Thema: Kreatin
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Alt 09.08.2000, 22:54
Tiberius Mohr, Tierarzt
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Standard RE: Kreatin

Kreatin ist kein essentieller Wirkstoff.

Essentielle Wirkstoffe sind lebensnotwendige Substanzen, die mit der Nahrung von außen aufgenommen werden müssen. Nicht-essenzielle chemische Verbindungen werden im Körper aus anderen Stoffen hergestellt. Ist der Bedarf gedeckt, werden diese Stoffe rasch wieder ausgeschieden, um den Stoffwechsel nicht zu belasten

Der Körper der Taube kann im Stoffwechsel ausreichende Mengen an Kreatin aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin bilden.

Wichtig im Taubensport ist, daß man kein Kreatin mit dem Futter oder Trinkwasser verabreicht.
Es mag eigenartig klingen, aber obwohl Kreatin die Leistungsfähigkeit auf vielfältige Weise positiv beeinflußt, wirkt sich IM BRIEFTAUBENSPORT jede Kreatingabe LEISTUNGSMINDERND aus. Es ist unbestritten, daß die Zufuhr von Kreatin die körperliche Leistungsfähigkeit um ca. 5% (Taube, Hund) erhöhen kann. Dies wird im Leistungssport bei Menschen und im Hunderennen genutzt, hier wurden Leistungssteigerungen unter einem hohen Kreatinspiegel nachgewiesen (beim Menschen und beim Pferd bis zu 10%). Allerdings wurde hier Kreatin unmittelbar vor der Leistungserbringung eingenommen bzw. verabreicht. In wissenschaftlichen Experimenten wurden Tauben, Hunden und Pferden extrem hohe Dosen Kreatin unmittelbar vor dem Messen der Leistung verabreicht. Bereits einige Stunden nach der Verabreichung sank die Leistungsfähigkeit auf Normalniveau. Beim Pferd wurde nach einer Langzeitverabreichung ein Leistungseinbruch nachgewiesen, wenn Kreatin einen Tag vor dem Rennen abgesetzt wurde.
Die köpereigene Produktion von Kreatin ist nämlich um so niedriger, je höher der Kreatingehalt in der Nahrung ist. Das mit dem Futter oder Trinkwasser verabreichte Kreatin wird schnell vom Körper aufgenommen und wieder ausgeschieden, sobald der momentane Bedarf gedeckt ist (der Überschuß wird innerhalb von ca. 4 Stunden abgebaut bzw. über den Harn ausgeschieden). Da aber der Körper „erwartet“, neues Kreatin mit der Nahrung zu bekommen (vor allem wenn Kreatin regelmäßig verabreicht wird), läuft die körpereigene Produktion zunächst auf Sparflamme. Dies kann verheerende Folgen für die Leistungsfähigkeit haben, denn zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ist vom verabreichten Kreatin seit mindestens einem Tag (sofern kurz vor dem Einsatz verabreicht) nichts mehr im Körper vorhanden. Die körpereigene Produktion kann nicht schnell genug nachziehen und den Bedarf während des Fluges decken.

Nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann durch Kreatinzufuhr nur bei maximalen KURZZEIT-Belastungen die Leistungsfähigkeit positiv beeinflußt werden. Im Ausdauerbereich sind auch bei hoher Zufuhrmenge keine positiven Effekte zu erwarten (eher negative).
Die Drosselung der körpereigenen Kreatinproduktion infolge oraler Zufuhr ist seit Jahrzehnten bekannt und gehört unter Biochemikern, Taubentierärzten und Sportmedizinern bereits zum Allgemeinwissen — aus diesem Grund würde kein Biochemiker seinen Tauben Kreatin verabreichen und kein auf Tauben spezialisierter Tierarzt seinen Patienten Kreatinpräparaten empfehlen.

Tiberius Mohr
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