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  #1  
Alt 29.10.2000, 14:06
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Trichomonaden

Antwort auf die Fragen von Andreas (siehe Beitrag vom 12.01.00)

>>> leider ist mir noch nicht ganz klar geworden, welche Präparate ihnen zur Bestandsbehandlung während der Reise über die Tränke als geeignet erscheinen.

Für die Bestandsbehandlung über das Trinkwasser oder Futter während der Reise gibt es (leider) keine geeigneten Präparate. Alle diese Präparate sind auf eine Behandlungsdauer von 5 bzw. 9 Tagen ausgelegt. Wird die empfohlene Behandlungsdauer unterschritten, muß mit Resistenzentwicklungen gerechnet werden.
Mit einigen Tricks — die bekanntlich dem Taubenzüchter besonders liegen — kann man in großen Beständen versuchen, die Trichomonaden zumindest im Zaum zu halten, die Gefahr der Resistenzbildung besteht aber. Weiteres im letzten Abschnitt.


>>> Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist Ronidazol für eine Bestandsbehandlung bei ausreichend langer Dauer gut geeignet, aber wegen der langen Anwendungsdauer nicht während der Reise. Gleiches gilt für Dimetridazol und Tricho-Stop.

Ja, das ist richtig. Vor allem mit Ronidazol ist in den vergangenen 30 Jahren so viel herumexperimentiert worden, daß die Trichomonaden nur noch darüber „lachen“, wenn weniger als 10 Tage (oder unterdosiert) damit behandelt wird. Für Dimetridazol gilt Ähnliches (5-6 Tage) und TrichoStop-plus ist auf dem Weg dahin. Es gibt zur Zeit zwar noch keine gegen TrichoStop-plus resistenten Stämme, aber nur weil wir Zusammensetzung und Konzentration ständig (zum Teil monatlich) der Resistenzlage anpassen. Bei der Experimentierfreudigkeit der Taubenzüchter ist ein Ende unseres Spielraumes jedoch für die kommenden Jahre abzusehen, denn mit der Zeit haben wir alle pharmakologisch sinnvollen Möglichkeiten ausgeschöpft.

Bei der Auswahl des Trichomonadenmittels unterliegen die Züchter oft einem Irrtum: Es ist zwar richtig, daß man die Mittel wechseln sollte, um der Resistenzentwicklung entgegenzuarbeiten. Die Empfehlung bezieht sich aber vor allem auf einen geschlossenen Bestand, also auf einen Bestand, der keinen Kontakt zu Trichomonaden aus anderen Beständen hat. Bei der Reisemannschaft trifft diese Voraussetzung nicht zu, denn die Trichomonaden, die die Tauben aus dem Kabinenexpreß, dem Ackertümpel oder aus der Wegrandpfütze nach Hause schleppen, stammen ja nicht aus dem eigenen Bestand, vermutlich stammen sie sogar wöchentlich aus einem anderen Infektionsherd. In diesem Fall kommt es weniger darauf an, was man selbst für Trichomonadenmittel bisher verabreicht hat, sondern darauf, gegen welche Mittel die Trichomonaden im Ursprungsbestand resistent geworden sind. Das dürfte in den meisten Fällen unbekannt sein. Folglich muß immer damit gerechnet werden, daß die Tauben Trichomonaden nach Hause bringen, die zumindest Teil-Resistenzen aufweisen. Aus diesem Grund sollte immer das wirksamste Mittel eingesetzt werden. Und weil das alles Tatsachen sind, auf die weder der Züchter noch der Tierarzt einen Einfluß haben, sollte man es nicht darauf ankommen lassen und ausschließlich so behandeln, wie behandelt werden muß — keine Experimente!
Jeder Züchter verabreicht irgend etwas, keiner gibt es aber zu, im Glauben, das Ei des Columbus gefunden zu haben — das Problem ist bekannt, die Vorsorgearbeit des Tierarztes wird dadurch nicht gerade einfacher.
Sich in der Einsatzstelle danach umzuhören, wer was gegen Trichomonaden verabreicht, ist erfahrungsgemäß nicht wirklich aufschlußreich: Fragt man einen Züchter nach durchgeführten Behandlungen, bekommt man immer die gleiche Antwort: „nur Futter und Wasser, gelegentlich Obstessig und Bierhefe“ — nein, Arzneimittel werden nicht verabreicht, auch keine Vitamine. Antibiotika? Das ist doch Teufelszeug! Trichomonadenmittel haben sich bisher erübrigt, da im Bestand in den letzten 20 Jahren nie Trichomonaden nachgewiesen wurden. Kokzidien oder Würmer natürlich auch nicht — daß man sich überhaupt traut, so etwas zu fragen... scheinheilig gibt sich der Gefragte fast beleidigt. Umherstehende Züchterfreunde und Vereinskollegen blicken voller Bewunderung zum Züchter X auf, nicken zustimmend und man wird so angeguckt, als hätte man den verseuchtesten Bestand der Welt. Der fachkundige Zuhörer muß bei all dem den Eindruck bekommen, daß die Tauben aus der gesamten Einsatzstelle bisher ausnahmslos von blinden Tierärzten untersucht wurden.

