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Alt 17.02.2011, 23:05
Dennis Dennis ist offline
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Teil 2:

Zitat:
1. Wenn ich hier überhaupt über Impfstoffe spreche, dann müßte ein Impfstoff gegen den Verursacher ....die Viren ........erster Ansatzpunkt sein ...........mit dem ich alle Unbekannten der Folgekette der Infektion ausschließen könnte ............warum gibt es den nicht? bzw. warum wird nicht an dessen Entwicklung gearbeitet?
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Entwicklung einer Vakzine ist kompliziert, langwierig und teuer. Wenn über die tatsächliche Rolle eines Erregers noch wenig bekannt ist, motiviert das nicht unbedingt dazu, sich auf dieses Wagnis einzulassen. Hinzu kommen - v.a. beim Circovirus - technische Probleme, die ich alle auch schon oben erwähnt habe: die mangelnde Anzüchtbarkeit des Virus im Labor und das Fehlen eines Infektions-Modells, mit dem man die entwickelte Vakzine auf ihre Wirksamkeit testen könnte.

Zitat:
2. E. coli gehört zu natürlichen Darmbewohnern .....auch einer Taube ........selbst auch in den verschiedenen Varietäten. Darmerkrankungen mit E.coli bei Taube und Mensch und anderen Organismen treten nur dann auf, wenn das Gleichgewicht der Darmorganismen aus dem Gleichgewicht gebracht wird, und es zu einer "unnatürlichen" Vermehrung einer bestimmten Bakteriensorte kommt mit all ihren Folgen (Toxine....etc)
E. coli ist ein überaus variables Bakterium, dass in unzähligen Varianten von harmlos bis gefährlich vorkommen kann. Ich denke nicht, dass man bisher irgendwelche Erkenntnisse hat WELCHE Stämme in der natürlichen Darmflora speziell bei der Taube etwas zu suchen haben und welche nicht.
Für mich ist es nicht ausgeschlossen, dass es tatsächlich Stämme mit bestimmten Eigenschaften gibt, die für die Taube besonders gefährlich sind und die - wo sie vorkommen - sehr viel schneller zu einer Erkrankung führen, als andere. Da es dazu jedoch noch überhaupt keine Erkenntnisse gibt, gibt es auch keinerlei Beweise für diese Aussage.

Nichtsdestoweniger halte ich eine bestandsspezifische Vakzine gegen E. coli zunächst einmal für eine nicht unsinnige Idee. Es stellen sich dabei jedoch viele Fragen, von denen du einige Punkte bereits angerissen hast:

Zitat:
Wenn ich einen bestandsspezifichen E. coli -Impfstoff entwickelm lasse, dann frage ich mich erst mal:
a) Was für ein Aufwand? Was kostet das? Wer macht das?
also rein praktische Fagen..........
und jetzt kommen die Grübelfragen
Ein "bestandsspezifischer Impfstoff" soll die Lücken schließen, die dort bestehen, wo kein kommerzieller Impfstoff zur Verfügung steht, weil entweder A) die Erkrankung zu selten, B) die Tierart zu unbedeutend, C) die Ursache noch zu wenig bekannt oder D) der Erreger zu variabel ist, um einen einzigen allgemeinen Impfstoff dagegen entwickeln zu können. Auf die JTK treffen die Punkte B, C und mglw. auch D zu.
Das Prinzip ist, dass man aus einem Bestand einen Erreger isoliert, ihn anzüchtet, daraus einen Totimpfstoff herstellt und diesen dann auch wieder in dem Bestand, aus dem er gekommen ist, einsetzen darf. Und zwar nur in diesem bzw. unter ganz bestimmten Bedingungen in begrenztem Maße darüber hinaus.
Die dafür nötige Diagnostik (Isolierung des Erregers) erfolgt durch den spezialisierten Tierarzt, die Produktion durch bestimmte Unternehmen und die Impfung durch dann wieder durch den Tierarzt. Der Prozess kann einige Wochen in Anspruch nehmen, d.h. einsetzbar ist sie vermutlich erst im kommenden Jahr.

Zitat:
b) Warum sollte ich einen bestandsspezifischen Impfstoff (noch ne Grübelfrage: was immer das ist??) entwickeln, wenn E.coli ein natürlicher Darmbewohner ist?
Das ist ein entscheidender Punkt: Das ganze macht nur dann Sinn, wenn man die Rolle bestimmter E. coli bei der Taube und speziell in der Auslösung JTK tatsächlich kennt. Von E. coli gibt es an die 200 bekannte Serotypen und vermutlich unzählige weitere bisher unbekannte. Der Schutz, den eine Impfung mit dem einen Serotyp gegen einen anderen Serotyp bietet ist gering bis nicht vorhanden. Es ist also reines Glücksspiel, einfach irgendwelche E. coli aus dem Darm zu nehmen und dann zu hoffen, dass man die richtigen erwischt hat. Der Stamm (oder die Stämme) für eine solche Vakzine müssten sehr gezielt ausgewählt werden und dazu fehlt derzeit noch das Wissen.

Zitat:
c) E. coli- Infektionen( im Sinne von unnatürlicher Vermehrung) sind eine mögliche Folge der Virusinfektion.........was hilft er mir dann bei anderen möglichen Sekundärinfektionen z.B. Trihomonaden, Pilze, andere Bakterien... diese Impfung?
d) Spannend finde ich auch die Frage, warum nicht jede Infektion mit Viren zum Ausbruch der Krankheit führt? So lange nicht der auslösende biologische Mechanismus erforscht und bekannt ist, bleibt alle Reaktion des Halters bzw. Züchters rein reflektorisch, sei es medikamentös mit Antibiotika gegen die Sekundärinfektionen oder impftechnisch gegen E.coli (ich weiß es nicht, aber ich vermute mal, es handelt sich um eine passive Immunisierung mittels spezifisch entwickelter Antikörper)
........
Das ist alles richtig. So eine Impfung - immer vorausgesetzt bestimmte E. coli spielen eine besondere, entscheidende Rolle und die Impfung bietet Schutz gegen sie - wird auch kein Allheilmittel gegen alle Formen der JTK sein. Und die Suche nach weiteren Ursachen oder mitbeteiligten Faktoren ist damit keinesfalls beendet.
Dennoch wäre in der derzeitigen Situation auch ein Teilerfolg schon ein riesiger Fortschritt. Und gegenüber der Antibiotika-Therapie (auch der sachgerecht durchgeführten, die bei der JTK im Brieftaubensport ja eher die Ausnahme darstellt) bietet eine funktionierende Impfung den Vorteil, dass das Kind nicht erst in den Brunnen fallen muss, bevor geholfend werden kann.

Um das ganze nochmal in wenigen Kernaussagen zusammenzufassen:

1. Über die JTK weiss man bisher nur sehr wenig, und das was man weiss - oder zu wissen glaubt - steht zum Teil auf tönernen Füßen.

2. Eine bestandsspezifische E. coli Vakzine könnte potentiell ein Schritt in die richtige Richtung sein. Sie ist jedoch auch mit etlichen Problemen behaftet und für einen wirklich gezielten, erfolgversprechenden Einsatz sind noch viele Fragen zu klären ... deren Beantwortung am Ende auch zu dem Schluss führen könnte, dass der Ansatz doch nicht zielführend sein wird.

Ich hoffe, zumindest den Interessierten unter euch hat der recht lange und komplizierte Text etwas weitergeholfen, das Problem besser zu verstehen.

Gruß,
Dennis
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