Thema: L-Carnitin
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #6  
Alt 29.07.2001, 01:14
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: L-Carnitin, Richtigstellung

>Sehr geehrter Herr Dr. Mohr,
>
>von meiner Tierärztin wurden 25 - >85 mg als Tagesdosis für
>Brieftauben genannt, je nach Leistungsanforderung.
>
>Ab dem 01.06 wurde L-Carnitin täglich über das Wasser mit
>steigender Dosierung ( + 10 mg je Woche ) verabreicht.
>
>Bei unserem 675 km Flug zeigten die jährigen Tauben nach
>2-tägigem Korbaufenthalt sich in bester Verfassung.
>
>Bei meinen Internationalen Tauben von Pau, Barcelona und
>Marseille war ein deutlicher körperlicher Verschleiss zu
>erkennen. Diese habe ich in den 15 Jahren vorher so nicht
>
>erlebt. Die Tauben befanden sich 4 - 6 Tage in den Körben.
>Auch waren erfahrene Tauben dabei. (>730 - 1007 km)
>
>>Meine Frage ist :
>L-Carnitin wird als Fettverbrenner auch zum Abnehmen (?)
>verwendet. Es soll bei Verwendung im Brieftaubensport mit
>einer Fettreicheren Fütterung ausgeglichen werden.
>
>Wie wirken sich 4 - 6 Tage im Korb ohne L-Carnitin aus ?


Die gestaffelte Dosierung, die Ihnen empfohlen wurde, ist zwar logisch, aber medizinisch kaum begründbar. Wenn die Versorgung regelmäßig und über einen längeren Zeitraum sichergestellt ist, dürfte Ihre Art der Dosierung keine Vorteile gegenüber der gleichbleibenden Versorgung mit täglich 1g / Liter Trinkwasser bringen. Die Dosierung nach „Leistungsanforderung“ ist in der Praxis ziemlich schwierig zu realisieren, da man schlecht einschätzen kann, wie die Anforderungen während des Fluges wirklich sein werden. Ein 300 km-Flug kann bei ungünstigen Witterungsverhältnissen schnell zu einem sehr schweren Flug werden, bei dem die Tauben mit einer höheren täglichen Dosis besser gestellt wären. Darüber hinaus läuft man bei einer Versorgung mit über 80 mg / Taube / Tag Gefahr, etwas zu viel des Guten zu tun (vor allem bei heißem Wetter, wenn die Tauben mehr trinken). Die von uns betreuten Bestände versorgen nach dem Muster: 1g / 1 L TW / Tag – und auch wenn es nicht nur an der L-Carnitinversorgung liegt, auch dieses Jahr werden sich einige Deutsche Meister darunter befinden, sowie unzählige RV-Meister usw.

L-Carnitin wird sehr oft in „Hungerdiäten“ eingebaut, um zumindest einen Teil der Stoffe auszugleichen, die man in dieser Zeit mit der (dann sehr einseitigen) Nahrung nicht zu sich nimmt – das ist der Hauptgrund. Ohne L-Carnitin würde der Muskelabbau während der Diät zu stark werden. Der Körper würde Muskelsubstanz abbauen, um daraus einige wichtige Verbindungen für die Aufrechterhaltung des Stoffwechsels zu gewinnen, darunter auch L-Carnitin.

Im Brieftaubensport ist ein Ausgleich durch eine fettreiche Ernährung (Sonnenblumenkerne, Hanf) sicher vorteilhaft. Schließlich soll L-Carnitin Energiereserven freistellen. Um sie freistellen zu können, müssen diese logischerweise erst einmal vorhanden sein. Fett ist der wichtigste Energielieferant im Körper. Die gleiche Strategie verfolgt man bei der Versorgung mit Jodpräparaten (die den Grundumsatz auch nur steigern können, wenn genügend Reserven vorhanden sind). Ich meine, daß Herr A. Berger diesen Zusammenhang in einem seiner früheren Beiträge erläutert hat. Eventuell im Archiv nachblättern...

4-6 Tage ohne L-Carnitin wirken sich nachteiliger aus, wenn die Tauben in der Vorbereitungszeit überhaupt kein L-Carnitin erhalten haben (genau anders herum als bei Kreatin – siehe dazu mein Beitrag vom 12.08.2000).
Sicherlich wäre es besser, die Tauben auch während des Aufenthaltes im Korb mit L-Carnitin zu versorgen, dies dürfte aber wohl ausgeschlossen sein. Zumindest sollte man durch eine tägliche Verabreichung in der Vorbereitungsphase dafür sorgen, daß die Speicher am Einsatztag „randvoll“ sind.

Der von Ihnen beobachtete „Verschleiß“ hängt also wohl nicht mit der Art der Carnitinversorgung zusammen. Vermutlich sind die Tauben nicht ganz gesund. Die erhöhte Belastung auf dem Langstreckenflug führt dann zum „Aufbäumen“ der Erreger (wahrscheinlich Parasiten).

Tiberius Mohr
Mit Zitat antworten