Die Geheimnistuerei geht so weit, daß manche Züchter sogar in der Praxis (unter vier Augen) versuchen, mich anzuschwindeln.
Konkreter Fall: Vor Beginn der Untersuchung frage ich immer nach den in den letzten Wochen durchgeführten Behandlungen, um eventuelle Medikamentenreste beim Anlegen der Proben schon zu Beginn der Bebrütung heraus zu verdünnen. Nein, nur Futter und Wasser... Ich muß es einfach glauben.
Wenn dann die Kropfschleimhautzellen typische Veränderungen durch Trichomonadenmittel aufweisen, muß ich die Frage natürlich wiederholen — ah ja, gegen Trichomonaden wurde bis vor 3 Tagen behandelt, aber NUR gegen Trichomonaden, versichert mir der Züchter mit sichtlichem Unbehagen und wird zunehmend unruhiger. Man kann den inneren Kampf förmlich riechen, die Stirnhaut ist bis zum Maximum gerunzelt — wer weiß, was Mohr noch so alles erkennen kann?...
Bevor ich die Kloakenschleimhaut unter dem Mikroskop untersuche, fällt es dem Züchter „plötzlich“ ein: auch gegen Kokzidien wurde behandelt, aber lediglich 2 Tage — langsam wird es peinlich. Der Züchter verlagert sein Gewicht immer öfter von einem Bein auf das andere.
Nachdem das Eis gebrochen ist, wird endlich (und voller Verlegenheit) die Liste herausgerückt. Darauf befindet sich meistens so gut wie alles, was man Tauben irgendwie verabreichen kann (zum Teil eine Fülle von Unsinnigkeiten).

Ich habe in der Praxis erlebt, daß sich wirklich sehr gut befreundete Züchter gegenseitig und über Jahre anschwindeln. Züchter, die seit 40 Jahren befreundet sind, gemeinsam zur Schule gegangen sind, einen gemeinsamen Zuchtschlag unterhalten (aber getrennt reisen), verschweigen sich gegenseitig was sie den Reisetauben Woche für Woche in die Tränke kippen. Sie kommen sogar getrennt zu uns in die Praxis und keiner weiß vom anderen, daß er zum Tierarzt fährt (Mohr? Wer ist das? — von mir haben beide natürlich noch nie etwas gehört!). Die Kotbescheinigung lassen sich beide von der Taubenklinik ausstellen (die Kotproben werden gemeinsam nach Essen geschickt), natürlich nach Abschluß aller Behandlungen).
Es fallen im Wartezimmer manchmal unschöne Worte, wenn sich zwei Vereinskollegen zufällig in der Praxis treffen, die sich noch vor einigen Tagen gegenseitig heftig davon abgeraten haben, zu mir in die Praxis zu fahren. Wir haben schon so manche heitere Stunde in der Praxis erlebt...

