration bzw. Menge verabreicht wurde, aber die Tauben zu viel medikiertes Trinkwasser aufgenommen haben (hohe Außentemperatur, Durst nach Anstrengung etc.). Da die Feder nicht in jedem Wachstumsstadium gleich empfindlich ist, sind meistens immer nur einzelne Tauben betroffen, obwohl alle annähernd die gleiche Menge Arzneimittel aufgenommen habe.
Eine weitere Ursache können bereits zum Zeitpunkt der Reise/Mauser vorhandene Krankheitserreger sein. Darmparasiten beispielsweise (vor allem Ascaridia columbae, aber auch Kokzidien) entziehen dem Körper der Taube wichtige Wirkstoffe (B-Vitamine, Biotin, Kalzium) und verhindern durch Schäden an der Darmwand die Aufnahme von Wirkstoffen (z.B. Zink), was in Zeiten hoher Belastung — dazu gehört auch die Mauser — zu einer Unterversorgung der sich im Wachstum befindlichen Federn führt. Die Folgen sind sog. „Streßlinien“ oder sogar ein vollständiges Aussetzen der Mauser.
Eine sehr hohe Belastung kann aber auch ohne daß Parasiten im Spiel sind zu Streßlinienbildung führen. Wirkstoffe werden dann an einer anderen Stelle im Stoffwechsel gebraucht (z.B. Zink als Katalysator wichtiger energiegewinnender Prozesse während des Fluges) und der Körper „dreht einfach den Hahn an einer Stelle zu“, die für das Überleben der Taube zu diesem Zeitpunkt nicht von Bedeutung ist. In diesem Fall das Wachsen einer Feder.

Die Streßlinien fungieren als unbeabsichtigte Sollbruchstellen, die unter Belastung leicht nachgeben: die Feder bricht an dieser Stelle ab.

Wenn Deckfedern oder Federn der zweiten Ordnung betroffen sind, ist kein Eingreifen nötig. Bei der nächsten Mauser werden diese Federn ersetzt, ohne daß sich die Streßlinien negativ auf die Leistungsfähigkeit der Taube auswirken, ein Abbrechen ist nicht sehr wahrscheinlich.
Schwungfedern der ersten Ordnung (Hand- und Fingerschwingen) nehmen während des Fluges die Hauptbelastung auf. Sind diese Federn betroffen, sollten sie rechtzeitig gezogen werden, damit sie bis zur nächsten Saison erneuert werden können (und nicht mitten in der Reise brechen).
Wenn eine Feder Betroffen ist, die in der Reihenfolge von der Mauser noch nicht erreicht wurde, braucht man nichts zu unternehmen, denn diese Federn werden ganz normal geschmissen und ersetzt. Ist hingegen die Mauser schon weiter fortgeschritten, sollte die Feder gezogen werden.

Folgendes sollte beim Ziehen der Feder beachtet werden:
Es dürfen nur Federn gezogen werden, die keinen Blutkiel mehr haben. Ist man sich nicht sicher (und kein Vogeltierarzt in der Nähe), sollte man von der Feder die Hälfte abschneiden, der Blutkiel trocknet aus. Nach ca. 3 Wochen kann sie dann (meistens) gefahrlos gezogen werden — nicht zu kurz abschneiden, man muß die Feder später zum Ziehen auch noch richtig fassen können!
Beim Ziehen muß der Flügel mit einer Hand so fixiert werden, daß beim Ziehen die Stelle, an der sich die Feder befindet, nicht nachgeben kann — das ist schwerer zu erklären, als durchzuführen. Am besten lassen Sie es sich von einem Vogeltierarzt zeigen. Sollten Sie nach Kassel kommen, kann ich es Ihnen vorführen, Tauben werden wir sicherlich am Stand genug haben. Sie finden uns (durchgehend) in Halle 2 am Stand 289 (beim Stand von Clemens Altenrichter).
Es sollten immer gleichzeitig beide Federn gezogen werden (das heißt die betroffene Feder und die gleiche Feder des anderen Flügels) — meistens sind ohnehin beide Federn betroffen.

Tiberius Mohr

dieter
01.11.2000, 12:21
Aus welchem Grund sollte auch immer die gegenüberliegende Feder gezogen werden?

Tiberius Mohr, Tierarzt
05.11.2000, 10:36
Meistens geht es gut aus, auch wenn man lediglich die beschädigte Feder (also einseitig) zieht. Gelegentlich kommt es jedoch vor, daß dadurch ein (vermutlich hormonell gesteuerter) Prozeß in Gang gesetzt wird, der zum gleichzeitigen Abwerfen mehrerer dahinterliegender Federn führt und sogar zur Stockmauser in der darauffolgenden Saison — offensichtlich kann dadurch eine Menge „hormonelle Verwirrung“ gestiftet werden, die genauen Zusammenhänge sind unzureichend bekannt, vieles wird lediglich postuliert.
Die Gefahr ist geringer, wenn zur gleichen Zeit die gleiche Feder des anderen Flügels gezogen wird. Vermutlich „denkt“ dann der Körper der Taube, daß es sich um einen normalen Mauservorgang handelt — in der normalen Mauser werden die gleichen Federn der beiden Flügel auch gleichzeitig geworfen.
Es handelt sich um einen Vorgang, der in der Vogelliteratur nur am Rande erwähnt wird. Die medizinische bzw. biochemische Erklärung könnte so aussehen: durch das Entfernen der Feder wird die Schilddrüse zur plötzlichen Ausschüttung von Hormonen angeregt. Die Schilddrüsenhormone stimulieren die Federpapille zur Federneubildung. Warum aber dieser Vorgang öfter entgleist, wenn lediglich eine Feder gezogen wird bzw. warum man beide Federn ziehen muß, ist — abgesehen davon, daß in der Mauser ebenfalls beide Federn ausfallen — nicht genau bekannt. Es sind persönliche Erfahrungen aus der langjährigen vogelmedizinischen Laufbahn sowie Berichte anderer Vogeltierärzte, die vor allem bei Großpapageien und europäischen Falken damit Probleme haben (Falkner sind irgendwie ständig dabei Federn zu flicken oder die Mauser zu hemmen bzw. zu beschleunigen, viele Erkenntnisse über die hormonelle Steuerung der Mauser stammen aus der Greifvogelmedizin).
Wir haben in den 70er Jahren — als uns das Problem noch nicht bekannt war — auch bei Tauben einige unschöne Dinge erlebt. Ein Zuchtvogel aus der eigenen Zucht verlor über Nacht die Federn 6, 7, 8, 9 und 10 eines Flügels, nachdem wir am Vorabend die 5. Feder (einseitig) gezogen haben. Seitdem wir immer beide Federn ziehen ist das Problem nicht mehr aufgetreten. Gelegentlich kommt es noch vor, daß die dahinter liegenden Federn trotzdem nochmals gemausert werden, jedoch verläuft die Mauser dann wie gewohnt (beidseitig) und es werden nicht mehrere Federn gleichzeitig abgeworfen.

Tiberius Mohr