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  #1  
Alt 22.04.2002, 16:01
Tiberius Mohr, Tierarzt
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Vitamine

Ich muß mich bei allen Forumteilnehmern entschuldigen. Es sind viele Fragen unbeantwortet geblieben - was normalerweise nicht meine Art ist.
Meine Frau ist sehr krank, die letzten zwei wochen lag sie in der Uniklinik auf der Intensivstation. Vor, nach und zwischen den Sprechstunden bin ich natürlich in die Klinik gefahren... Nun bin ich wieder da und werde alle Fragen möglichst ausführlich beantworten.

Ich bedanke mich für Ihr Verständnis.

Leider habe ich die Übersicht verloren, ich weiß nicht mehr, wer mir die Vitaminfrage gestellt hat - also lege ich die Frage dazu.

Werter Sportfreund Mohr !
In diesem Zusammenhang würde mich interessieren wieviel der für Brieftauben angebotenen Vitaminpräparate denn dann auch tatsächlich dem Vitaminbedarf von Brieftauben entsprechend entwickelt wworden sind. Ich kann nicht glauben, daß sich sonderlich viele Firmen die Mühe machen und speziell für die doch recht wenigen Brieftaubenzüchter ein Vitaminprodukt entwickeln. Überraschend wäre das zumindest schon.


Das ist eine sehr „gefährliche“ Frage: sicherlich stehen schon Vertreter diverser Firmen mit dem Finger an der Tastatur des Telefons, um nach Erscheinen meiner Antwort die Anwälte anzurufen — alles schon mal da gewesen.
Um Ihre Frage zu beantworten, ohne irgend einem Hersteller auf die Füße zu treten (davon hätte keiner etwas) werde ich etwas weiter ausholen müssen; Also Text kopieren, abspeichern und offline lesen.

