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Alt 19.07.2009, 11:53
Dennis Dennis ist offline
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Zitat:
Zitat von Strasser_84 Beitrag anzeigen
bin der Meinung, mit dem Rat "vernünftig behandeln" machst Du es Dir zu einfach.
Hallo Rainer,

du hast in soweit recht, dass ich esmir diesmal einfach gemacht habe, und nicht weiter ausgeführt habe, was ich mit "vernünftige behandeln" meine. Ich dachte dies wäre mittlerweile verstanden worden. Insbesondere die Beiräge unmittelbar vor deinem zeigen mir aber, dass dem wohl nicht so ist.
Aber dass ich eine vernünftige Behandlung fordere ("raten" ist da eher etwas zahm), ist alles anderes als einfach so dahergesagt, sondern a) durchführbar und b) zwingend erforderlich, um weiteren Schaden vom Taubensport abzuwenden.

Zitat:
Es ist doch eine Tatsache das z.Zt. kein Tierarzt diese Seuche diagnostizieren kann, sondern nur einzelne für dieses Krankheitsbild verantwortliche Erreger.
Diesen Einwand verstehe ich nicht ganz, denn wenn man die für eine Krankheit verantwortlichen Erreger nachgewiesen hat in Kombination mit dem klinischen Bild bzw. wenn durchgeführt, pathologischen Befunden, dann hat man auch die Krankheit diagnostiziert. Eine Diagnose "dieser Seuche" ist also ohne weiters möglich.

Zitat:
Da eine sorgfältige Untersuchung mit Erregerbestimmung aber mehrere Tage Zeit in Anspruch nimmt (in der evtl. schon die ersten Verluste eintreten) bleibt auch den Taubenspezialisten unter den TA. nichts anderes übrig als ein Medikament zusammen zu mischen, daß eine möglichst großes Wirkspektrum hat.
Es ist richtig, dass ein bakterieller Erregernachweis ein bis mehrere Tage dauert. Der Nachweis von Trichomonaden, Hexamiten geht dagegen sehr schnell, ebenso können die zuletzt diskutierten Hefepilze direkt unter dem Mikroskop nachgewiesen werden. Auch der Nachweis von Parasiten (Kokzidien, Wurmeier) dauert nur einige Minuten. Auf Salmonellen kann im Verdachtsfall mit einem Schnelltest untersucht werden, um ein vorläufiges Ergebnis zu erhalten. Diese Erreger, die ja entweder an der JTK beteiligt sein können, oder aber Krankheitsbilder hervorrufen können, die vom Züchter gerne mit der JTK verwechselt werden, können somit direkt nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. (Anmerkung: Es ist ja leider einfach so, dass ein Großteil der Züchter praktisch jede Erkrankung bei Jungtauben und teilweise sogar bei Alttauben heutzutage als JTK diagnostiziert und entsprechend "behandelt", obwohl es sich nicht selten um Trichomonaden, Salmonellen, PMV, Vergiftung etc. handelt.) Aus diesen ersten Ergebnissen zusammen mit dem klinischen Bild kann der erfahrene Tierarzt somit schon Rückschlüsse auf die Ursache ziehen und seine Behandlung entsprechend anpassen. Wenn ich zum Beispiel den Eindruck habe, dass Trichomonaden und Hexamiten alleine das Krankheitsgeschehen bestimmen, ohne Beteiligung bakterieller Erreger, so behandle ich mit einem Nitroimidazol und erspare den Tieren das Antibiotikum mit seinen potentiellen Folgen auf die Darmflora. Deuten Klinik und Pathologie dagegen auf einen "klassischen Verlauf" der JTK mit Beteiligung von E. coli hin, so habe ich in der Tat keine Zeit, erst auf das Ergebnis der bakteriellen Untersuchung und des Resistenztests zu warten, sondern muss sofort behandeln. Dabei greife ich als Tierarzt dann auf EIN Antibiotikum (nicht eine wilde Kombination) zurück, dass nach meinen Erfahrungen die beste Wirksamkeit (= beste Resistenzlage) bei E. coli besitzt. Die Behandlung hat selbstverständlich mit einer ausreichenden Dosierung und über einen ausreichend langen Zeitraum zu erfolgen. Dieses muss notgedrungen zunächst auf Verdacht geschehen. Je nach Ergebnissen der oben erwähnten Untersuchungen wird gleichzeitig auch gegen z.B. Trichos/Hexamiten behandelt oder eben nicht.
Um jedoch den Verdacht abzusichern, sollte auf jedenfall der Erregernachweis erfolgen und auch ein Resistenztest durchgeführt werden. Ergibt dieser Test, dass das gewählte AB nicht wirksam gegen den nachgewiesenen Erreger ist, so kann nach zwei Tagen die Behandlung entsprechend angepasst werden - und nicht erst wenn der Züchter nach einigen Tagen zurückkommt und berichtet, dass sie nichts genützt hat.
In manchen Fällen wird die Behandlung auch eine völlig andere sein, wenn sich dem Tierarzt z.B. Anzeichen auf eine Vergiftung oder auf PMV präsentieren.
Anzumerken wäre noch, dass es die Aussicht auf eine möglichst schnelle und sichere Diagnose erheblich verbessern kann, wenn der Züchter bereit ist, ein bis zwei akut erkrankte Jungtauben zur Sektion zu opfern.