Unter diesen Bedingungen ist sicherlich nicht zu erfahren, wer, was, wie lange und zu welchem Zeitpunkt gegen Trichomonaden verabreicht hat. Man kann offensichtlich nicht einmal seinem besten Züchterfreund „trauen“. Daß diese Geheimniskrämerei in der eigenen Einsatzstelle, wo Tauben aller an der Reise beteiligten Züchter ihre Krankheitserreger Woche für Woche untereinander austauschen, als Bumerang zurückkommt, ist den wenigsten klar. Krankheitserreger, die die Tauben aus dem Kabinenexpreß nach Hause mitgebracht haben, lassen sich nur für eine bestimmte Zeit bekämpfen. Für immer verschwinden werden sie nur, wenn alle Träger GLEICHZEITIG behandelt werden. Das ist aber nicht möglich, denn „keiner geht zum Tierarzt“, „alle Tauben sind gesund“ und „keiner verabreicht irgendwelche Medikamente“. Ist es wirklich so schwer zu sagen: Hört mal ihr Kollegen, meine Tauben haben sich am letzten Sonntag im Auto mit Trichomonaden angesteckt. Wollen wir nicht alle gemeinsam etwas dagegen unternehmen, damit nicht jeder jede Woche die Tauben mit Trichomonadenmitteln behandeln muß?


>>> Für die Reise empfehlen sie Metronidazol, Carnidazol und Tricho-Stop-Flüssig, wobei letzteres besonders empfohlen wird. Allerdings ist keines der Präparate für eine Bestandsbehandlung über die Tränke geeignet. Richtig?

Das ist richtig. Bei jedem dieser Präparate gibt es (mindestens) einen Grund, weswegen es nicht über das Trinkwasser verabreicht werden sollte: Metronidazol ist in erforderlicher Konzentration zu bitter, bei Carnidazol muß die gesamte Tagesmenge auf einmal aufgenommen werden und TrichoStop-Flüssigkonzentrat bleibt nicht lange genug im Trinkwasser stabil (außerdem müßte über das Trinkwasser gegenüber der Einzeltierbehandlung die doppelte Menge verabreicht werden = doppelter Preis!).


>>>Was empfehlen sie also zur Ergänzung einer Einzeltierbehandlung während der Reisezeit, um auch einmal (Damit meine ich nicht nur einen Tag) eine Bestandsbehandlung über das Trinkwasser durchzuführen, um die von mir in meinem Beitrag beschriebenen negativen Folgen einer ausschließlichen Einzelbehandlung zu vermeiden.

Die einzige „negative Folge“ einer Einzeltierbehandlung ist der erhöhte Arbeitsaufwand. Man hat dann vermutlich zu viele Tauben oder zu wenig Zeit — oder beides. Natürlich sollte eine Wirkstoffkombination eingesetzt werden, die in den Kropf verabreicht, ihre Wirkung im gesamten Körper entfaltet.

Ich kann als Tierarzt nur das empfehlen, was aus pharmakologischer Sicht einen Sinn macht, und das ist während der Reise die Einzeltierbehandlung mit einem geeigneten Mittel — Arbeitsaufwand hin, Arbeitsaufwand her, auf die Wirkung kommt es an. Schließlich behandelt man seine Tauben nicht, um Zeit zu sparen, sondern um eine Heilung herbeizuführen. Und wenn eine Einzeltierverabreichung aufgrund der hohen Anzahl vorhandener Reisetauben nicht durchführbar ist, dann muß entweder der Bestand verkleinert oder eine Leistungsminderung durch Trichomonaden in Kauf genommen werden (die Einstellung eines Schlagpflegers tut es auch).

Geeignet ist ein Mittel immer dann, wenn es bei fachgerechter Verabreichung sein Ziel erreicht, die Trichomonaden bei Einhaltung der Konzentration und Behandlungsdauer restlos abzutöten.

Wenn man die Möglichkeit hat, die Empfindlichkeit nachgewiesener Trichomonaden prüfen zu lassen, ist die Vorgehensweise klar. Hat der behandelnde Tierarzt diese Möglichkeit nicht, dann sollte man für die Routinebehandlungen das Mittel ständig wechseln: keine zwei aufeinanderfolgende Kuren mit dem selben Wirkstoff. Grundsätzlich gilt, daß man bei der Bekämpfung von Krankheitserregern, die schon seit mehreren Jahrzehnten im Brieftaubensport bekämpft werden, immer auf die neueste Entwicklung auf dem Arzneimittelsektor zurückgreifen sollte — alle anderen Mittel „kennen“ die Erreger schon und alle wurden schon mehrfach unterdosiert verabreicht!