Nun zum Thema.
Eine genaue Anzahl von Präparaten, die explizit für die Anwendung bei Tauben entwickelt wurden, kann ich Ihnen auch nicht geben – ich habe sie nie gezählt, mich aber vor einigen Jahren etwas intensiver mit dieser Frage beschäftigt. Bei meiner damaligen Recherche kam heraus, daß gar nicht wenige Multivitaminpräparate „für Tauben“ lediglich umetikettierte Produkte sind, die ursprünglich für Hühner, Kaninchen oder anderes „Getier“ entwickelt wurden. Teils hängt diese Entwicklung mit der Geschichte dieser Firmen zusammen, vor allem was die Firmen betrifft, die nach dem Krieg (so bis in die 50er. – Anfang 60er. Jahre) gegründet wurden. Damals wäre sicherlich keiner auf die Idee gekommen, ein Präparat für Tauben zu entwickeln und noch weniger, Geld für die vorausgehende Forschung auszugeben. Gekauft hätte dieses Präparat ohnehin niemand. Der Kleintiermarkt war aber bereits am florieren und mit der regelrecht explosionsartigen Zunahme der Schreber- und Kleingärten sowie der Gründung zahlloser Kleintierzuchtvereine, in denen die Züchter „um die Wette“ alles mögliche (und unmögliche) ausstellen konnten, ist das Umsatzpotential für Futterzusatzmittel rasch in die Höhe geschnellt. Die Umsätze auf dem Taubenmarkt sind hingegen noch ziemlich lange recht bescheiden geblieben. Vielleicht liegt es daran, daß auch „große Züchter“ damals „kleine Menschen“ gewesen sind – es sollte noch über ein Jahrzehnt dauern, bis man allein durch seinen Namen im Brieftaubensport reich werden konnte.
Viele Firmen haben ihre Vitaminprodukte nicht als Arzneimittel zulassen lassen, sondern als Futterzusatzmittel registriert, um die Wirksamkeit bei den einzelnen Tierarten nicht nachweisen zu müssen (die Anforderungen, die mit der Zulassung eines Produktes als Arzneimittel verbunden sind, sind ungleich höher als für Futterzusatzmittel, wo man eigentlich nur die Zusammensetzung angeben muß - und das auch nicht immer vollständig) So konnten vorhandene Präparate einfach umetikettiert und für die Anwendung bei Tauben auf den sich allmählich formierenden Taubenmarkt geworfen werden – keine Kosten für Forschung, Zulassung und Marketing, nach dem olympischen Motte „Dabei sein ist alles“. Mit diesen Produkten haben viele Firmen ihren Fuß in die Tür des Taubenmarktes gestellt. Ein sehr kluger Zug. Wie vorausschauend dieser Zug war, hat sich erst Jahrzehnte später gezeigt, als die umetikettierten Vitamine für Hühner zum Standardpräparat in der Brieftaubenzucht und im Brieftaubensport geworden sind. Sie waren zum Maß geworden, mit dem sich alle nachfolgenden Anbieter vergleichen mußten (und vom Taubenzüchter verglichen wurden). Ich kenne in diesem Zusammenhang eine recht spannende Geschichte, sie aber im Internet zu veröffentlichen kann „ungesund“ sein – daher nur oberflächlich:
Eine Firma, die Futtermittel und Zusatzmittel herstellte, kam auf die Idee, ein Abfallprodukt aus der Herstellung eines Wirkstoffpräparates (auf reiner Naturbasis für Legehennen) irgendwie zu vermarkten – bis dahin wurde es weggeworfen, was damals auch schon viel Geld gekostet hat. Sicherlich wäre es wirtschaftlicher, diesen Müll einfach zu verkaufen, aber niemand wollte ihn haben.
Da es zu damaligen Zeit überhaupt keine Wirkstoff-Bedarfstabellen für Tauben gab, würde es doch keinem auffallen, daß in diesem „Produkt“ so gut wie nichts enthalten ist, was die Tauben irgendwie verwerten können. Also wurde der Abfall mit einem bestimmten Stoff angereichert in die richtige Form gebracht. Das „Wirkstoffpräparat für Tauben“ bekam eine attraktive, bunte Verpackung und wurde auf den Markt gebracht. Zunächst lief es nicht so gut, man überlegte bereits, denn Müll wieder wegzuwerfen. Zufällig ist ein Züchter aus dem Norden Deutschlands mit einer überwältigenden Leistung Deutscher Meister geworden. Der Abstand zwischen der Leistung seiner Tauben und der von den Plätzen 2 und 3 war unglaublich groß. Sofort versuchte ganz Deutschland herauszufinden, worauf diese Leistung begründet liegt – irgend etwas muß dieser Züchter den Tauben geben, damit sie so stark fliegen. Wie die Geschichte weiter geht, kann man sich denken: irgendwann wurde bekannt, daß der Meister das bestimmte Produkt verabreicht. Über Nacht hatte der Hersteller keine finanziellen Sorgen mehr, alle anderen Präparate wurden aus der Leistungspalette gestrichen, um genügend Kapazitäten für die Nachfrage nach diesem Präparat bereitstellen zu können. Nach nicht allzu langer Zeit haben auch andere Firmen ähnliche Präparate auf den Markt gebracht. Das war dann der Beginn der Züchterverdummung, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Seriöse Firmen, die wirklich bedarfsgerechte Wirkstoffpräparate herstellen, haben so ihre Probleme, sich gegen die übermächtige Futterzusatzmittelindustrie durchzusetzen.
Nur noch eine Bemerkung dazu: die Firma gibt es noch, das Präparat auch – in nahezu unveränderter Form...


Nun schreiben wir das Jahr 2002. Die Verhältnisse haben sich radikal geändert. Die Produkte sind aber die alten geblieben, nur daß jetzt die Etiketten bunter sind und der Firmenname gelegentlich das T-Shirt irgend eines „Geerts“ oder die Mütze irgend eines „Klak´s“ schmückt.

