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Alt 22.06.2009, 22:33
Dennis Dennis ist offline
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Hallo Sportfreunde,

dass es sich bei der Jungtaubenkrankheit wie von Franz-Josef und Roland bechrieben um eine Faktorenkrankheit handelt, ist schon seit Jahren generell anerkannt und ich denke auch den allermeisten Züchtern mittlerweile bekannt. Die infektiösen Faktoren, also die beteiligten Erreger, sind nach heutigem Kenntnisstand vor allem Circoviren, E. coli, Hexamiten. Weitere Erreger können hinzu kommen und mglw. ebenfalls eine Rolle spielen. Ich persönlich würde in diesem Zusammenhang vor allem noch die Trichomonaden nennen, da sie zum einen zur JTK erschwerend hinzu kommen können, zum anderen aber unter Umständen selbst eine Erkrankungen bei Jungtauben verursachen können, deren Symptome (Erbrechen, Abmagerung) einer leichten Form der JTK ähneln und vom Züchter häufig mit dieser verwechselt werden.
Das Tauben-Circovirus (PiCV) ist bei unseren Brieftauben so weit verbreitet, dass es für daran forschende Kollegen fast unmöglich ist, PiCV-freie Bestände zu finden. Auch E. coli findet man in jedem Schlag - wobei man hier einschränkend sagen muss, dass meines Wissens noch keine Informationen darüber vorliegen, ob jeder x-beliebige E. coli-Stamm an der JTK beteiligt sein kann, oder ob dies auf Stämme mit bestimmten Eigenschaften beschränkt ist, die möglicherweise weniger weit verbreitet sind. Trichomonanden und Hexamiten sind ebenfalls weit verbreitet, ebenso wie die meisten anderen Erreger, die gelegentlich als potentielle "Mittäter" diskutiert werden. Es ist also meiner Meinung nach davon auszugehen, dass der größte Teil der Jungtauben-Bestände mit diesen Erregern durchseucht ist bzw. spätestens damit in Berührung kommt, wenn die Jungtauben beim ersten Vorflug mit denen anderer Schläge im Kabi zusammen kommen.
Wenn also Züchter berichten, sie hätten die Erreger der JTK auf ihrem Schlag und würden sie nicht mehr los, so ist das zweifelsohne mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig, erklärt aber alleine noch nicht den wiederholten Ausbruch der Erkrankung. Denn auch auf den größten Teil aller anderen Schläge trifft dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu (spätestens nach dem ersten Vorflug), ohne dass es zwangsläufig überall zu einer Erkrankung kommt.

Zusätzlich zum Vorhandensein der Erreger müssen zum Ausbruch der Erkrankung noch weitere, nicht-infektiöse Belastungsfaktoren vorliegen, von denen die meisten hier schon genannt wurden: Hitze, Stress, mangelhafte Schlagverhältnisse etc. Auch das Alter der Tauben spielt eine nicht unwichtige Rolle.
Somit ist es nicht ungewöhnlich, dass abgegebene Tauben desselben Schlages auf dem einen Schlag erkranken, während sie auf dem anderen gesund bleiben, obwohl davon auszugehen ist, dass sie auf beiden Schlägen mit den potentiellen Erregern früher oder später in Kontakt kommen.

Was das Thema "Jungtaubenkrankheit" bei Alttauben angeht, ist mir nicht klar, inwiefern es bei den berichteten Fällen lediglich um Symptome handelt, die denen der Jungtaubenkrankheit ähneln, oder ob tatsächlich weitergehende Untersuchungen durchgeführt wurden, bei denen auch weitere auf "JTK" hindeutende Befunde diagnostiziert wurden - z.B. feingewebliche (histologische) Veränderungen, Erregernachweis - so dass man tatsächlich von einer gemeinsamen Ursache mit der JTK ausgehen kann unc nicht nur von einem relativ ähnlichen Krankheitsbild mit einer völlig anderen Ursache. Die Berichte, die ich bisher zu dem Thema gehört oder gelesen habe, gaben zu dieser entscheidenden Frage kaum Informationen. (Wer dazu detailiertere Infos hat, bitte her damit, sowas interessiert mich immer brennend !)
Solange solche Fragen nicht geklärt sind, sollte man mit der Diagnose "JTK bei Alttauben" und eventuellen Schlußfolgerungen daraus für die JTK bei Jungtauben vorsichtig sein.

Die konsequente Auslese von Tieren, die schnell gesundheitliche Probleme bekommen, ist sicherlich ein wichtiger Schritt für einen gesunden Jungtaubenbestand. Man sollte aber nicht der Illusion verfallen, dass dies innerhalb weniger Jahre oder auch nur binnen weniger Generationen zu einem Bestand führt, der komplett resistent gegen die JTK oder andere Krankheiten ist. Wie kompliziert das Thema genetische Resistenz ist, habe ich vor kurzem in einem Beitrag zu PMV erläutert, bei Interesse im Archiv suchen.