Für Bestandsbehandlungen über das Trinkwasser gilt also:
1) Konzentration einhalten, Dosierung dem tatsächlichen Trinkwasserbedarf anpassen
2) Behandlungsdauer nicht unterschreiten
3) Mittel regelmäßig wechseln (v.a. bei Zucht- und Jungtauben), bei Reisetauben ausschließlich Mittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen den aktuellen Trichominadenstamm einsetzen.
4) Neuentwicklungen auf dem Arzneimittelsektor bevorzugen
5) Nicht während der Mauser verabreichen
6) Nicht verabreichen, wenn Junge im Nest liegen
7) Nicht während der Reise verabreichen
8) Medikiertes Trinkwasser in empfohlenen Abständen frisch ansetzen

Für die Einzeltierbehandlung während der Reise (und für die Einzeltierbehandlung der Nachzügler und zugekauften Tauben) immer nur das Präparat einsetzen, dessen Wirksamkeit in der Praxis nachgewiesen wurde. Wenn das Metro-flüssig noch wirkt, sollte man Metro-flüssig einsetzen (und sich darüber freuen) und nicht das stärkere TrichoStop Flüssigkonzentrat. Wenn nichts mehr wirkt hat man dann immer noch TrichoStop Flüssigkonzentrat in der Hinterhand, um die Meisterschaft zu retten. Carnidazol hat — zumindest was die einmalige Behandlung mit einer einzigen Tablette betrifft — im Brieftaubensport bereits vor Jahren ausgedient. Es wird nur noch von Tierärzten empfohlen und vertrieben, die ihre „Fach“-Informationen hinsichtlich der Behandlung von Brieftauben aus Katalogen der Pharma-Firmen beziehen.

Für die Einzeltierbehandlung während der Reise gilt also:
1) Dosis pro Taube einhalten
2) Ausschließlich direkt in den Schnabel bzw. Kropf verabreichen
3) Nur Wirkstoffe verwenden, die bei einmaliger Applikation alle Trichomonaden abtöten
4) Behandlungen können auch dann durchgeführt werden, wenn sich Junge im Nest befinden (behandeltes Elterntier für eine Stunde aussperren, anschließend das andere Elternteil behandeln und aussperren)
5) Jungtauben im Nest nicht vor Erreichen des Alters behandeln, das vom Hersteller empfohlen wird (bei TrichoStop Flüssigkonzentrat heißt das: Alter 15 Tage: 2 ml, Alter 20 Tage: 3 ml, beim Absetzen: 5 ml)

Als Tierarzt kann ich nicht dafür sein, die Applikation eines Arzneimittels davon abhängig zu machen, ob man dafür die nötige Zeit aufbringen kann. Als Taubenzüchter aber muß ich versuchen, hinsichtlich der Trichomonadenbekämpfung mir einiges einfallen zu lassen, obwohl mir bewußt ist, daß die Wirksamkeit darunter leidet. Als Taubenzüchter UND Tierarzt habe ich jedoch aufgrund meiner Fachkenntnisse die Möglichkeit, einen medizinisch zwar nicht absolut korrekten aber doch vertretbaren Zwischenweg einzuschlagen. Ein NUR-Taubenzüchter hat diese Möglichkeit nicht, und jeder Taubenzüchter kann nur gewinnen, wenn er sich den Rat eines Tauben-Tierarztes einholt, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen ist“.
Man könnte beispielsweise die Spartrix-Tabletten in einem Mörser zerkleinern und an angefeuchtetes Futter binden. Die Menge Futter müßte dann so bemessen sein, daß die Tauben die gesamte Menge auf einmal aufnehmen. Die Anzahl der Tabletten müßte man erhöhen, denn ein Teil bleibt im Eimer kleben, ein Teil verbleibt im Futtertrog. Die Einzelverabreichung finde ich unter diesen Umständen weniger arbeitsaufwendig und kostengünstiger — was ihm lieber ist muß jeder für sich entscheiden.
Die zweite Möglichkeit wäre, TrichoStop Flüssigkonzentrat ins Trinkwasser zu mischen, und zwar so, daß die gesamte Trinkwassermenge innerhalb von 30 Minuten aufgenommen wird und jede Taube 10 ml Wirkstoff trinkt (= 1 Flasche TrichoStop Flüssigkonzentrat auf 1750 ml Trinkwasser). Die Behandlungskosten verdoppeln sich in diesem Fall, denn bei einer Einzeltierbehandlung würden 5 ml pro Taube alle Trichomonaden innerhalb von 10 Minuten abtöten. Wer aber ohnehin 740 Tauben und einen Schlagpfleger unterhalten kann (konkreter Fall!), den wird der doppelte Preis weniger abschrecken als der Zeitaufwand von 10 Minuten pro Taube (einschließlich fangen) = 7.400 Minuten = 123,3 Stunden = 5,14 Tage!