Es werden aber auch heute noch Präparate hergestellt, ohne einen einzigen Euro in die Forschung zu stecken. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Wege.
Weg 1: Mit den bereits vorhandenen Anlagen und aus den Rohstoffen die für die Herstellung von Futterzusatzmittel für andere Tierarten erschlossen wurden, werden neue Präparate entwickelt und auf den Markt gebracht. Zum Teil beschäftigen größere Firmen Ernährungsphysiologen und Biochemiker. Deren Aufgabe ist es jedoch in den meisten Fällen nicht ein Präparat zu entwickeln, das für eine bestimmte Leistung oder Anforderung optimiert ist, sondern eine „eierlegende Wollmilchsau“, so eine Art „XX-Frau Mellisengeist“ zu entwickeln. Ein Präparat also, das bei möglichst vielen Tierarten eingesetzt werden kann, ohne Schaden anzurichten. Und wenn es sich einrichten läßt, sollte es gelegentlich auch helfen – gegen oder für was auch immer, von „Kopfschmerzen bis zum Fußpilz“...
So werden auch heute noch Vitaminmischungen angeboten, die angeblich speziell für die Zucht, die Reise, der Jungtieraufzucht und für die Unterstützung der Mauser optimiert sind, in der Hoffnung, daß keinem auffällt, was das für ein Mumpitz da auf dem Etikett steht.

Weg 2: Mittlerweile lohnt es sich in der Pharmaindustrie nur noch für die großen Konzerne, ein Präparat selbst herzustellen und zu vermarkten. Die meisten Firmen (auch im Humanbereich) lassen ihre Produkte von sog. Lohnherstellern anfertigen. Das sind Firmen, die die Kapazitäten besitzen, Arzneimittel und ähnliches herzustellen, aber in der Regel keine eigenen Produkte auf dem Markt haben, sondern ausschließlich Aufträge von anderen Firmen ausführen. In den allermeisten Fällen ist das der weitaus günstigere Weg, ein Präparat herzustellen. Diese Firmen bekommen dann die Rezeptur und liefern das fertige Produkt. In den meisten Fällen wird das Produkt nicht an den Auftraggeber geliefert, sondern an einen Verpackungsunternehmer. Das dann fertig verpackte Produkt kommt über ein Unternehmen, dem der Vertrieb übertragen wurde, auf den Markt. Es ist also durchaus möglich, daß ein Präparat eines bestimmten „Herstellers“ auf den Markt kommt, ohne die Räumlichkeiten dieser Firma auch nur kurz von innen gesehen zu haben. Alle möglichen Unternehmen kassieren natürlich mit: der tatsächliche Hersteller, das Abfüllunternehmen, die Vertriebsfirma, der Großhändler, der Einzelhändler, die Marketingleute die die Verkaufsstrategie entwickelt und die Verpackung und das Etikett entworfen haben. Gelegentlich dürfen sich auch noch andere eine Scheibe abschneiden, z.B. Transportunternehmer. Da einige Firmen aus Kostengründen im benachbarten Ausland herstellen lassen, kommen dazu noch die entsprechenden Zölle und Überführungskosten, schließlich dann noch die Mehrwertsteuer... Wundert sich immer noch jemand darüber, daß der Züchter beispielsweise für ein Präparat, das ausschließlich aus Bierhefe besteht und eigentlich ein Abfallprodukt (im „Wert“ von nicht einmal 20 Cent) ist, 18 EUR zahlen muß?

