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Alt 19.01.2015, 08:22
OOO OOO ist offline
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Standard die Reisetauglichkeit einer Taube hängt von sehr vielem ab und nicht nur vom Erbgut

Hallo Thomas,
Zitat:
Zitat von Pfaelzer Beitrag anzeigen
...Ist es Wissenschaftlich erwiesen, dass wenn wir z.B. Inzucht mit Tauben machen die 7-8 Preise fliegen wir automatisch nur Tauben erhalten die nicht "mehr" Leisten können, oder noch schlechter?...
Es ist erwiesen, dass die Reiseleistung von vielen Dingen abhängt, und die Gene dabei nur ein Teil von Vielen sind. In der Zucht drückt man diesen eingeschränkten Einfluss des Erbgutes auf ein Zuchtziel (hier das "viele Preise fliegen") mit dem Begriff HERATIBILITÄT aus (übersetzt etwa "Erblichkeit").

Ist die Heratibilität hoch, bestimmen die Gene sehr stark das Ergebnis. Ist die Heratibilität schwach, bestimmen die Gene das Ergebnis nur schwach.
Bei Eigenschaften, die von ganz wenigen oder gar nur einem Gen abhängen ist die Heratibilität meist sehr hoch, bis hin zu 100%. So zum Beispiel bei der Vererbung der Farbe "dominant rot". Ist das hierfür verantwortliche Gen auf einem männlichen Geschlechtschromosom vorhanden, ist die Tauben nahezu immer auch Rot (gehämmert oder fahl). Einzig Gene wie das selten auftretende Gen "verdünnt farbig" führen, wenn sie ebenfalls vorliegen, zu anderen Ergebnissen (hier dann zur Farbe "gelb"). Sprich bezogen auf die Gefiederfarbe "dominant rot" ist die Heratibilität nahe 100%.

Wenn ich jedoch eine Eigenschaft betrachte, die von sehr vielen Genen abhängt (und das ist insbesondere so bei der Reiseleistung), dann kann die Heratibilität nur deutlich geringer sein. Bei Pferden sind für die Rennleistung Werte der Heratibilität ermittelt worden, die unter 15% liegen. Ich denke, die Heratibilität für "Reiseleistung" von Tauben liegt noch niedriger.

Was bedeutet das für die Antwort auf deine Frage:
Auch aus mittelgut gereisten Tauben (sogar aus absoluten Nieten auf der Reise), können sehr gut reisende Tauben fallen, bis hin zu As-Tauben!
Und zwar deshalb, weil dir die Reiseleistung nur ein Indiz für die genetische Qualität der Taube geben kann, aber bei weitem keine Gewissheit.

Wäre deine Frage gewesen: Kann ich aus GENETISCH betrachtet mittelguten Tauben, genetisch betrachtet sehr gute Tauben ziehen? Dann würde die Antwort hingegen lauten:
Nur mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit, als aus genetisch betrachtet sehr guten Tauben.

"Genetisch betrachtet" meint hier: Wenn wir wüssten, welche Gene die besten für das Erreichen einer Topleistung sind, würden diese Tauben nur mittelviele von diesen "Topgenen" besitzen. Wir reden hier vom sogenannten GENOTYP.

Das was wir (ohne eine Sequenzierung des Genoms der jeweiligen Taube bemühen zu müssen) aber nur wissen können, ist der sogenannte Phänotyp der Taube. Sprich wir können nur bewerten, wie sich die Taube in ihrer Umgebung unter den gegebenen Umständen präsentiert. Der Phänotyp hängt zwar auch von den Genen ab, doch ebenso von den Umweltfaktoren. Und in Bezug auf die Reiseleistung wirken sich eben diese Umweltfaktoren massiv aus, so dass du bei einer Taube nicht direkt von der Reiseleistung auf deren genetische Qualität schließen kannst, sondern bestenfalls reduziert nur auf die Größenordnung die die Heratibilität vorgibt.

Zitat:
Zitat von Pfaelzer Beitrag anzeigen
...Viele sagen Cousin X Cousine würde als Linienzucht nichts taugen und daraus würde keine vernünftige Nachtzucht kommen.
Kannst Du oder die Wissenschaft das Bestätigen?...
Kurz: Mumpitz! Grundregel: Bei komplexen Systemen sind verkürzende Aussagen fast immer falsch. So auch hier.
Du bewegst dich hier im Bereich eines Inzuchtgrades von 6,25%. Das ist bei weitem keine vernachlässigbare Inzucht, aber auch noch keine dramatische Inzucht.
Die Chance, dass hier rezessive "Schadgene" (in Bezug auf das Zuchtziel schädlich) reinerbig durch Inzucht wurden, ist eben bei ca. 6% der Genen vorhanden (im Vergleich zu Inzucht freien Tieren). Ob aber dort überhaupt solche sich negativ auswirkenden Gene vorhanden sind, ist damit ja nicht gesagt.

Generell sollte Inzucht vermieden werden, sofern es nicht gerade darum geht, eine bestimmte Eigenschaft der Elterntiere zu festigen. Bezogen auf Zuchtziele die "Vitalität", "Körperliche Leistungsfähigkeit" ist Inzucht definitiv kontraproduktiv. Meint: sie reduziert die Chancen auf das optimal leistungsfähige/vitale Tier. (beachte: Sie reduziert nur die Chancen, schließt das optimale Ergebnis aber nicht aus!)
UND DAS IST GESICHERT!

Zudem immer beachten: Die neagtiven Folgen der Inzucht (z.B. Vitalitätsverlust) werden durch spätere Kreuzung wieder aufgehoben.
Qualitätssteigerung in der Zucht erreiche ich durch Seleketion, nicht durch Inzucht oder Kreuzung

Grüße
Meinolf


je suis Charlie
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"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben." Alexander von Humboldt
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