Da man die Erreger also nicht aus seinem Bestand heraus halten kann, völlig resistente Bestände ein unrealistisches Ziel sind und ein wirksamer Impfstoff derzeit nicht absehbar ist, kann der beste Weg mit der JTK umzugehen meiner Meinung nach nur über die Reduktion der belastenden Faktoren führen. Das heißt z.B. Stressfaktoren wie Impfungen und Trainingsflüge so zu legen, dass sie möglichst nicht miteinander oder mit großer Hitze etc. zusammentreffen. Neben einer optimalen Versorgung (eine Eiweiß-ärmere und Rohfaser-reichere Fütterung soll dabei vorteilhaft sein) gehört dazu natürlich vor allem auch ein gutes Schlagklima. Hier ist aber Vorsicht geboten, denn eine zu große Hygiene stellt meiner Meinung nach das Risiko dar, dass die Jungtauben nicht in ausreichendem Maße eine Immunität gegen allgegenwärtige Erreger aufbauen können, mit denen sie spätestens bei den ersten Vorflügen in Kontakt kommen. Meiner Erfahrung nach trifft es die Schläge, die bei den Jungtauben diesen Weg der größt-möglichen Hygiene gehen, bei den Vorflügen (die ja zudem noch mit großem Stress und oft mit Hitze verbunden sind) umso härter.
(Das soll aber jetzt nicht dazu führen, dass die Schläge verlottern müssen. Trockenheit und gute Luft müssen wie von Werner beschrieben, gewährleistet sein !)

Aus diesem Grund sehe ich auch den von mehreren Züchtern hier vorgeschlagenen Weg, dem Problem durch Zusatz von anti-mikrobiellen Mitteln zum Trinkwasser zu begegnen, recht kritisch (egal um welches der genannten Produkte es sich dabei handelt). Meine Befürchtung ist, dass diese Schläge bei den Vorflügen ein ähnliches Schicksal treffen wird, wie oben beschrieben, da auch das Immunsystem ihrer Tauben nicht ausreichend auf das vorbereitet ist, was sie im Korb erwartet.
Ich habe im letzten Jahr diese Erfahrung gemacht, als wir bei unseren Jungtauben das Trinkwasser vom Absetzen an angesäuert haben. Der Grund dafür war ein vom Jungtierschlag gereistes Weibchen, dass sich nicht über der Tränke bei den Jungtieren mit Trichomonaden anstecken sollte.
Nach den ersten Vorflügen traf uns die JTK in einer Heftigkeit, wie ich sie auf unserem eigenen Schlag noch nie beobachten musste. Davor war die Situation bei uns mehrere Jahre lang ähnlich wie von Roland beschrieben, dass nur einzelne Jungtiere leichte Ausprägungen einer möglichen JTK zeigten.
Hierzu muss ich einschränkend sagen, dass eine einzige Beobachtung dieser Art natürlich noch längst nicht beweisend dafür ist, dass meine Annahme auch richtig ist. Es wäre interessant zu erfahren, ob andere Züchter ähnliche Erfahrungen gemacht haben (oder in diesem Jahr mit den beschriebenen Methoden noch machen werden).
Während der Reisesaison halte ich die Trinkwasseransäuerung nach wie vor für eine sinnvolle Methode zur Bekämpfung der Trichomonaden-Übertragung.

Für alle, die sich durch diesen Elend langen Beitrag gequält haben, und die Hälfte schon wieder vergessen haben, ;-) nochmal zusammenfassend:
  • die JTK ist eine Faktorenkrankheit
  • die infektiösen Faktoren sind weit verbreitet, so dass kein Bestand sicher vor ihnen geschützt werden kann
  • der Ausbruch der Erkrankung wird entscheiden von Nicht-infektiösen Faktoren mitbestimmt. Diese können zum Teil beeinflusst werden und hierin sehe ich die größten Möglichkeiten, die Auswirkungen der JTK zu reduzieren
  • da eine Abschirmung gegen die Erreger nicht möglich ist, müssen die Jungtauben die Gelegenheit bekommen, eine möglichst gute Immunität gegen sie aufzubauen
  • den (Dauer-)Einsatz anti-mikrobieller Mittel als Ersatz für eine Bekämpfung der Belastungsfaktoren halte ich für den falschen Weg, sie taugen allenfalls als Notlösung, wenn Faktoren nicht erkannt und/oder beseitigt werden können. Sie sind meiner Meinung nach mit dem Risiko
behaftet, dass den Tauben dadurch die Möglichkeit des Aufbaus der Immunität genommen wird.
Da zur JTK noch viele Fragen offen sind, ist meine Meinung dazu nicht in Stein gemeißelt, sondern wird sich mit Sicherheit mit dem Bekanntwerden neuer Erkenntnisse und mit den eigenen Erfahrungen sicher noch ändern. Das nur als Hinweis.

Zufrieden, Werner ?!

Gruß,
Werner
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