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  #1  
Alt 31.07.2000, 00:22
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Doping

Sehr geehrte Taubenzüchter und Teilnehmer des Medizinforums,


zum Start des neuen Forums nun ein Beitrag mit ebenso aktuellen Informationen.

Dieser erste Beitrag befaßt sich mit der Dopingproblematik und einer neuen Nachweis- und Kontrollmöglichkeit.
Wir hoffen, mit unseren Beiträgen zur „Reformierung“ des Brieftaubensportes im Sinne der Tauben und der sportlichen Fairneß beitragen zu können. Unser Ziel ist es, durch Informationen und sachliche Auseinandersetzung mit den Problemen im Brieftaubensport Verbesserungen zu erwirken und Mißstände (die oft auf mangelnder oder falscher Information beruhen) aufzudecken; konstruktive Kritik erwünscht!

Dem Veranstalter Herrn Obster danken wir und wünschen eine rege Beteiligung.


Auf eine für alle Teilnehmer erfolgreiche Jungtaubensaison — und natürlich gesunde Tauben

Mit freundlichen Grüßen

Tiberius Mohr
und das Team der Tierarztpraxis und des Klinischen Laboratorium für Veterinärmedizinische Diagnostik




Doping – Neue Nachweismethoden für EPO

Wie im Leistungssport des Menschen, im Pferdesport und bei Hunderennen sind auch im Brieftaubensport einige Dopingsubstanzen nachweisbar, andere hingegen (leider) nicht. EPO (Erythropoietin) war bisher weder beim Menschen noch beim Tier von dem natürlichen, im Körper produzierten Erythropoietin zu unterscheiden.

EPO ist ein natürliches Hormon des Körpers, das die Produktion der roten Blutkörperchen anregt – und darauf beruht auch die mißbräuchliche Anwendung als Dopingmittel. Eine Erhöhung der Anzahl roter Blutzellen ist mit einer Steigerung der Sauerstoff-Transportfähigkeit des Blutes verbunden und hat eine gesteigerte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit zur Folge: Die Taube fliegt der Konkurrenz davon, vor allem unter schweren Flugbedingungen und auf Langstreckenflügen.

In der Medizin wird EPO vor allem Dialysepatienten verabreicht und bei bestimmten Formen der Blutarmut (regenerative Anämien) angewendet.
Als Dopingmittel wird EPO vor allem im Radsport und bei allen Wettkämpfen mißbraucht, die von den Athleten Schnelligkeit und Ausdauer fordern (Triathlon, Marathonlauf).

Die EPO-Kontrollen beschränkten sich bisher darauf, bei verdächtigen Athleten das Verhältnis der roten Blutkörperchen zum Gesamtblutvolumen zu messen (Hämatokritwert). Diese indirekte Nachweismethode ist jedoch zu unsicher, weil auch hartes Training bei geringer Sauerstoffkonzentration in der Atemluft ähnliche Blutbildveränderungen hervorruft. Aus diesem Grund trainierten früher Hochleistungssportler vor einem Wettkampf mehrere Wochen in den Bergen oder auf der mexikanischen Hochebene.

Nachdem es der pharmazeutischen Industrie gelungen war, EPO künstlich herzustellen, stieg auch die Versuchung, sich dieses „Training aus der Spritze“ zu verabreichen.
Mitte der 90er Jahre zog EPO auch in den Brieftaubensport ein und bis heute ist bei Brieftauben das künstlich zugefügte EPO von dem natürlich produzierte Hormon nicht zu unterscheiden. Daran wird sich in den nächsten 2 bis 3 Jahren auch nichts ändern.
Im Brieftaubensport scheiterten zunächst alle Versuche, mit EPO eine Leistungssteigerung zu erzielen daran, daß — vor allem in Belgien — das EPO über das Trinkwasser verabreicht wurde. Oral aufgenommen ist EPO jedoch unwirksam, da es in der Darmschleimhaut abgebaut wird. Nachdem die Fachpresse dieses „Mißverständnis“ berichtigt hatte, stieg auch die Anfrage nach EPO sprunghaft an. Vor allem die EPO-Skandale der Tour de France 1999 haben auch die deutschen Brieftaubenzüchter „auf den Geschmack gebracht“. Die Nachfrage nach EPO in unserer Praxis im Jahr 1999 war größer als in allen Jahren zusammen seit der Eröffnung der Praxis — daß wir dieser Nachfrage außer in medizinisch begründeten Fällen nicht nachgekommen sind, ist selbstverständlich.

