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Alt 01.09.2021, 22:42
Dennis Dennis ist offline
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Zitat von Mime Beitrag anzeigen
Hallo Gerhard,


die Impfung gegen Rotaviren wirkt. Das was bei du als JTK interpretierst ist nicht die klassische Jungtaubenkrankheit. Es handelt sich viel mehr in den meisten Fällen um eine Vermehrung von krankmachenden Coli-Keimen. Das sieht dann so aus wie die JTK - es hat aber nur insoweit damit zu tun, dass bei dieser eben auch Coli-Bakterien ein Problem sind. Aber ich wette: bei deinen Tauben wären keine Rotaviren nachgewiesen worden, wenn du sie hättest untersuchen lassen. Man sollte mit diesen Feststellungen, dass eine Zweifachimpfung nicht davor schützt die JTK zu bekommen, doch erstmal vorsichtig sein.



Gruß Sascha


P.S. vielleicht kann Dennis das noch besser erklären.

Hallo zusammen,

ich versuche mal Sascha´s Bitte nachzukommen und etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Zunächst mal ist es wie Sascha schreibt absolut richtig, dass es sich nicht bei jedem Krankheitsbild, das mehr oder minder große Ähnlichkeit mit der JTK aufweist, auch tatsächlich um die vom RVA-Taubentyp verursachte "klassische" JTK handelt.
Ohne Laboruntersuchungen zum Nachweis des Virus und insbesondere aus der Entfernung ist das auch nur sehr schwer zu beurteilen. Aber der von Herrn Weber beschriebene (und auch sehr eindrücklich mit Fotos dokumentierte) Verlauf ist sehr typisch für das Bild der klassischen JTK, so dass der Verdacht relativ nahe liegt, dass es sich um eine Rotavirus-Infektion handelt - insbesondere weil es sich um Jungtauben handelt, die nicht gegen Rotaviren geimpft sind. Endgültig könnte das jedoch nur der Virusnachweis im Labor zeigen, denn in einem kleinen Teil solcher Fälle sehen wir auch ähnlich aussehende Krankheitsbilder, die offensichtlich andere Ursachen haben.
Die von Gerhard beschriebenen Krankheitsanzeichen (Fressunlust für zwei Tage) sind dagegen so allgemein, dass sie im Rahmen von allen möglichen Gesundheitsproblemen auftreten können. Theoretisch könnte das tatsächlich eine leichte Form der klassischen JTK sein. Aber ebensogut kann es völlig andere Ursachen haben, z.B. andere Erreger oder die Aufnahme von irgendetwas verdorbenem oder sonstwie giftigem. Auch eine Rolle der beschriebenen Belastung durch die Greifvogelangriffe kann nicht völlig ausgeschlossen werden. Das alles hätte nichts mit Rotaviren und der klassischen JTK zu tun und natürlich könnte eine RVA-Impfung dann auch nicht davor schützen (ebenso wenig, wie eine Covid- oder Grippe-Impfung gegen ein Erkältung schützen kann, auch wenn es sich bei allen um Atemwegserkrankungen mit gewisser Ähnlichkeit der Symptome handelt). Ohne Laboruntersuchung werden wir es nicht wissen, aber aus den Erfahrungen heraus, die wir mit ähnlichen Fällen gemacht haben, würde ich Sascha zustimmen, dass es sich in Gerhards Fall wahrscheinlich nicht um RVA gehandelt haben dürfte.

Was die mögliche Rolle von E. coli bei solchen Fällen angeht, kenne bisher noch keine aussagefähigen Daten. Ausschließen würde ich es nicht, aber man darf nicht vergessen, dass die richtige Interpretation von Laborergebnissen zu E. coli bei der Tauben nicht ganz so einfach ist. Da E. coli auch bei gesunden Tauben praktisch immer in großer Menge im hinteren Teil des Darms vorkommt, bedeutet sein bloßer Nachweis in Kotproben oder Kloakentupfern erst einmal gar nichts. (Leider scheinen ein paar Tierärzte - vornehmlich aus unseren westlichen Nachbarländern - ein Geschäftsmodell daraus entwickelt zu haben, den Züchtern mit genau solchen Untersuchungen Antibiotika zu verkaufen.) In den vorderen Teilen des Darms findet man bei gesunden Tauben findet man E. coli bei gesunden Tieren dagegen deutlich seltener und in den inneren Organen (Leber, Milz, Niere etc.) hat es gar nichts zu suchen. Findet man es dort dennoch, kann das einen Hinweis auf die Ursache oder zumindest eine Beteiligung an der vorliegenden Erkrankung liefern. Das gilt allerdings nur für lebende bzw. frisch tote Tauben. Ist eine Taube schon seit ein paar Stunden tot und ihre Abwehrmechanismen sind nicht mehr aktiv, können sich die E. coli aus dem hinteren Darm bereits auf andere Organe ausgebreitet haben und die Aussagekraft der Untersuchung geht verloren. D.h. es ist für eine richtige Interpretation wichtig, nicht nur die Ergebnisse zu kennen, sondern auch zu wissen was, wann und wie untersucht wurde.

Abschließend kann ich Michaels Rat nur bekräftigen, dass der erfolgversprechendste Weg, gegen die klassische JTK vorzubeugen, die Impfung gegen ihren Erreger, also gegen den RVA-Taubentyp ist.

Wer sich über die genauen Zusammenhänge informieren möchte, kann dies in unserer Artikelserie in "Die Brieftaube" in diesem Frühjahr tun. Darin haben wir versucht, genau solche Fragen umfassend zu beantworten.

Viele Grüße
Dennis

P.S. Ich kann nicht versprechen, dass ich in den kommenden Tagen (und evtl. sogar für den Rest des Monats) Zeit haben werde hier erneut zu schreiben, daher bei eventuellen weiteren Fragen bitte etwas Geduld haben.
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