Das Ausarbeiten einer für den konkreten Bestand passenden Behandlungsstrategie muß im Rahmen eines eingehenden Beratungsgesprächs erfolgen. Mit theoretischen Überlegungen ist den wenigsten Züchtern geholfen. Ich hoffe Ihnen trotzdem mit meinen Ausführungen einige Anhaltspunkte gegeben zu haben.

Tiberius Mohr


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  #2  
Alt 02.11.2000, 08:43
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Pfaelzer Pfaelzer ist offline
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Standard RE: Trichomonaden

Sehr geehrter Herr Mohr,
das ist der mit Abstand beste Bericht den ich je über Trichomonaden gelesen habe. Auch bin ich nicht immer der Meinung von Tierärzten, aber dieses mal stimme ich Ihnen 100% zu. Es ist in der Praxis bei uns Taubenzüchter tatsächlich so, daß der eine nicht weiß was der andere gerade macht. Auch wenn Sie sonst eng zusammenarbeiten.
Was die Tierärzte aber einfach nicht einsehen wollen ist, daß wir Taubenzüchter es uns so einfach wie möglich machen wollen. Da die Tauben ja sonst auch noch ein wenig Arbeit machen. Wenn man dann noch bedenkt was man wieder weggiest nachdem man den Tauben ein Medikament übers Wasser gegeben hat, braucht man sich nicht wundern wenn die Züchter versuchen die Medikamente übers Futter zu verabreichen. Auch muß ich zugeben, daß ich ein kleiner Jünger von Harry Tamsen bin der die Ansicht vertritt, die Medikamente übers Futter zu verabreichen. Ich Glaube aber nicht, daß er die Mittel der Firma Backs gegen Trichomonaden verabreicht, aber aus Verkaufstechnischen Gründen muß er es wohl. Auch haben die Züchter oder zumindestens ich, mich schon mit dem Haúsarzt oder dem Apotheker über diese Problematik unterhalten und beide sagen übereinstimmend aus, daß sie die Medikation übers Futter dem Trinkwasser vorzuziehen ist, da das Medikament auf einmal aufgenommen und verzehrt wird. Ich aus meiner Sicht mache also auf diesem Gebiet wohl keinen Fehler wenn ich es auf diese Weise mache,gibt es doch auch bei Ihnen Medikamente die übers Futter verabreicht werden. Es ist halt einfach leichter zu handhaben als jede einzelne Taube zu Fangen und mit Tricho -Stop
zu behandel.Aber ich sage nicht, daß die Wirkasamkeit besser wäre. Wahrscheinlich haben Sie Recht, aber so habe ich halt nun mal die Tauben bisher geführt. Wenn man mal bedenkt wie oft die Tauben gefangen und behandelt werden müssen muß man die Taubenzüchter auch verstehen. Da wären die 3 wichtigen Impfungen, dann noch die Trichobehandlungen dazu darf man dann noch die Wiederholungen nicht vergessen, wo soll denn das alles hinführen? Selbst wenn man nur 40 Tauben hätte wäre das eine Riesenarbeit und von einem Berufstätigen kaum zu schaffen. Diese Ausführungen könnten noch fortgesetzt werden aber jeder weiß wohl was ich meine. Ich gebe Ihnen zwar Recht in Ihren Ausführungen, aber wann soll man das alles machen? Ich jedenfalls habe die Zeit nicht dazu. Aber nochmals, der beste Bericht über Trichomonaden seit langem.
Pfaelzer
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  #3  
Alt 04.11.2000, 00:25
Tiberius Mohr, Tierarzt
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Beiträge: n/a
Standard RE: Trichomonaden