Nun zurück zu den Präparaten selbst.
Die Tatsache, daß es sich für eine Firma gar nicht mehr lohnt, ein Präparat für eine einzige Tierart herzustellen, spiegelt sich in der Angebotspalette so gut wie jedes Unternehmens wieder: von klein bis groß und sehr groß. Man braucht nur die Zeitschriften „Die Voliere“, „Kanarienfreund“ und die vielen Blätter für Hunde, Katzen, Kaninchen, Pferde und was sonst noch so gezüchtet und gehalten wird durchzulesen, um alle paar Seiten auf bekannte Namen uns Logos zu stoßen. Der Vergleich der Inhaltsstoffe bringt dann den Fachmann zum Schmunzeln... Dem „geprellten“ Züchter wird vermutlich weniger nach Schmunzeln sein, und das durchaus mit Recht! Neulich habe ich ein sehr bekanntes „Taubenpräparat“ in einer Zeitschrift für Terrarienfreunde wiedergefunden und ich muß zugeben, daß auch ich recht überrascht war. Unbeabsichtigt hatte ich durch diesen Zufall vermutlich den Grund für die in den letzten Jahren stark zunehmenden Häutungsstörungen bei Schlangen und Schildkröten gefunden, die allesamt auf ein Überangebot von Vitamin A zurückzuführen waren. Das Präparat ist durch den ungewöhnlich hohen Anteil an Vitamin A – bei Reptilien das „Problemvitamin“ überhaupt für Reptilien absolut contraindiziert!. Im Nachhinein konnten mir viele Reptilienhalter bestätigen, daß unmittelbar bevor die Häutungsstörungen aufgetreten sind, dieses Präparat eingesetzt wurde. So klein kann die Welt manchmal sein...

Tiberius Mor














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  #2  
Alt 24.04.2002, 09:12
Filz
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard RE: Vitamine

Hallo Herr Mohr,

ich weiß, daß Sie mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg halten und das ist auch richtig so, nur leider was bringt es bei vielen unserer Züchterschaft. Wie sie in Ihrem Beitrag bemerkten, hat ein Züchter mit irgendsoeinem Mittel gut gereist, und prompt springen die anderen drauf, das ist übrigens auch fast immer die erste Frage wenn man gut geflogen hat, was hast du gegeben!!!. Ich erinnere da nur an die Prange-Suppe, die hat es schon vor 20 Jahren gegeben nur nicht unter diesem Namen, Erfolg auch damals zweifelhaft, nur weil einmal einer gut gereist hat und es gegeben hat wollen es die anderen auch, koste es was es wolle, sollen Sie doch Ihre Naivität bezahlen. Seriöse Hersteller von Zusatzstoffen wie, hier muß ich jetzt doch mal einen Namen nennen, (ich werde nicht von denen bezahlt) Chevita, habe dann ihre Liebe not, Ihre Produkte abzusetzen, da ja die Herstellkosten wesentlich höher sind als die von unseriösen Bauchladenverkäufern, die irgend ein Fläschchen mit dunklem Etikett vertreiben. In letzter Zeit werden sowieso wieder MIttel wie Altabactine oder sonstige Antibiotika, anscheinend aus Holland importiert, angeboten, die weder eine Angabe über Inhaltsstoffe noch Herstellerangaben enthalten. Soll ich wirklich sowas meinen Tauben geben???. (Herr Mohr ich habe ihnen ja diesbezüglich etwas gefaxt, was als Alternative zu Baytril auf dem Markt geworfen wird, aus Holland nur wesentlich günstiger) Wie ich in einigen meiner vorherigen Berichte immer wieder angeprangert habe, ist die Züchterschaft zu naiv und gutgläubig und in keinster Weise kritisch und mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen (siehe nur den Bericht über die Futtersäcke 20 oder 25 KG Es war ja immer so)Die hüpfen einfach drauf, weil es neu ist oder weil irgendein Züchter mal gut damit gereist hat, obwohl es vor allem an der guten Taube hängt und nicht an irgendeinem Mittel. Es kommt mir immer so vor als wenn nach der Reisesaison der Computer im Kopf eines Taubenzüchters ausgeschaltet wird und zum Beginn der kommenden Reise wieder eingeschaltet, man sieht es auch immer wieder im Forum, Fragen bezüglich Medikamenten und vor allem die Trichos kommen jedes Jahr wieder aufs neue und immer wieder die selbe Laier. Ich bin auch bemüht immer objektiv zu bleiben und etwas zur Aufklärung an die Züchter weiterzugeben, aber für was, wenn es die Leute im nächsten Jahr wieder vergessen haben.
Laßt das Geld lieber eurer Familie und euren Tauben zukommen in Form von hochwertigem Futter, ehe ihr es einem windigen Verkäufer für irgendein Mittel in den Rachen werft. Eure Tauben werden es euch danken.

