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  #1  
Alt 12.10.2000, 00:16
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Blutgeschwülste

Diese Frage wurde mir direkt per eMail zugeschickt:

Hallo Herr Doktor!
Habe unter meinen Jungtauben einige Tiere mit Blutgeschwülsten.
Ist das Ansteckend, wie kann man es heilen und von was kommt so etwas?
Wäre ihnen dankbar wenn Sie mir weiterhelfen könnten.
Wäre Ihnen dankbar wenn sie mir eine Mail schreiben könnten.
Besten Dank im voraus
WM




Sehr geehrter Herr M.,

Blutgeschwülste oder Blutgeschwüre sind eine spezielle Erscheinungsform der Taubenpocken. Sie sind rund, etwa kirschgroß, blutgefüllt (daher die dunkle Farbe) und enthalten Reste fehlentwickelter Federn. Oft treten sie symmetrisch auf beiden Körperseiten auf, bevorzugt im Bereich der Flügeldecken, an der Brust oder an der Halsseite.

Eine andere Ursache für Geschwülste im Bereich der Haut sind Federfollikelzysten (Pterylofolliculosis cystica). Sie entstehen wenn die heranwachsende Feder die Haut nicht durchbrechen kann und sich innerhalb einer „Hautblase“ einrollt. Das Gebilde wächst mit der Zunahme der Federgröße, bis das Wachstum der Feder abgeschlossen ist. Federfollikelzysten verursachen als „Fremdkörper“ eine akute (oft sehr heftig verlaufende) eitrige Entzündung mit Geschwürbildung. In diesem Fall ist die Feder von harten Eiterkrusten umschlossen, die umliegenden Federn können im späteren Verlauf ebenfalls verklebt sein.

Anhand der von Ihnen geschilderten Symptome kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, daß es sich dabei um Taubenpocken handelt. Dafür spricht auch das Auftreten bei mehreren Tauben des Bestandes, Federfollikelzysten treten als „Zufallsereignis“ nicht bei mehreren Tauben gleichzeitig auf.

Da es sich (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) um Taubenpocken handelt, sind diese Blutgeschwülste (bzw. die Viren, die sie verursachen) ansteckend.
Der gesamte Bestand sollte umgehend geimpft werden, die Impfung ist jährlich zu wiederholen, zumindest in den nächsten 3-4 Jahren. Jungtauben sollten bereits beim Absetzen geimpft werden.
Die Entfernung der Blutgeschwülste sollten Sie — wegen der hohen Blutungsneigung — dem Tierarzt überlassen.
Unterstützend kann ein konzentriertes Vitamin-A-Präparat verabreicht werden, wodurch die Haut an Widerstandskraft gegenüber Pockenviren gewinnt.

Mit freundlichen Grüßen

Tiberius Mohr

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  #2  
Alt 12.10.2000, 17:32
DreiWeißeTauben
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Blutgeschwülste

Sehr geehrter Herr Mohr,
ist es wissenschaftlich belegt, dass die Blutgeschwüre durch Pocken verursacht werden?
Wenn ja, wie können Jungtauben die sogenannten Blutgeschwüre im Herbst bekommen, obwohl die Tiere gegen Pocken geimpft wurden??

mfg Drei Weiße Tauben
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  #3  
Alt 12.10.2000, 22:49
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Blutgeschwülste

>>> Sehr geehrter Herr Mohr, ist es wissenschaftlich belegt, dass die Blutgeschwüre durch Pocken verursacht werden?

Ja.

>>> Wenn ja, wie können Jungtauben die sogenannten Blutgeschwüre im Herbst bekommen, obwohl die Tiere gegen Pocken geimpft wurden??


Sind Sie sicher, daß es sich dabei um Blutgeschwüre und nicht Neoplasien (z.B. Melanome) handelt?
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  #4  
Alt 13.10.2000, 23:14
DreiWeißeTauben
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Blutgeschwülste

Sehr geehrter Herr Mohr,
ich bin mir sehr sicher, denn die "Blutgeschwüre" sehen genau nach Ihrer Beschreibung aus!! und nicht wie z.B. Melanome

mfg
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  #5  
Alt 14.10.2000, 21:12
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Blutgeschwülste

Das Auftreten im Herbst ist für Taubenpocken sehr typisch – Taubenpocken treten so gut wie ausschließlich im Sommer und Herbst auf. Lediglich die sog. Schleimhautform (rötliche Herde im Rachen, die im späteren Verlauf ins gelbliche übergehen und Trichomonadenbelägen sehr ähneln) kommt auch im Frühjahr, in der Zeit der ersten gemeinsamen Trainingsflüge vor.

