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Alt 31.03.2010, 09:47
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Zitat von Jörch Beitrag anzeigen
...wie genau haben denn die Gebr. Janssen gezüchtet?
Inzucht und dann strenge Auslese?
Vielleicht, wenn Du mal Lust und Zeit hast, kannst Du den Zuchtweg der Gebr. Janssen aufzeigen. Das ist bestimmt nicht einfach denke ich mir.
Waren die Gebr. Janssen die besten Züchter? Kann man das "nachmachen"?
Der Zuchtweg der Janssens ist simpel! Ihn nachzumachen jedoch nicht, denn er erfordert sehr gute Beobachtungsgabe, eine sehr gute Kenntnis seiner Taubenfamilie, das beste Ausgangsmaterial, was du bekommen kannst (ohne das wären sie wohl gescheitert!), und vor allem eiserne Disziplin in Bezug auf Konsequenz!

Für die Gebr. kam ev. nach dem Krieg vereinfachend hinzu, dass viele der Tauben ja eh jährlich den Schlag für Geld verließen. Somit also eine relativ hohe Zuchtrate eine hohen Selektionsgrenze erlaubte (meint die Höhe der Anforderungen, die an die verbleibenden Tauben gestellt werden), denn die Tauben verkauften sich ja gut!

Sie züchteten oft in einer weitläufigen Inzucht weiter, was tw. auch im Bereich Neffe x Cousin lag (oft über Halbgeschwister), aber auch schonmal Vater x Tochter sein konnte.
Sie wählten die engste Inzucht nur bei ihren absoluten Top-Tieren.

Die mittlere Inzuchtsteigerung für die Stammbäume die ich mir angeschaut habe (grob 100) lag aber bis in die 1970er Jahre pro Generation oft eher nur im Bereich 1-5% (um die Zahl zu verstehen muß man den Begriff Inzuchtkoeffizient verstehen, siehe z.B. mein Blog).

Somit war die Inzuchtsteigerung bei den Janssens sehr lange Zeit von einer Generation zur nächsten moderat genug, um den auftretenden negativen Effekten mit sehr konsequenter Auslese zu begegnen.

Einzelne Spitzentiere waren trotz eines sehr hohen Inzuchtgrades (meint Inzuchtkoeffizient) von über 40% immer noch sehr leistungsfähig (z.B. der Jonge Merckx). Und das ist sehr sehr bemerkenswert! Denn nicht selten merkt man Inzuchtdepressionserscheinungen auch schon bei Inzuchtkoeffizienten von 5-10%.

Über 40% entspricht einer etwa Verpaarung von Vater x (Vater x (Vater x Tochter) ).
Die Klammern sind die Generationen. Probiert das mal auf eurem Schlag, und sucht unter diesem Nachwuchs noch Spitzentauben. Es wird kaum gehen! Die Janssens zogen die "Daumenschraube" der Inzucht über 40 Jahre langsam an, so dass die Generationsweise leichte Verschlechterung immer noch durch Auslese nahezu beseitigt werden konnte. Was die Janssens machten braucht also auch einige Zeit, oder viel Platz und Glück!


Am allerwichtigsten war also die konsequente Selektion auf die eigenen Zuchtziele (die man IMMER klar vor Augen haben sollte), und eine sinnvolle Erhebung der Daten für die Bewertung der Tauben in Bezug auf ihre Zuchtziele:

Konkret: Sie setzten nur Tauben bei Flügen ein, die witterungsmäßig und entfernungsmäßig zu ihrem Zuchtziel (hohe Sprintgeschwindigkeit bei direktem Weg nach Hause) passten. Somit vermieden Sie so gut es ging Zufallsgrößen, die die Interpretation der Flugergebnisse hätten erschweren können (ungewohnte Witterung, ungewohnte Entfernung,...).

Die Ergebnisse einer "guten" Taube werden dadurch reproduzierbarer. Die Aussage für die Selektion wird somit statistisch evidenter. Dass die Gebr. über so etwas je nachgedacht haben ist stark zu bezweifeln. Sie haben als Naturbegabung instinktiv das absolut Richtige gemacht.

Zudem waren sie auch clever genug es richtig zu machen (auch das gehört wohl dazu)!



Auf die Grundlagen, die hinter meinem Posting #3 stehen möchte ich nun aber nicht weiter eingehen. Es könnte ein Buch werden.
Aber ganz im ernst, (auch wenn es ev. etwas großkotzing klingen mag):
Posting #3 ist inhaltlich eines der gehaltvollsten Postings, das ich in diesem Board wohl bisher zur Zucht gemacht habe. Wer sich in das Thema so einliest, dass er das Posting #3 (incl Korrektur #5, excl. Rechtschreib- und Grammatikfehler) vollends versteht, wird sehr viel über die Zucht gelernt haben, was auf dem eigenen Schlage enorm hilft, die zu einem selbst passende Zuchtstrategie zu finden. Aber es erfordert den Willen zu selbständigem Denken.

Denn die ideale Zuchtstrategie hängt nämlich von vielen Faktoren ab wie: Wie schnell soll der Erfolg kommen? Macht mir die Zucht mehr Freude oder der Reiseerfolg? Wie groß kann/soll der Bestand sein? Ist man in der Lage (emotional oder willentlich) konsequent zu selektieren?...



Grüße
Meinolf
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