Roland Filz
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  #3  
Alt 25.02.2012, 11:53
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haluter haluter ist offline
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Registriert seit: 14.12.2010
Ort: Bochum-Wattenscheid
Beiträge: 3.426
Standard Ein alter beitrag von T-Mohr.

Nun zum Thema.
Eine genaue Anzahl von Präparaten, die explizit für die Anwendung bei Tauben entwickelt wurden, kann ich Ihnen auch nicht geben – ich habe sie nie gezählt, mich aber vor einigen Jahren etwas intensiver mit dieser Frage beschäftigt. Bei meiner damaligen Recherche kam heraus, daß gar nicht wenige Multivitaminpräparate „für Tauben“ lediglich umetikettierte Produkte sind, die ursprünglich für Hühner, Kaninchen oder anderes „Getier“ entwickelt wurden. Teils hängt diese Entwicklung mit der Geschichte dieser Firmen zusammen, vor allem was die Firmen betrifft, die nach dem Krieg (so bis in die 50er. – Anfang 60er. Jahre) gegründet wurden. Damals wäre sicherlich keiner auf die Idee gekommen, ein Präparat für Tauben zu entwickeln und noch weniger, Geld für die vorausgehende Forschung auszugeben. Gekauft hätte dieses Präparat ohnehin niemand. Der Kleintiermarkt war aber bereits am florieren und mit der regelrecht explosionsartigen Zunahme der Schreber- und Kleingärten sowie der Gründung zahlloser Kleintierzuchtvereine, in denen die Züchter „um die Wette“ alles mögliche (und unmögliche) ausstellen konnten, ist das Umsatzpotential für Futterzusatzmittel rasch in die Höhe geschnellt. Die Umsätze auf dem Taubenmarkt sind hingegen noch ziemlich lange recht bescheiden geblieben. Vielleicht liegt es daran, daß auch „große Züchter“ damals „kleine Menschen“ gewesen sind – es sollte noch über ein Jahrzehnt dauern, bis man allein durch seinen Namen im Brieftaubensport reich werden konnte.
Viele Firmen haben ihre Vitaminprodukte nicht als Arzneimittel zulassen lassen, sondern als Futterzusatzmittel registriert, um die Wirksamkeit bei den einzelnen Tierarten nicht nachweisen zu müssen (die Anforderungen, die mit der Zulassung eines Produktes als Arzneimittel verbunden sind, sind ungleich höher als für Futterzusatzmittel, wo man eigentlich nur die Zusammensetzung angeben muß - und das auch nicht immer vollständig) So konnten vorhandene Präparate einfach umetikettiert und für die Anwendung bei Tauben auf den sich allmählich formierenden Taubenmarkt geworfen werden – keine Kosten für Forschung, Zulassung und Marketing, nach dem olympischen Motte „Dabei sein ist alles“. Mit diesen Produkten haben viele Firmen ihren Fuß in die Tür des Taubenmarktes gestellt. Ein sehr kluger Zug. Wie vorausschauend dieser Zug war, hat sich erst Jahrzehnte später gezeigt, als die umetikettierten Vitamine für Hühner zum Standardpräparat in der Brieftaubenzucht und im Brieftaubensport geworden sind. Sie waren zum Maß geworden, mit dem sich alle nachfolgenden Anbieter vergleichen mußten (und vom Taubenzüchter verglichen wurden). Ich kenne in diesem Zusammenhang eine recht spannende Geschichte, sie aber im Internet zu veröffentlichen kann „ungesund“ sein – daher nur oberflächlich:
Eine Firma, die Futtermittel und Zusatzmittel herstellte, kam auf die Idee, ein Abfallprodukt aus der Herstellung eines Wirkstoffpräparates (auf reiner Naturbasis für Legehennen) irgendwie zu vermarkten – bis dahin wurde es weggeworfen, was damals auch schon viel Geld gekostet hat. Sicherlich wäre es wirtschaftlicher, diesen Müll einfach zu verkaufen, aber niemand wollte ihn haben.
Da es zu damaligen Zeit überhaupt keine Wirkstoff-Bedarfstabellen für Tauben gab, würde es doch keinem auffallen, daß in diesem „Produkt“ so gut wie nichts enthalten ist, was die Tauben irgendwie verwerten können. Also wurde der Abfall mit einem bestimmten Stoff angereichert in die richtige Form gebracht. Das „Wirkstoffpräparat für Tauben“ bekam eine attraktive, bunte Verpackung und wurde auf den Markt gebracht. Zunächst lief es nicht so gut, man überlegte bereits, denn Müll wieder wegzuwerfen. Zufällig ist ein Züchter aus dem Norden Deutschlands mit einer überwältigenden Leistung Deutscher Meister geworden. Der Abstand zwischen der Leistung seiner Tauben und der von den Plätzen 2 und 3 war unglaublich groß. Sofort versuchte ganz Deutschland herauszufinden, worauf diese Leistung begründet liegt – irgend etwas muß dieser Züchter den Tauben geben, damit sie so stark fliegen. Wie die Geschichte weiter geht, kann man sich denken: irgendwann wurde bekannt, daß der Meister das bestimmte Produkt verabreicht. Über Nacht hatte der Hersteller keine finanziellen Sorgen mehr, alle anderen Präparate wurden aus der Leistungspalette gestrichen, um genügend Kapazitäten für die Nachfrage nach diesem Präparat bereitstellen zu können. Nach nicht allzu langer Zeit haben auch andere Firmen ähnliche Präparate auf den Markt gebracht. Das war dann der Beginn der Züchterverdummung, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Seriöse Firmen, die wirklich bedarfsgerechte Wirkstoffpräparate herstellen, haben so ihre Probleme, sich gegen die übermächtige Futterzusatzmittelindustrie durchzusetzen.
Nur noch eine Bemerkung dazu: die Firma gibt es noch, das Präparat auch – in nahezu unveränderter Form...