Sehr geehrter Herr Pfälzer,

es ist mir schon klar: sich die Arbeit zu vereinfachen ist im Brieftaubensport zu einer Notwendigkeit geworden. Zum einen ist der Brieftaubensport einfach aufwendiger geworden und zum anderen befinden wir uns ohnehin in einer sehr schnellebigen Epoche.
Ich sehe es noch eher ein als Berufskollegen aus dem Klein- und Großtierbereich, die keine Ahnung davon haben was es bedeutet, eine Reisemannschaft zu führen. Ohne die Hilfe meines Vaters könnte ich meine eigenen Behandlungsempfehlungen nicht umsetzen.
Wir können aber auch nicht ignorieren, daß die Eigenschaften eines Arzneimittels weder durch unsere Wunschvorstellungen noch durch die uns zur Verfügung stehende Zeit beeinflussen lassen. Es geht mit gar nicht darum, die Trichomonaden auf eine bestimmte Weise zu bekämpfen. Mir geht es darum, daß die Züchter die Behandlungsempfehlungen strikt beachten. Dem Tierarzt zu sagen: „geben Sie mir bitte ein anderes Mittel, denn für diese Behandlungsweise fehlt mir die Zeit“ und selbst am Behandlungsplan herumzubasteln sind zweierlei Dinge. Es gibt Arzneimittel gegen Trichomonaden für jede erdenkliche Verabreichungsweise (sogar als Injektion in die Bauchhöhle!), man braucht als Taubenzüchter wirklich nicht den Pharmakologen zu spielen. Jeder hat das Recht, sich die Arbeit zu erleichtern, ohne dies von seinem Tierarzt vorgeworfen zu bekommen, der Taubenzüchter tut es aber oft zu lasten der Wirksamkeit eines Arzneimittels und nicht in Zusammenarbeit mit seinem Tierarzt.
Die Vorteile einer Verabreichung über das Futter sind nicht zu übersehen. Was hingegen vom Züchter „übersehen“ wird ist, daß man nicht jedes Arzneimittel, das über das Trinkwasser verabreicht werden muß, mit gleichem Erfolg über das Futter verabreichen kann.

Beispiel 1:
Einige Arzneimittel werden bei der Taube sehr schnell abgebaut bzw. ausgeschieden (kurze Halbwertszeit). Um keine Resistenzen aufkommen zu lassen und den Behandlungserfolg nicht zu gefährden, muß ein solches Mittel möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt von der Taube aufgenommen werden. Bei einer Verabreichung über das Trinkwasser ist dies — zumindest im Sommer — immer gewährleistet (sonst hätte das Arzneimittel in Deutschland sicherlich keine Zulassung bekommen). Es steht außer Frage, daß man dieses Mittel auch über das Futter verabreichen kann. Wenn man aber die Tagesmenge, die die Tauben über das Trinkwasser bekommen hätten, bei der ersten Mahlzeit an das Futter bindet, dann ist das falsch. Bis zum nächsten Tag ist der Wirkstoffspiegel wieder auf null gesunken. Darüber hinaus wird oft der Verlust durch das Klebenbleiben im Mischeimer und im Futtertrog bei der Dosierung nicht berücksichtigt (= Arzneimittel wird unterdosiert). Steht kein anderes Mittel zur Verfügung, wäre der richtige Weg der, den Tierarzt darauf anzusprechen und sich für die Verabreichung über das Futter einen genauen Behandlungsplan erstellen zu lassen — es kostet nicht mal etwas, man muß es nur tun.

Beispiel 2:
In der Behandlung der verschiedenen Krankheitserreger kommen auch zwangsläufig Wirkstoffe zum Einsatz, die bei der Taube eine sehr geringe therapeutische Breite haben (die Erklärung der therapeutischen Breite finden Sie in meinem Artikel über Trichomonaden im Beitragsteil — http://www.internet-taubenschlag.de/.../welcome.htm). Wenn die Tagesdosis mit einer Mahlzeit verabreicht wird, treten zwangsläufig unerwünschte Wirkungen auf (und der Tierarzt wird dafür verantwortlich gemacht!). Sicherlich kann man diesen Wirkstoff auch über das Futter verabreichen, nur muß dann die Gesamt-Tagesdosis auf mehrere Fütterungen verteilt werden. Kein Tierarzt, der selbst einen Taubenbestand täglich zu betreuen hat, wird sich dem Wunsch des Züchters sperren. Man muß das Problem nur einfach ansprechen und zwar mit seinem Tierarzt bzw. mit einem Tierarzt, der Ahnung von Tauben hat und die kleinen und großen Sorgen der Züchter kennt und nachvollziehen kann.