Für das Auftreten trotz Impfung kommen zwei Ursachengruppen in Frage:

1) unzureichender Impfschutz. Dieser kann bedingt sein durch:
- Bluten der Federkiele (falls diese Impfmethode angewendet wurde), das Pockenvirus wird so aus der Eintrittspforte wieder herausgespült bzw. es dringen nicht die für eine Immunisierung erforderlichen Virusmengen von 10hoch3 in das Gewebe ein.
- Impfung bereits mit Pockenviren infizierter Tauben. Äußerlich sichtbare Anzeichen können erst Wochen nach dem ersten Kontakt mit dem Virus auftreten bzw. werden übersehen, falls zunächst nur die Schleimhautform auftritt (es ist nicht anzunehmen, daß alle Jungtauben vor der Impfung einer eingehenden Schleimhautkontrolle unterzogen wurden). Sog. Notimpfungen — also wenn sich Pockenviren bereits im Bestand befinden — dürfen ausschließlich perkutan (NICHT durch Injektion) durchgeführt werden (alles andere ist nach heutiger Einschätzung als Kunstfehler zu werten).
- Impfung von Tauben mit geschwächtem Immunsystem
Impfung von Tauben mit noch nicht voll ausgereiftem Immunsystem. Jungtauben, die nicht MINDESTENS 5 Monate alt sind, bilden nach der Impfung nur bei nahezu 100%iger Antigengleichheit zwischen Impfstamm und Feldstamm einen ausreichenden Impfschutz gegen Pocken aus. Probleme treten bei Tauben immer dann auf, wenn JUNGTAUBEN nicht mit einem homologen Virusstamm geimpft werden.
- Impfung von Tauben, die zum Zeitpunkt der Impfung mit anderen Krankheitserregern (Kokzidien, Trichomonaden, Würmer etc.) infiziert sind.
- Impfung während oder unmittelbar nach eine Antibiotikakur oder einer Kortisonverabreichung.
- Unzureichende Impfdosis
- Impfstoff enthält nicht (Herstellungsfehler) bzw. nicht mehr (falsche Lagerung) die ausreichende Antigenkonzentration
- Impfung mehrerer Tauben mit einer einzigen Kanüle. Pockenviren haben die Fähigkeit, schnell zu rekombinieren. Aus diesem Grund gibt es bei der Pocken-Impfung mehrerer Tauben mit derselben Kanüle oft erhebliche Probleme (fehlender Impfschutz, Pockenerkrankungen etc.), nicht nur dann — wie bei anderen viralen Erkrankungen — wenn mehrere Virusstämme gleichzeitig im Bestand vorkommen.

2) unzureichende Antigenverwandschaft zwischen Impf- und Feldvirus:
Viele Pockenviren, die bei den Tauben vorkommen, sind bis heute noch nicht klassifiziert. Dementsprechend ist ihre Antigenstruktur noch unbekannt. Von den bereits klassifizierten Viren weiß man jedoch, daß zwischen den einzelnen Virusstämmen oft keine Antigenverwandschaft besteht (das ist auch der Grund, weswegen nicht jeder Impfstamm eine Immunität gegen jeden Feldstamm hervorruft). Ein Virusstamm (Feldstamm) mit einer Antigenstruktur, die von der des Impfvirus abweicht, wird vom Immunsystem der geimpften Taube nicht als Pockenvirus „erkannt“. Folglich bietet die Impfung keinen Infektionsschutz.

Das war lediglich eine kleine Auswahl von Möglichkeiten, das allgemeine Interesse dürfte damit befriedigt sein. Das Medizinforum soll den ZÜCHTER informieren und keine Fortbildungsplattform für Tierärzte werden — da Sie in den letzten Tagen in diesem Teil des Forums (in dem das Beantworten von Fragen Tierärzten vorbehalten ist) damit begonnen haben, ebenfalls Fragen der Züchter zu beantworten, darf ich annehmen, daß Sie Tierarzt sind.

Mit freundlichen Grüßen

Tiberius Mohr
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