Nun schreiben wir das Jahr 2002. Die Verhältnisse haben sich radikal geändert. Die Produkte sind aber die alten geblieben, nur daß jetzt die Etiketten bunter sind und der Firmenname gelegentlich das T-Shirt irgend eines „Geerts“ oder die Mütze irgend eines „Klak´s“ schmückt.

Es werden aber auch heute noch Präparate hergestellt, ohne einen einzigen Euro in die Forschung zu stecken. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Wege.
Weg 1: Mit den bereits vorhandenen Anlagen und aus den Rohstoffen die für die Herstellung von Futterzusatzmittel für andere Tierarten erschlossen wurden, werden neue Präparate entwickelt und auf den Markt gebracht. Zum Teil beschäftigen größere Firmen Ernährungsphysiologen und Biochemiker. Deren Aufgabe ist es jedoch in den meisten Fällen nicht ein Präparat zu entwickeln, das für eine bestimmte Leistung oder Anforderung optimiert ist, sondern eine „eierlegende Wollmilchsau“, so eine Art „XX-Frau Mellisengeist“ zu entwickeln. Ein Präparat also, das bei möglichst vielen Tierarten eingesetzt werden kann, ohne Schaden anzurichten. Und wenn es sich einrichten läßt, sollte es gelegentlich auch helfen – gegen oder für was auch immer, von „Kopfschmerzen bis zum Fußpilz“...
So werden auch heute noch Vitaminmischungen angeboten, die angeblich speziell für die Zucht, die Reise, der Jungtieraufzucht und für die Unterstützung der Mauser optimiert sind, in der Hoffnung, daß keinem auffällt, was das für ein Mumpitz da auf dem Etikett steht.

