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Alt 28.06.2001, 23:32
Tiberius Mohr, Tierarzt
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Standard RE: Unterstützung des Immunsystems nach Impfung der Jungtauben

Zunächst zum „Immunolon“. Bitte teilen Sie mir kurz die Zusammensetzung mit, ich werde Ihnen anschließend meine Beurteilung zukommen lassen. Obwohl mir die Zusammensetzung nicht bekannt ist, wage ich die Prognose, daß es unwirksam ist – Begründung: siehe nächster Abschnitt.

Zu den Problemen mit den Jungtauben: Die Tatsache, daß die Probleme in Zusammenhang mit der Impfung auftreten, spricht dafür, daß sich in Ihrem Bestand irgendwelche Krankheitserreger unterschwellig aufhalten. Nach einer Belastung des Immunsystems – das nach einer Impfung anderweitig beschäftigt ist – bekommen diese Erreger dann ihre Chance. Sicherlich ist es nicht verkehrt, zu versuchen, das Immunsystem der Tauben zu stimulieren. Der Haken daran ist nur, daß von den zahlreichen Präparaten, die das Immunsystem stärken sollen – und es bei anderen Tierarten oder beim Menschen auch tun – die meisten (wenn nicht sogar alle) bei Tauben unwirksam sind. Die Gründe liegen in grundlegend anderem Aufbau und Funktionsweise des Immunsystems der Vögel gegenüber dem der Säugetieren und des Menschen. Sicherlich gibt es Gemeinsamkeiten, diese reichen aber nicht, um mit den selben „Werkzeugen“ wie beim Säugetier aktiviert zu werden. So gut wie alle Immunsystem-stimulierenden Mittel gehen vom Wirkprinzip beim Säuger oder beim Menschen aus und sogar hier gibt es einige, mit denen die Hersteller so ihre Probleme haben, eine Wirksamkeit nachvollziehbar zu belegen. Aber weil es sich in unserer Öko-Zeit sehr gut anhört, wenn anstelle von den „bösen“ Antibiotika die eigenen Abwehrkräfte mit Pflanzenextrakten unterstützt werden, haben sich diese Mittel in den letzten Jahren zu richtigen Rennern entwickelt.

Der richtige Weg wäre, die Tauben tierärztlich untersuchen zu lassen, und zwar bei einem Spezialisten. Ein „normaler“ Tierarzt wird vermutlich etwas überfordert sein, weil kein „typisches“ Bild für irgend eine Krankheit vorliegt, mit der man im Studium vielleicht konfrontiert wurde. In Ihrem Fall sollten die Tauben eingehend bakteriologisch und mykologisch untersucht werden (die parasitologische Untersuchung ist ohnehin Routine).

Zum Mittel „4 in 1“: Es ist grundsätzlich davon abzuraten, den Tauben irgend etwas ins Trinkwasser zu kippen, ohne das man weiß, was es ist. Schlimm genug, daß ein Tierarzt auf diese Weise versucht, sich am Arzneimittelgesetz vorbeizuschmuggeln, man sollte solche Machenschaften nicht auch noch unterstützen.
Wenn einer der Hersteller - es gibt in Deutschland verschiedene „4 in 1“ Mittel verschiedener Hersteller - die Zusammensetzung aufführen würde, dürfte er das Mittel nicht frei verkaufen. Sind Antibiotika darin enthalten, verstößt er zwar auch gegen das deutsche Arzneimittelgesetz (Deklarationspflicht), aber wo kein Kläger... Sie wissen ja schon... Ohne Inhaltsangabe fällt es nicht so leicht auf. Vor allem früher ist diese Masche häufiger vorgekommen, in den letzten 2-3 Jahren riskieren immer weniger Hersteller, mit dem deutschen Arzneimittelgesetzt in Konflikt zu geraten. Und über die, die es tun, liest man irgendwann in der Zeitung.
Zu der Zusammensetzung kann ich Ihnen nur sagen, daß das in Belgien gekaufte „4 in 1“ tatsächlich 4 verschiedene Antibiotika enthält, deren Kombination aus pharmakologischer Sicht zumindest bedenklich ist, meistens sogar unsinnig. Das in Deutschland frei gekaufte (z.B. auf irgend einer Messe) „4 in 1“ enthält gar keinen Wirkstoff. Wenn Sie das allerdings das Mittel vor einigen Jahren gekauft haben, könnte es durchaus sein, daß Sie eine Charge mit verschiedenen Antibiotika erwischt haben.

Lassen Sie die Finger von Mittelchen ohne Inhaltsangabe: entweder wirkt das Mittel nicht, weil es nichts wirksames enthält, oder es enthält Antibiotika und Sie handeln sich damit auf langer Sicht nur Probleme ein.

Tiberius Mohr
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