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Alt 08.06.2014, 15:37
Berger Berger ist offline
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Standard Fortsetzung

Der Wasserbedarf einer Taube beträgt bei einer UT (UT) von 22°C ca. 41.5 ml (20,1-89,4ml) mit einer durchaus großen Streuung, wie man aus der Varianz ablesen kann. Dies wird aber auch durch das Nahrungsangebot und vielfältigen Anpassungsmechanismen etc. beeinflusst. Bei einer um 2° höheren UT von 24°C steigt der Wasserbedarf schon auf 62,8 ml (36,7-97,5). Bei gringeren UT liegt er zwischen 15-30 ml Wasser. Nun wird der gesamte Wasserbedarf neben dem Trinkwasser auch aus dem Futter (ca. 15ml) und aus der Verbrennung der Nährstoffe (ca. 5 ml) als so genanntes Oxidationswasser gewonnen.

Ohne die genauen Temperaturen im Kabinentransporter zu wissen ist es dennoch klar, dass der Wasserbedarf auf alle Fälle eine besondere Bedeutung für die Versorgung im Kabi hat.

Bezieht man den genannten Wasserbedarf bei 22 bzw. 24°C auf einen Bedarf pro Stunde so kann man daraus ableiten, dass die Tauben bei 22°C UT einen Wasserbedarf von 1,7 ml pro Stunde haben. Bei einem Transport, oder besser ausgedrückt, bei einer Aufenthaltszeit im Kabi von 10 Stunden bei 22°C hat die Taube einen Wasserverlust von ca. 4% der Körpermasse. Bei 24°C ist dies ein Wasserbedarf von 2,6 ml pro Stunde. In diesem Fall haben die Tauben bei einer Transportzeit von 10 Stunden schon einen Wasserverlust von rund 8% der Köpermasse. Dies liegt nun schon bedrohlich nah an der letalen Menge!

Dieser Zusammenhang macht es hoffentlich jedem Verantwortlichem klar, wie wichtig die ausreichende Wasserversorgung unserer Tauben zur Aufrechterhaltung aller Lebensfunktionen und der Leistungsfähigkeit ist, und dies insbesondere im Kabinentransporter. Tauben sollten also bei höheren UT frühzeitig Wasser aufnehmen können. Man muss hier auch bedenken, dass man nicht nur die reine Fahrzeit berücksichtigen sollte. Die meisten Tauben haben bereits mehrere Stunden bevor sie überhaupt in den Kabi eingesetzt werden, keine Möglichkeit mehr Wasser aufzunehmen. Viele Züchter zeigen ihre Tiere vorm Einsetzen. Dadurch wird der Stoffwechsel aber „erhitzt“ und die Tiere kühlen indem sie über die Evaporation kühlen. Wir müssen dies nicht in einem starken Hecheln sehen wie nach einem Freiflug bei Hitze. Ein ganz leicht geöffneter Schnabel reicht schon aus für eine „flache Atmung“ zur effektiven Kühlung. In der Regel sitzen die Tiere dann in der Zelle und kommen gar nicht mehr an die Tränke. Wer einmal seinen daheim bleibenden Weibchen die Zellen öffnet, der kann gut beobachten wie diese schnell an die Tränke eilen, um Wasser aufzunehmen.

Dazu kommt die Fahrt zum Einsatzlokal und die Wartezeit bis man endlich dran kommt. Unerfahrene Tauben trinken zudem im Kabi nicht. Dr. Warzecha ergänzte meine Ausführungen durch die Erkenntnis, dass Jährige Tauben sehr oft erst Mitte der Saison gelernt haben im Kabi Wasser aufzunehmen. Dies obwohl sie schon als Junge einige Flüge mitgemacht haben. Es liegt also auch sehr viel Verantwortung für eine erfolgreiche Taube bei der Ausbildung der Taube durch den Züchter. Wer die Wasseraufnahme im Korb oder Kabi seinen Tieren gelernt hat ist eindeutig im Vorteil!

Ein weiterer Aspekt den wir aus diesen Daten lernen sollten ist, die Hitzebelastung der Tauben im Kabi möglichst zu reduzieren. Dies kann man einfach dadurch erreichen, indem man bei Hitze die Einsatzzeiten in kühlere Tageszeiten nach hinten verlegt. Zudem ist ein Transport am Tage, bei hohen UT stark infrage zu stellen. Dies wird heute von sehr vielen Organisationen auf weiten Entfernungen bevorzugt durchgeführt. Grund sind dabei die Kosten zu reduzieren, da die Fahrer und Tauben so eine Nacht weniger unterwegs sind. Aber einen Transport tagsüber bei einer UT von über 30°C halte ich für die Tiere als eine zu große Hitzebelastung. Ein Transport bei Nacht und eine folgende längere Standzeit halte ich für tiergerechter, wobei der Standplatz natürlich nicht in der Sonne sein darf. Denn dann würde die Temperaturbelastung viel höher sein, wie Olaf Gehrken kritisch anmerkte. Dabei ist die Suche nach einem geeignetem Platz (schattig) für die Fahrer möglicherweise nicht vor Ort möglich. Eine entsprechende Vorbereitung ist also im Hinblick auf diese Problematik immer Vorrausetzung.