Der EPO-Nachweis beim Menschen steht nun kurz vor der Zulassung. Damit haben langfristig auch dopende Taubenzüchter schlechte Karten. Einer aktuellen Meldung der amerikanischen Zeitschrift „Nature“ zur Folge haben Wissenschaftler aus den USA einen Test entwickelt, mit dessen Hilfe auf molekularer Ebene das künstlich zugefügte EPO vom natürlichen EPO-Hormon unterschieden werden kann. Vermutlich werden die ersten Kontrollen bereits bei den Olympischen Spielen 2000 stattfinden.

Das „Handwerkzeug“ steht der Wissenschaft also zur Verfügung. Nun liegt es an dem Verband, diese neue Nachweismethode zu einem Test bei Tauben weiterentwickeln zu lassen — daran wird sich nicht nur die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Verbandes messen, der Ruf des gesamten Brieftaubensportes steht auf dem Spiel.


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  #2  
Alt 03.10.2000, 07:56
Wiebren
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Doping

Sehr geehrte Tiberius Mohr,

Ich bin ein Züchter aus Holland, also mein Deutsch ist nicht sehr gut. Meine frage über ihre information: Ich habe gehört das der neueste variant darauf besteht amfetaminen zu brauchen für die Tauben als doping. Kann das stimmen, oder ist's quatsch? Meine frage ist mehr ob es zu finden ist bei der tauben wann sie controlliert werden.
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  #3  
Alt 07.10.2000, 16:39
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Doping

Amphetamine sind im Brieftaubensport die stärksten Dopingmittel überhaupt. Sie führen dazu, daß sämtliche lebenserhaltenden Bedürfnisse (Hunger, Durst, Müdigkeit, Schlafbedürfnis usw.) für 2-3 Tage ausgeschaltet, alle motorischen Eigenschaften im Höchstmaß gesteigert werden. Mit Amphetaminen gedopte Tauben legen während des Fluges keine Pausen ein und fliegen – auf Kosten ihrer Gesundheit – mit höchstmöglicher Geschwindigkeit. Hochflieger beispielsweise sind unter Amphetamin im Stande, bis zu 70 Stunden ohne Zwischenlandung ihre Runden zu drehen. Daß dies nicht gerade gesund ist, liegt auf der Hand. Viele dieser Tiere fliegen wort-wörtlich bis sie tot um- bzw. herunterfallen.

Aufgrund dieser Eigenschaften war der Amphetamin-Mißbrauch unter LKW-Fahrern und Langstreckenläufern in der Vergangenheit (in den 40er und 50er Jahren) sehr verbreitet. Wegen der sehr guten Nachweisbarkeit hat aber der Mißbrauch im Leistungssport sehr stark abgenommen. Gelegentlich werden noch Vorfälle aus der Studentenszene bekannt: hier wird vor allem die stimmungsaufhellende Wirkung geschätzt und die Fähigkeit, sich ohne Pause und ohne Schlaf mehrere Tage hindurch auf eine Prüfung vorzubereiten – nach der Prüfung landen viele mit Kreislaufversagen auf der Intensivstation.