Weg 2: Mittlerweile lohnt es sich in der Pharmaindustrie nur noch für die großen Konzerne, ein Präparat selbst herzustellen und zu vermarkten. Die meisten Firmen (auch im Humanbereich) lassen ihre Produkte von sog. Lohnherstellern anfertigen. Das sind Firmen, die die Kapazitäten besitzen, Arzneimittel und ähnliches herzustellen, aber in der Regel keine eigenen Produkte auf dem Markt haben, sondern ausschließlich Aufträge von anderen Firmen ausführen. In den allermeisten Fällen ist das der weitaus günstigere Weg, ein Präparat herzustellen. Diese Firmen bekommen dann die Rezeptur und liefern das fertige Produkt. In den meisten Fällen wird das Produkt nicht an den Auftraggeber geliefert, sondern an einen Verpackungsunternehmer. Das dann fertig verpackte Produkt kommt über ein Unternehmen, dem der Vertrieb übertragen wurde, auf den Markt. Es ist also durchaus möglich, daß ein Präparat eines bestimmten „Herstellers“ auf den Markt kommt, ohne die Räumlichkeiten dieser Firma auch nur kurz von innen gesehen zu haben. Alle möglichen Unternehmen kassieren natürlich mit: der tatsächliche Hersteller, das Abfüllunternehmen, die Vertriebsfirma, der Großhändler, der Einzelhändler, die Marketingleute die die Verkaufsstrategie entwickelt und die Verpackung und das Etikett entworfen haben. Gelegentlich dürfen sich auch noch andere eine Scheibe abschneiden, z.B. Transportunternehmer. Da einige Firmen aus Kostengründen im benachbarten Ausland herstellen lassen, kommen dazu noch die entsprechenden Zölle und Überführungskosten, schließlich dann noch die Mehrwertsteuer... Wundert sich immer noch jemand darüber, daß der Züchter beispielsweise für ein Präparat, das ausschließlich aus Bierhefe besteht und eigentlich ein Abfallprodukt (im „Wert“ von nicht einmal 20 Cent) ist, 18 EUR zahlen muß?

Nun zurück zu den Präparaten selbst.
Die Tatsache, daß es sich für eine Firma gar nicht mehr lohnt, ein Präparat für eine einzige Tierart herzustellen, spiegelt sich in der Angebotspalette so gut wie jedes Unternehmens wieder: von klein bis groß und sehr groß. Man braucht nur die Zeitschriften „Die Voliere“, „Kanarienfreund“ und die vielen Blätter für Hunde, Katzen, Kaninchen, Pferde und was sonst noch so gezüchtet und gehalten wird durchzulesen, um alle paar Seiten auf bekannte Namen uns Logos zu stoßen. Der Vergleich der Inhaltsstoffe bringt dann den Fachmann zum Schmunzeln... Dem „geprellten“ Züchter wird vermutlich weniger nach Schmunzeln sein, und das durchaus mit Recht! Neulich habe ich ein sehr bekanntes „Taubenpräparat“ in einer Zeitschrift für Terrarienfreunde wiedergefunden und ich muß zugeben, daß auch ich recht überrascht war. Unbeabsichtigt hatte ich durch diesen Zufall vermutlich den Grund für die in den letzten Jahren stark zunehmenden Häutungsstörungen bei Schlangen und Schildkröten gefunden, die allesamt auf ein Überangebot von Vitamin A zurückzuführen waren. Das Präparat ist durch den ungewöhnlich hohen Anteil an Vitamin A – bei Reptilien das „Problemvitamin“ überhaupt für Reptilien absolut contraindiziert!. Im Nachhinein konnten mir viele Reptilienhalter bestätigen, daß unmittelbar bevor die Häutungsstörungen aufgetreten sind, dieses Präparat eingesetzt wurde. So klein kann die Welt manchmal sein...

Tiberius Mor[/quote] MfG Haluter.
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Zum Reichtum führen viele Wege. Und die meisten sind Schmutzig" Marcus Tullius Cicero ( 106-43 v. Chr).
" Die Strafe zähmt den Menschen, macht ihn aber nicht besser" Friedrich Wilhelm Nietzsche
(1844-1900), deutscher Philosoph.

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