Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 11.04.2009, 08:02
Nurzugucken
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Die neue "Sau" im Dorf?

Hallo,
man kennt das, alle paar Jahre wird eine neue Sau durch das Dorf der Taubenzüchter getrieben. Ein aktuelles Thema, das durch ständige Widerholung bald darauf in jeder Munde ist, und somit schnell zum allgemeinen "Wissen" gehört.
Eine für mich bis heute sehr gelungene "Sau" waren die Schiefflieger. Als ich in den 90er beruflich bedingt "taubenlos" wurde, flog noch keine Taube schief. Ok esgab mal die eine oder andere Verletzte zu Beginn einer Saison.

Als ich 2006 wieder anfing schien eine neue Seuche die Taubenwelt heimzusuchen: "Schiefflieger". Gott sei Dank gab es dazu ja gleich die passenden Produkte, sonst wäre es wohl echt happig geworden.

Aber auch so berüchtigte Krankheiten wie "Coli" gehören meiner Meinung nach in diese Kategorie. Denn Colibakterien gehörten schon immer zur völlig natürlichen Darmflora von Brieftauben. Doch plötzlich gab es da diese megafiesen "Killer-Colis".

Und nun aktuell gibt es die "Pilzinfektion". Seit Anbeginn des Taubensportes schimmelt es in unseren Schlägen, aber nun gerade schlagen sie erbarmungslos zu, die Pilze. Im speziellen die Hefepilz-Infektion. Ja und es gibt auch hier, Gott sei dank gleich wieder tolle Angebote.

Versteht mich nicht falsch.
1. Ich bin mir sicher, dass es Krankheitsfälle durch Hefepilze gibt genauso, wie es Tiere gibt, die an Colibakterien z.B. in den Inneren Organen ernsthaft erkranken, wie auch, dass es vereinzelt Tauben gibt, die im Frühjahr eine "Sportverletzung" davon tragen.

2. Ich gönne jeder Firma ihren Umsatz. Und zur Erzielung des selben gehört Marketing. Und da ich mich dort ein klein wenig auskenne, habe ich da auch für Vieles Verständnis.

Doch ich finde bei mancher teils falschen, teils irreführenden Information muss man auch mal etwas dagegen setzen. Konkreter Auslöser dieses Beitrages ist folgender Textauszug gewesen:

"Der auf dem Boden liegen bleibende Kot – viele Tauben, viel Kot – bildet bei entsprechender Witterung mit hoher Luftfeuchtigkeit extrem schnell Pilzflaum. Diese Sporen fliegen dann im Jungtierschlag durch die Luft und infizieren sehr schnell geschwächte Jungtauben mit Hefepilzen. Leider ist die berühmte Strohecke ebenso ideal für das Wachstum von Hefepilzen"

Da der Autor dieser Zeilen sehr fachkundig ist, muss ich davon ausgehen, dass er den Unterschied kennt, zwischen Hefepilzen der Gattung Candida, welche ein ein sehr flaches Mycel bilden und keinen auffälligen "Flaum", und Schimmelpilzen wie z.B. den Aspergillus Arten, die mit ihren Sporangien einen hohen, uns eben als "Schimmel" bekannten Schimmelflaum bilden.
Folgendes Bild zeigt es ev. deutlicher, als Worte. Es sind verschiedenene Candida Pilze zu sehen, aber kein Flaum.
http://upload.wikimedia.org/wikipedi...andidiaspp.JPG

Der für die "Hefepilz" Infektion wohl hauptsächliche Pilz "Candida Albicans" ist also nicht am Schimmelflaum auf dem Kot erkennbar! Warum der Autor dennoch Gegenteiliges schreibt, kann ich nicht beantworten.

Weitergehend, kann man sogar noch ergänzen, dass es fast nie einer Infektion durch "Candida Albicans" bedarf, denn dieser Pilz ist allgegenwärtig und gehört ebenso wie Coli-Bakterien zur normalen Keimflora unserer Tauben. Und Tauben haben laut Literatur eine naturgemäß sehr hohe Verträglichkeit gegen Schimmelpilze und auch gegen Candida Albicans! Wer es nicht glaubt sollte einfach mal an den Nistschale schnüffeln, nachdem er die Jungen abgesetzt hat. Selbst die Nestlinge leben also schon in einer rel. "schimmligen" Umgebung (wie man bei manchen Nestern eben leicht durch riechen feststellen kann) und entwickeln sich dennoch prächtig!

Somit sollte also die Frage, was diesen Pilz, mit dem die Tauben seit tausenden von Generationen gut klar kommen, nun zu einem wirklichen Feind machen konnte, im Vordergrund stehen. Der zitierte Artikel gibt sogar den richtigen Hinweis: Pilze gewinnen bei/nach/durch Antibiotikagaben die Oberhand und bringen dadurch die Tauben in Schwierigkeiten.

Ob es aus dieser Sicht heraus sinnvoll ist, nun auch noch ein Mittel gegen Pilze auf breiter Front in die Versorgung von Tauben einzuführen? Zitat: "Zwei bis drei Tage Behandlungszeit reichen meist schon dazu aus. T... F... ist frei von allen Nebenwirkungen. Ja, ganz im Gegenteil, die Tiere flogen nach mehrmaliger und vorbeugender Anwendung als wären Sie "gedopt" worden. Auch aus diesem Grunde empfehle ich Ihnen zukünftig vor Beginn der Alttierreise eine vorbeugende Kur mit T... F... anzuwenden und diese im Verlauf der Alttiereise zu wiederholen."

Die Strategie gegen einen Allgegenwartskeim lautet also, man verbannt ihn regelmässig durch ein Gegenmittel?! Das kann ich so einfach nicht unkommentiert stehen lassen. Ich glaube gerne, dass so eine Strategie erstmalig in einem Bestand der genug "Antikörper" gegen Pilze besitzt zu Beginn direkt Reiseerfolge bringt. Denn der tägliche Abwehrkampf der Tauben wird etwas leichter ausfallen, die Form steigen. Doch was passiert im nächsten Schritt? Die Abwehr passt sich den reduzierten Keimattacken an, und fährt zurück. Der Allgegenwartskeim bleibt aber allgegenwärtig. Und was passiert im letzten Schritt? Ohne die ständige Unterdrückung des Allgegenwartskeimes sind wohlmöglich keine normalen Leistungen mehr zu erzielen.

Ich erkenne gerade an diesem Punkt Parallelen zu den anderen von mir genannten "Sauen". Vor allem, wenn man bedenkt, dass es Hinweise gibt, dass neben den Fällen von Sportverletzungen, die es schon immer gab viele Schiefflieger Probleme mit Streptokokken haben. Einem ebenfalls allgegenwärtigen Erreger, den wir durch allerlei Antibiotoka in den letzten Jahren in Schach zu halten versuchten. Und wenn man bedenkt, dass niemals die allgegenwärtigen "Colis" das Problem war, sondern, dass Colibakterien die Darmschwelle überwinden konnten, was bei nicht intakter natürlicher Darmflora, die durch Medikamenteneingriffe leicht zu schädigen ist, ebenfalls leichter geschieht.

Muss man da eigentlich noch fragen, was hier falsch läuft?

trotzdem wünsche ich allen frohe Ostern und gute Vorflüge
Meinolf
Mit Zitat antworten