Dopingfall wirft viele Fragen auf
Tierarzt René Becker über die medizinische
Vorsorge

Tierarzt René Becker |
Nun ist es amtlich: Der deutsche Brieftaubensport hat seinen ersten
offiziell nachgewiesenen Dopingfall. Im Ruhrgebiet wurde ein Züchter des
Einsatzes eines auf der Dopingliste stehenden Mittels bei den Jungtauben
überführt. Mit diesem positiven Nachweis tauchen eine Vielzahl von
Fragen auf, deren Beantwortung nicht einfach ist.
Vorrangig wird in dem bereits eröffneten Verfahren vor dem
Verbandsehrengericht zu klären sein, ob die Entnahme der notwendigen
Proben vorschriftsmäßig nach der geltenden Dopingverordnung durchgeführt
wurde. Hinzu kommt, ob der Einsatz von Seiten des Züchters unter voller
Kenntnis dessen, was eingesetzt wurde, erfolgte oder ob der Züchter
„fahrlässig handelte“.
Wie auch immer – Fakt bleibt: Mit dem Wirkstoff Dexamethosan wurde
eine hochwirksame Dopingsubstanz in der Kotprobe gefunden. Nach der
aktuellen Sachlage und heutigem Kenntnisstand wurde dabei ein Präparat
eingesetzt, das aus unseren westlichen Nachbarländern stammt. Wie
häufig, fehlte offenbar eine eindeutige Kennzeichnung und Deklaration.
Vermutlich wurde in dem Glauben „irgendetwas Gutes für die Atemwege“ zu
tun, unkritisch dieses in Deutschland nicht zugelassene und somit
gesetzlich illegale Medikament eingesetzt.
In der Mehrzahl enthalten diese „no name-Präparate“ aus Holland oder
Belgien vermutlich gar keine verbotenen Substanzen im Sinne der
Dopingliste, sondern basieren lediglich auf einen Antibiotika-Mix unter
Zugabe von Ronidazol. Leider ist – genauso wie die Verpackung und
Deklaration – die Qualität häufig sehr schlecht; abgesehen von der
Illegalität dieser Arzneimittel sowohl in Deutschland als auch in
Holland oder Belgien.
Wie der aktuelle Fall belegt, gibt es skrupellose Händler, die beim
Herstellen dieser Produkte keine Hemmungen haben, nach der Dopingliste
verbotene Substanzen in ihre Produkte zu mischen, um damit vermeintlich
die Erfolgsquote zu steigern. Es ist davon ausgehen, dass derlei
Produkte in großer Zahl im Umlauf sind und viele Sportfreunde meist
unbewusst „dopen“. Gleichwohl: Jeder Züchter, der diese meist
unbeschrifteten – oft als Wundermittel angepriesenen – Präparate
einsetzt, muss sich bewusst sein, dass u. U. neben der ohnehin
vorhandenen Illegalität eben darin verbotene Substanzen enthalten sein
können. Selbst in diesen Fällen schützt Unwissenheit vor Strafe nicht.
Die daraus abzuleitende Lehre ist eindeutig: Hände weg von Präparaten
unbekannter Herkunft mit unbekanntem Inhalt. Beschränken Sie sich auf
zugelassene Medikamente und Präparate, die Ihnen der Tierarzt Ihres
Vertrauens verschreiben wird.
Kein Züchter benötigt, um Deutscher Meister zu werden, geheimnisvolle
Fläschchen aus den Nachbarländern ohne Aufschrift. Lösen Sie sich von
der Illusion, dass es im Ausland irgendetwas zur Gesunderhaltung gibt,
was man in Deutschland nicht kennt. Für jede Indikation und Behandlung
stehen qualitativ hochwertige und zugelassene Produkte zur Verfügung,
bei deren Einsatz Sie nicht Gefahr laufen, den legalen Weg zu verlassen.
Leider gibt es Züchter, die in voller Kenntnis verbotene Präparate
der Dopingliste, z. B. in Form von cortisonhaltigen Augentropfen
einsetzen. Es muss im Interesse der gesamten Züchterschaft liegen, diese
illegalen Machenschaften aufzudecken und zu unterbinden. Die
Öffentlichkeit steht unserem Sport ohnehin vermehrt kritisch gegenüber.
Sollten sich Dopingfälle künftig häufen, wird das Ansehen des
Brieftaubensportes in der Öffentlichkeit ins Bodenlose sinken.
Die Zuchtperiode ist auf den meisten Schlägen in vollem Gange. Mit
der Ablage der ersten Eier treten meist die befürchteten Probleme auf.
Unbefruchtete Eier in großer Zahl sind ein Ungemach, vor dem sich viele
Züchter fürchten. Für das vermehrte Auftreten von unbefruchteten Eiern
gibt es zahlreiche Gründe. Zum einem kann die Temperatur eine Rolle
spielen, was allerdings angesichts der Witterungsverhältnisse in diesem
Jahr nahezu ausgeschlossen sein dürfte.
Oder der Impftermin wurde zu nahe an die Anpaarung gelegt: Speziell
bei der Salmonelloseimpfung sollte ein Mindestabstand von vier Wochen
bis zur Anpaarung eingehalten werden. Bei der Paramyxovirose-Impfung
empfiehlt der Hersteller ebenfalls einen Abstand von vier Wochen.
Mangelhafte Vorbereitung kann ebenfalls einen Einfluss auf den Zeitpunkt
des Legens haben und vielleicht die Fruchtbarkeitsrate negativ
beeinflussen; selbstverständlich ist die Qualität der Eier von der
Vorbereitung der Zuchttiere abhängig.
Zur gezielten Vorbereitung gehört ein entsprechendes Lichtmanagement,
das heißt: Eine Verlängerung des Tages herbeizuführen, um die
Hormonproduktion sowohl im Vogel als auch im Weibchen anzukurbeln und
somit die Heranreifung von Follikeln und Bildung von Spermien zu
forcieren. Vitaminpräparate mit natürlichem Vitamin E (Alfa-vitam)
optimieren die Vorbereitung.
Bestimmte Infektionen können die Zuchtergebnisse negativ
beeinflussen. Zu starker Befall mit Trichomonaden, Kokzidien oder evtl.
Würmern beeinträchtigt erheblich die generelle Fitness und
verschlechtert die Befruchtungsrate. Gibt es viele unbefruchtete Eier
oder Embryonen, die im Ei absterben und sterben kleine Junge im
Beringungsalter im Nest, müssen alle Alarmglocken schrillen. In diesen
Fällen kann eine Salmonellose verantwortlich sein und es ist dringend
ein Tierarzt aufzusuchen, um schnellstens geeignete Maßnahmen
einzuleiten. Nur bei schnellem Eingreifen kann das Zuchtjahr unter
Umständen noch gerettet werden.
Handelt es sich um einzelne Paare, speziell mit einem älteren
Partner, liegt meist ein hormonelles Problem bei einem der Tiere vor.
Werden von der Täubin einwandfreie Eier abgelegt, ist es in den meisten
Fällen der Vogel verantwortlich. Bei alten Tauben ist meist ein
Nachlassen der Hormonaktivität verantwortlich. Ihr spezialisierter
Tierarzt kann nach einer Untersuchung eine entsprechende Hormontherapie
verschreiben, die die Chance auf ein nochmaliges Befruchten eröffnet.
René Becker, prakt. Tierarzt
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