Amphetamine sind die sicherste Methode, eine Taube zu ruinieren, aber leider auch, sie VORÜBERGEHEND erste Konkurse fliegen zu lassen – eine mit Amphetamin gedopte Taube hat einfach absolut keine Konkurrenz. Verglichen damit ist die Wirkung von Cortison, Anabolika und Clenbuterol nicht einmal erwähnenswert. Lediglich Cocain hat ein ähnliches Wirkungspotenzial, die Wirkdauer ist jedoch viel kürzer und die Steigerung motorischer Fähigkeiten nicht so stark ausgeprägt.

Der Amphetamin-Nachweis ist völlig unproblematisch — man muß nur danach suchen (wollen). Beim Menschen kann Amphetamin noch 48 Stunden nach der Einnahme im Harn nachgewiesen werden, bei der Taube dürfte der Zeitraum um einige Stunden kürzer sein, jedoch noch ausreichend, um nach einem Flug den Mißbrauch aufzudecken.

Das Suchtpotential der meisten Amphetamine ist erheblich, obwohl es sich dabei in erster Linie um eine psychische und weniger um eine körperliche Abhängigkeit handelt, was auch die hohe Selbstmordrate unter Entzug erklärt.
Aufgrund des Suchtpotentials unterliegen Amphetamine der Betäubungsmittelgesetzgebung und können — auch von dazu berechtigten Tierärzten — nur unter strengsten Auflagen bezogen und angewendet werden. Die Anwendung von Amphetaminen ist in Deutschland glücklicherweise dermaßen streng geregelt (Nachweispflicht der Anwendung, Aufbewahrungspflicht der Unterlagen für 3 Jahre, Vernichtung verfallener Präparate nur im Beisein von Zeugen etc.) und der Mißbrauch hat dermaßen drastische Folgen für den Tierarzt (MINDESTENS Verlust der tierärztlichen Approbation und Berufsverbot), daß sich wohl kaum ein Tierarzt zum Mißbrauch verleiten lassen wird. Wie die Sache in Holland geregelt ist, ist mir nicht bekannt, es dürfte aber ähnlich sein.

Erklärung:
Unter dem Begriff „Betäubungsmittel“ wird rechtlich eine Reihe sehr unterschiedlicher Arzneimittel zusammengefaßt, denen gemeinsam ist, daß sie beim Menschen zur Abhängigkeit (Sucht) führen. Daher sind „Betäubungsmittel“ nicht mit Narkosemitteln oder anderen zur Schmerzausschaltung verwendeten Arzneimitteln gleichzusetzen. Im Gegenteil: die meisten „Mittel zur Betäubung“ (Narkotika, Anästhetika) sind rechtlich gesehen keine Betäubungsmittel, weil sie keine Sucht erzeugen — eine für medizinische Laien etwas verwirrende Angelegenheit.

Aus leicht nachvollziehbaren Gründen werde ich im Forum die Angelegenheit nicht weiter vertiefen. Obwohl ich für eine offene Diskussion hinsichtlich der Dopingproblematik bin (und diese Diskussion auch für notwendig erachte), ist mir die Amphetamingeschichte doch etwas zu „heiß“, die Gefahr, detaillierte Informationen zu mißbrauchen ist einfach zu groß. Ich möchte nicht mitverantwortlich sein, wenn Tauben Amphetamine verabreicht werden.



An alle Forumteilnehmer

Sehr geehrte Forumteilnehmer,

bitte richten Sie zukünftige Doping-Fragen an mich persönlich (t.mohr@brieftaubenmedizin.de) und nicht mehr über das Forum. Es liegt in der Natur der Sache, daß auch eine Fachinformation mißbraucht werden kann und zum Forum hat jeder und unerkannt Zugang. Ich möchte aber gerne wissen, wer welche Informationen erhalten hat, um besser einschätzen zu können, ob meine Angaben mißbraucht werden können, bzw. um zu vermeiden, daß ein einzelner Züchter zu „umfassend“ informiert wird.


Mit freundlichen Grüßen

Tiberius Mohr

t.mohr@brieftaubenmedizin.de
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