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  #1  
Alt 19.12.2000, 07:06
Champ Champ ist offline
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Registriert seit: 28.04.2002
Ort: Vechta
Beiträge: 305
Standard Kotuntersuchungen

Hallo Sportsfreunde,
nach Abschluß der Mauser möchte ich den Kot meiner Tauben untersuchen lassen, um evtl. Krankheiten noch vor der Anpaarung auszumerzen. Meine Frage, sollte man den Kot über mehrere Tage sammeln und pro Abteil eine Kotprobe einreichen? Welche Krankheiten können durch eine Untersuchung der Kotproben festgestellt werden? Reicht eine Untersuchung der Kotproben aus oder sollte man auch Kropfabstriche durchführen? Wenn ja, bei wieviel Tauben (Bestand 100 Stück)? Ist es ratsam blinde Kuren durchzuführen?
Gruß
Champ
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  #2  
Alt 31.12.2000, 01:57
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Kotuntersuchungen

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung sind Kotuntersuchungen kein geeignetes Mittel für die Gesundheitsüberwachung im Bestand. Ich habe das Problem in meinem Buch „Medizinische Versorgung im Brieftaubensport“ ausführlich abgehandelt (siehe auch www.brieftaubenmedizin.de).

Hier einige Hinweise:

Durch die parasitologische Untersuchung von (frischen!) Kotproben sind lediglich Wurmeier und Kokzidienoozysten nachweisbar — theoretisch. Praktisch sind die Wurmeier oft bereits nach einem Tag (Versandzeit plus organisatorisch bedingte Bearbeitungszeit nach der Ankunft im Labor = 2-3 Tage) oft nicht mehr nachweisbar, es sei denn, die frischen Proben wurden gekühlt transportiert.
Die Diagnose eines Wurmbefalls bleibt bei den bekannten „Versandkliniken“ deshalb äußerst selten. Es bleiben also praktisch nur Kokzidien nachweisbar. Dafür braucht man jedoch keine Kotproben einzuschicken, den so gut wie jeder (nichtbehandelte) Bestand ist mit Kokzidien infiziert. Darüber hinaus kann sich eine Taube im Kabinenexpreß nur schwer mit Kokzidien anstecken, weil die von infizierten Tauben ausgeschiedenen Kokzidienoozysten mehrere Tage lang reifen müssen, bevor sie ansteckungsfähig werden. Inzwischen ist die Mannschaft aber schon längst zu Hause. Lediglich die Kokzidien, die an den Füßen der Tauben kleben und im Heimatschlag bereits herangereift sind, können andere Tauben anstecken, die Gefahr ist jedoch nicht so groß wie beispielsweise bei Trichomonaden, Chlamydien, Paramyxoviren, Darmwürmern oder Salmonellen. Wenn also der bestand vor Beginn der Reise saniert wurde, erübrigen sich die Kotuntersuchungen und vor beginn der Reise sind die Tauben mit 89%iger Wahrscheinlichkeit — so die Statistik — mit Kokzidien infiziert.

Routinemäßig sollten im Bestand — neben der klinischen Untersuchung und der Kropfspiegelung — folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
Parasitologie, Kropf- und Kloakenabstrich: Nachweis von Wurmeiern und Kokzidien
Bakteriologie, Kropf- und Kloakenabstrich: Nachweis von Bakterien
Mykologie, Kropf- und Kloakenabstrich: Nachweis von Pilzen
Virologie, Kropf- und Kloakenabstrich: Nachweis von viralen Krankheitserregern (nur bei Verdacht)

Den „Wert“ der parasitologischen Untersuchung von Kotproben habe ich bereits erwähnt.
Trichomonaden, Hexamiten, Chlamydien und andere Krankheitserreger und Leistungsminderer im Brieftaubensport können im Kot nicht nachgewiesen werden, sondern nur anhand von Proben, die von lebenden Tauben entnommen und SOFORT untersucht werden. Mit Chlamydien geht es zwar einigermaßen, der Nachweis anhand von Kotproben ist aber äußerst unzuverlässig. Bei Bedarf kann ich Ihnen den Sachverhalt genauer erklären...

Die Aussage einer bakteri0logischen Untersuchung von Kotproben ist nicht viel besser: einige Bakterien überleben den Transport nicht, man bräuchte ein geeignetes Transportmedium – Kotproben werden aber üblicherweise ohne Transportmedium verschickt, durch Austrocknung sterben aber die meisten Bakterien. Darüber hinaus wirken sich einige Kotbestandteile dahingehend auf die Bakterien aus, daß diese nicht mehr zuverlässig nachgewiesen werden können. Einige moderne Untersuchungsverfahren (z.B. die Immunfluoreszenz) können an Kotproben ebenfalls nicht durchgeführt werden.

Die mykologische Untersuchung wird durch den in Kotproben so gut wie immer vorhandenen Schimmelpilz gestört bis unmöglich gemacht. Einige Schimmelpilze – die bei Tauben keinerlei Bedeutung als Krankheitserreger haben – zeigen eine ähnliche biochemische Aktivität wie der Soorpilz (Candida albicans) und erlauben demnach keine eindeutige Abgrenzung. Der Soorpilznachweis wird so unmöglich – und wird anhand von Kotproben auch von keinem Tierarzt ernsthaft in Erwägung gezogen.

Die Untersuchung von Kotproben ist ein Relikt aus der „guten alten Zeit“ . Die diagnostische Brauchbarkeit ist nicht viel höher als der therapeutische Nutzen vom Aderlaß in vergangenen Epochen — ein bewußt überspitzter Vergleich, um die riesige Kluft zwischen der Untersuchung von Kotproben und der modernen medizinischen Diagnostik zu veranschaulichen.

Blinde Kuren
Bitte lesen Sie meine Antwort vom 27.11.2000 auf die Frage „3-fach Kombimittel“ vom 26.11.2000 aus dem Medizinforum.

Tiberius Mohr
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