Beispiel 3:
Pulverförmige Arzneimittel können nur dann über das Futter verabreicht werden, wenn das Futter zuvor angefeuchtet worden ist. Zum Anfeuchten des Futters und Binden des Pulvers nehmen viele Züchter irgendwelche Öle. Das an sich ist noch nicht falsch. Es gibt aber Wirkstoffe, deren Aufnahme aus dem Darm durch das gleichzeitig vorhandene Öl oder Fett verhindert oder zumindest stark herabgesetzt wird. Das beste Beispiel ist Biotin. Wenn man Biotin nicht über das Trinkwasser verabreichen, sondern an das Futter binden möchte, MUSS man das Futter mit Wasser (oder anderen wäßrigen Bindemitteln, z.B. Joghurt) anfeuchten und nicht mit Öl. Solche Dinge stehen in keinem Beipackzettel, wenn das Arzneimittel nur für die Verabreichung über das Trinkwasser zugelassen wurde — wozu auch? Also auch hier: den Tierarzt fragen. Der Vorteil, den man beim Taubentierarzt hat, ist doch, daß dem spezialisierten Tierarzt die Zusammenhänge bekannt sind. Es kann nur jedem ans Herz gelegt werden, sich die Spezialkenntnisse des Taubentierarztes zu Nutze zu machen. Man hat sich als Tierarzt dieses Spezialwissen angeeignet, um Tauben zu helfen und um dieses Wissen den Züchtern auf eine für medizinische Laien verständliche Weise zu vermitteln. Jeder Taubentierarzt ist froh (zumindest ich bin es), wenn er gefragt wird, denn nur durch Vermeidung von Fehlern stellt sich der gewünschte Behandlungserfolg ein. Ohne Behandlungserfolge steht der Tierarzt mit all seinem Spezialwissen bald ohne Patienten da!

Beispiel 4:
Einige Wirkstoffe werden vom Luftsauerstoff sehr schnell angegriffen. Eine bestimmte Form des Vitamin A ist hier das Paradebeispiel überhaupt. Wird Vitamin A, das für die Verabreichung über das Trinkwasser vorgesehen ist, an das Futter gebunden, vergrößert sich die Kontaktoberfläche mit dem Sauerstoff aus der Luft. Wenn man die Oberfläche aller Körner einer Mahlzeit addiert kommt man leicht auf einige Quadratmeter. Das ist mehrere tausendfach größer als die wenigen Quadratzentimeter in der Tränke. Es liegt also nahe — auch wenn die tatsächliche Kontaktfläche durch aneinanderkleben der Körner kleiner ist als die rechnerisch ermittelte — daß man sich die Verabreichung über das Futter sparen kann. In diesem Fall muß einfach über das Trinkwasser (oder direkt in den Kropf) verabreicht werden. Es gibt auch Vitamin A-Präparate, die durch Zusatz von Antioxidationsmitteln gegenüber der Sauerstoffeinwirkung weniger empfindlich sind. Kein Tierarzt wird es ablehnen, dem Züchter das für seine bevorzugte Verabreichungsweise geeignete Präparat abzugeben. Und falls er das geeignete Präparat in der Praxis nicht vorrätig hat, ist es (beim Taubentierarzt) auch kein Problem. In diesem Fall wird er dem Züchter empfehlen, Pro ml 1000 mg Vitamin C dazuzumischen. In dieser Konzentration reichen die antioxidatorischen Eigenschaften des Vitamin C völlig aus, um den Vitamin A-Abbau zu verhindern. Aus diesem Grund mischen wir in unserer Praxis seit mehreren Jahren die entsprechende Vitamin C- Menge der Vitamin A-Lösung bei (siehe http://www.brieftaubenmedizin.de/produkte/vitamin.htm).