Bei den oben genannten Daten muss man sich überhaupt wundern, dass die Tauben lebend am Auflassplatz ankommen. Vor allem wenn man manches Mal die Transportbedingungen und Transportzeiten ohne Unterbrechung zur Wasseraufnahme betrachtet. Aber Tiere die üblicherweise in warmen und ariden Gebieten beheimatet sind haben wirklich leistungsfähige Anpassungsmechanismen zur Kühlung entwickelt und man sollte Laborwerte auch nicht unmittelbar auf die Feldbedingungen übertragen. Aus Versuchen mit Felsentauben unter Hitzestress wissen wir, dass diese auch eine langfristige UT von 60°C ohne Schaden überstehen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn ausreichend Wasser zur Aufnahme zur Verfügung steht. Denn man findet bei derartig akklimatisierten Tauben einige physiologische Anpassungsmechanismen, die es diesen Tieren erlaubt, effektiv Wärme abzugeben ohne zusätzliche Energie aufzuwenden. Eine wichtige Anpassung ist durch die Verdunstung von Wasser direkt über die Haut beschrieben worden. Dies geschieht aber nicht über Schweiß, da bei Vögeln keine Schweißdrüsen vorhanden sind, sondern die Haut wird durchlässig für Wasser und somit kann ohne extra Energieverbrauch effektiv Wärme abgegeben werden. Normalerweise stellt die Haut eine sehr gute Barriere vor Wasserverlust dar. Wie viel Zeit für solch eine Anpassung vergeht konnte ich nicht finden.

Zusammenfassend meine Empfehlung für die Anpassung der Versorgung der Tauben im Kabi bei Hitzestress:
Verlagerung der Transporte in kühlere Tageszeiten
Möglichst kontinuierliche Versorgung mit Trinkwasser


Aus den diversen Untersuchungen wissen wir auch, dass bei Tauben im Flug eine etwa 20mal höhere Wärmeabgabe zu beobachten ist. Dies bedeutet einen Wasserverlust von 6,6 g pro Stunde. Der Wasserverlust ist also ein begrenzender Faktor für die Flugzeit. Bevor die Tauben über 4% der Körpermasse an Wasser verlieren wird der Flug gestoppt. Was bedeutet dies für die Flugzeiten? Aus den Windkanalversuchen leitet sich folgende Flugzeiten ab: bei 10°C UT ist die Flugzeit auf 15 Stunden begrenzt, bei 15°C UT 7 Stunden und bei 25°C stoppt die Taube schon nach 2 Stunden Flugzeit, da sie Wasser aufnehmen muss!

Hier möchte ich kritisch anmerken, dass ich diese Labordaten nicht direkt auf unsere durchtrainierten Spitzensportler Brieftaube übertragen möchte. Aber es zeigt doch ganz klar, dass bei UT über 25°C die Tauben den Flug bei längeren Entfernungen zur Wasseraufnahme unterbrechen müssen, und damit meine ich jetzt auch die Spitzenflieger! Ab welchen Entfernungen und Temperaturen der Flug unterbrochen werden muss kann ich aber auch nicht verbindlich beschreiben.

Indem Zusammenhang ist es aber auch klar, dass ein weniger gut trainierter Organismus mehr Wärme produziert. Also wird dieser auch früher landen, um Wasser aufzunehmen. Auch die Beobachtung der Unterbrechung des Freifluges und starkem Hecheln bei hoher Wärmebelastung schon kurze Zeit nach dem Freiflug, ist eine Reaktion um die Körpertemperatur nicht über den kritischen Bereich zu heben. Wenn die Tauben tagsüber kein Wasser aufnehmen konnten, übrigens ist dies bei unseren Weibchen so, da diese die letzten beiden Jahre tagsüber in einer Voliere sitzen in der keine Tränke angeboten wird, beenden sie auch den Freiflug deutlich früher. Dies steht im Zusammenhang mit der Hitze und dem Wasserverlust der ja schon über den ganzen Tag nicht ausgeglichen werden konnte. Aber je besser die Form und Akklimatisierung ist, umso besser und länger trainieren sie auch bei hohen UT.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal ganz klar die hohe Bedeutung der Wasserversorgung im Zusammenhang mit Hitzestress während des Transportes betonen. Da die Aufrechterhaltung der physiologischen Funktionen und damit insbesondere der Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Wasserversorgung steht, sollten wir alle ein großes Interesse daran haben und dies auch wirklich überprüfen. Dabei sehe ich jeden Züchter als Mitverantwortlich, auf dem Transport natürlich die Fahrer in der Verantwortung. Aber die können diese auch nur wahrnehmen wenn sie diese auch erklärt und übertragen bekommen!

Sicher liegen die Wettflüge und die Hitze jetzt wo sie diesen Artikel lesen können bereits hinter uns. Deswegen hatte ich mich gefragt, ob es überhaupt sinnvol list zu diesem Zeitpunkt dies zu veröffentlichen. Aber ich denke gerade die kommenden Wochen sind gerade dazu geeignet sich mit diesen Informationen innerhalb der Organisationen auseinander zu setzen um die für die Tauben wichtigen Dinge abzuleiten. Für den Züchter alleine sollte es Hinweis sein seinen eigenen Tauben die Wasseraufnahme frühzeitig zu lernen und es nicht dem „Zufall“ im Kabi zu überlassen, wann die Taube das Wasser entdeckt. Aber es sollte auch alle dahingehend sensibilisieren, dass die Versorgung mit Wasser im Kabi absolut lebenswichtig ist.


Gut Flug
Alfred Berger
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