Zitat:
Dieses Produkt heißt dann JUNGTIERPULVER ohne Inhaltsangabe.
Kannst Du mir jetzt mal erklären was dieses Jungtierpulver von dem 4 in 1 unterscheidet.
Jeder der der lesen kann erkennt doch, daß bei "4 in 1" 4 Medikamente zu einem zusammengemischt sind.
Jegliche vom Tierarzt abgegebene Produkte haben eine Angabe der Wirkstofe zu enthalten. Kombi-Präparate mehrerer Wirkstoffe dürfen heute in Deutschland vom Tierarzt gar nicht mehr selbst hergestellt werden, sondern müssen getrennt abgegeben werden.

Der Grund dafür ist, solche Auswüchse, für die 4-in-1, BS etc. stellvertretend stehen, zu verhindern. Für die genaue Zusammensetzung müsste man denjenigen Fragen, der sie zusammengemischt hat, die erforderlichen Angaben gibt es dazu ja nicht. Der Beschreibung nach handelt es sich aber wohl jeweils um Mischungen von Nitrimidazolen mit einem oder mehreren Antibiotika, die laut Empfehlung auch ohne genaue Diagnose regelmäßig über einen kurzen Zeitraum verabreichen soll. Derartiges Vorgehen ist mittelalterlich und tritt die Prinzipien tierärztlichen Handelns mit Füßen (scheint aber finanziell sehr einträglich zu sein). Die Folge ist, dass wir mit immer drastischeren Resistenz-Problemen zu kämpfen haben, bei Trichos ebenso wie bei E. coli.
Denkt doch mal darüber nach, warum DeWeerd mittlerweile ein "Nachfolger-Produkt" von 4-in-1 in seinem "Sortiment" hat.

Zitat:
Hast Du kein Verständnis für Züchter die ihre Tauben möglichst schnell gesund haben möchten?
Dafür habe ich absolutes Verständnis. Ich selber habe daran auch ein großes Interesse - und zwar nicht nur jetzt, sondern auch noch auf lange Sicht in zwei, fünf oder zehn Jahren. Und gerade deswegen rate ich dringen dazu, die Finger von solchem Dreck zu lassen, sondern stattdessen nach entsprechender Diagnose gezielt und fachmännisch zu handeln.
Wenn dies nicht geschieht, kann dies sehr viel negativere Folgen haben, als die 10-12 Stunden Wartezeit durch einen Tierarztbesuch.

Ein nicht unüblicher Fall-Typ, den wir hier bekommen, sind Züchter, die seit 3-4 Wochen Probleme mit einer Erkrankung der Jungtauben haben. Diese wurden zunächst aus der eigenen Hausapotheke behandelt, dann wurde auf Anraten des Vereinskollegen oder Futtermittelhändlers auf ein oder zweimal auf ein anderes "Präparat" gewechselt. Und dann wurde schließlich in der großen Not der Tierarzt aufgesucht. Der kann dann ...
A) gar nichts mehr finden, weil die vielen Behandlungen alles überdecken
B) weist einen E. coli Stamm nach, der gegen so ziemlich alles resistent ist, was uns zur Behandlung zur Verfügung steht.
C) diagnostiziert PMV, wogegen all die "Pülverchen" ohnehin nicht hätten wirken können.
In der Zwischenzeit sind Tauben gestorben und die Verfassung der restlichen hat sich durch das chronisch gewordenen Geschehen soweit verschlechtert, dass es mehrere Wochen dauern wird, bis die Tiere wieder in einer Preisflug-tauglichen Verfassung sind. Die Jungtierreise ist gestorben und damit vermutlich die Hoffnungen eines kompletten Zuchtjahres.
All das hätte durch eine schnelle Diagnose und gezielte Behandlung unter Umständen verhindert werden können.

Ich habe die Befürchtung, dass uns durch die Unvernunft vieler Züchter und die Skrupellosigkeit einiger Tierärzte auf kurz oder lang auch die letzten Waffen aus den Händen gerissen werden, um die JTK effektiv zu behandeln. Bei Amoxicillin und Enrofloxacin (Baytril) sieht es schon jetzt oft schlecht aus.

Aber was schreibe ich das eigentlich, es bringt ja doch nichts.

Gruß,
Dennis
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