Ich fand Ihre Bemerkungen sehr zutreffend: so wie Sie es beschrieben haben handeln die meisten Züchter. Ich bin keineswegs dafür, daß der Tierarzt über die Köpfe der Züchter hinweg irgendwelche utopischen Behandlungspläne aufstellt, die der Züchter dann als gottgegeben anzusehen hat. Mir geht es ausschließlich darum, daß der Züchter nicht eigenmächtig am Behandlungsplan herumbastelt. Einige Gründe habe ich mit den 4 Beispielen hier genannt, die biochemischen und pharmakologischen Zusammenhänge sind dabei jedoch um einiges komplexer, die Gründe gegen willkürliche Änderungen bei weitem nicht erschöpft. Sich anzumaßen, die Behandlung besser durchführen zu können als vom Tierarzt empfohlen (dessen Beruf es ist, es besser zu wissen als ein medizinischer Laie) ist leichtsinnig. Es kann für die Tauben und damit für den Erfolg im Brieftaubensport gefährlich sein. Der Hauptgrund für die rasche Resistenzentwicklung im Brieftaubensport sind weder die Eigenschaften der Wirkstoffe noch die (manchmal recht erstaunliche) Anpassungsfähigkeit der Erreger. Der Schwachpunkt in der Kette ist der Züchter. Am eindrucksvollsten läßt sich diese These durch Vergleiche aus anderen Einsatzgebieten belegen. Die Wirksamkeit von Metronidazol gegen Trichomonaden hat in den letzten Jahren bei Reisetauben so sehr nachgelassen, daß wir dieses Mittel nur noch bei nachgewiesener Empfindlichkeit bzw. in Kombinationspräparaten einsetzen können. Noch vor 4 Jahren, als mein Buch gedruckt wurde, war Metronidazol eines der wirksamsten Mittel. Bei Menschen, Hunden und Katzen hingegen wird Metronidazol bei Infektionen im Zahnfleischbereich und Trichomonadeninfektionen der Scheide seit mehreren Jahrzehnten eingesetzt — Resistenzen sind hier aber eher die große Ausnahme (Eine Mutter kommt aber auch nicht auf die Idee, ihrem Kind das Mittel anders zu verabreichen als vom Arzt empfohlen, die Dosis eigenmächtig zu reduzieren oder die Behandlungsdauer abzukürzen).

Tiberius Mohr
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  #4  
Alt 04.11.2000, 08:06
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Pfaelzer Pfaelzer ist offline
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Standard RE: Trichomonaden

Sehr geehrter Dr. Mohr,
wir Taubenzüchter sin Ihnen sehr dankbar für Ihre ausführlichen Beschreibungen der Probleme mit Trichomonaden. Sie sprechen mir aus der Seele wenn Sie die Unterdosierungen bei Medikamenten ansprechen. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, daß wenn ich ein Medikament anrühre und die Menge des zu gebenden Medikaments um 1/5 erhöhe, dieses Medikament dann unterdosiert ist. Ganz im Gegenteil zur Medikation übers Trinkwasser. Wenn ich hier die Menge für 20 Tauben in einen Liter Wasser gebe und dann am nächsten Morgen einen 1/2 Liter Wasser wieder weggieße, dann habe ich in der Tat UNTERDOSSIERT. Das ist nun mal die Praxis. Einleuchtend sind mir Ihre Ausführungen, daß z. B. das Medikament auf mehrere Mahlzeiten verteilt werden sollte oder muß. Ein anderes Beispiel, wir alle von uns haben Tauben, die wenn auch nur irgendein Zusatz im Wasser ist nicht saufen. Diese Tiere verweigern manchmal über Tage das Trinkwasser mit dem Ergebnis, daß sie die anderen sofort wieder Anstecken nach Beendigung der Kur. Das ist meiner Meinung nach der Grund für die häufigen Ressistenzen gerade bei Trichomonaden. Nun bin ich kein Forscher oder Arzt und muß nunmal das Glauben was die Gelehrten sagen, aber manchmal Frage ich mich mit gesundem Menschenverstand ob das alles Richtig ist. Denn das Gegenteil kann ich ja auch nicht beweisen werden oder beweist mir auch keiner. Aber wir sind jetzt einen gewaltigen Schritt näher an der Wirklichkeit und die Tierärzte fangen an uns zu verstehen, daß die normalen Taubenzüchter einfach nicht die Zeit dazu haben die Tiere so zu Behandeln wie sie sich das vorstellen. Auch die Tierärzte müssen sich anpassen und versuchen Wege zu finden die uns Entgegenkommen. Nur so ist es möglich diese Sache in den Griff zu bekommen. Denn wenn von 100 Züchtern es 98 richtig machen und nur 2 falsch und die Tauben im Kabi wieder zusammenkommen und aus der GLEICHEN Tränke saufen war wieder alles umsonst. Ich jedenfalls werde in Zukunft die Medikamente auf 3 Mahlzeiten verteilen in der Hoffnung es richtig zu machen.
freundliche Grüße
Pfaelzer
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