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  #1  
Alt 06.06.2007, 21:17
Freiheitstauben
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Standard Einfluß des Windes auf den Flug. Versuch einer sachlichen Betrachtung (Teil 1)

Hallo werte IT-ler und Sportsfreunde,
das Thema "Wind und Lage" wird immer wieder sehr kontrovers diskutiert (siehe z.B. http://www.internet-taubenschlag.de/...ad.php?t=5360). Die Meinungen reichen von "wer gute Tauben hat, dem kann die Lage egal sein" bis hin zu "man wird nur Meister, wenn die Lage passt".

Mir persöhnlich fehlt jedoch bei der bisherigen Diskussion eine wirklich sachliche Betrachtungsweise von Fakten. Das Thema, dass hier diskutiert wird ist ein recht komplexes, so dass eine einfache Antwort (wie eine der obigen) dem Thema nicht gerecht wird.
Um dem Thema etwas konkreter näher zu kommen, möchte ich mit folgender Betrachtungsweise einen (hoffentlich fruchtbaren) Beitrag leisten:
(VORSICHT, LÄNGERES POSTING, ABER ES LOHNT SICH HOFFENTLICH, wem es zu lang ist sollte ev. gleich zum Punkt der "Konkreter Einfluß von Wind" springen)

Um das Thema sauber diskutieren zu können, möchte ich zunächst darstellen worum es konkret eigentlich geht wenn wir in die Preisliste schauen.

Grundsätzliches
Die Preisliste listet nach einem Preisflug die angekommenden Tauben auf und sortiert diese nach Fluggeschwindigkeit (ich weiß, wir wissen das sicher bereits alle, aber ich mache es trotzdem mal). Es wird folgendes Berechnet:

(konstatierte Ankunftszeit - Zeitpunkt des Auflasses) : Länge des direkten Weges zwischen Auflassort und Heimatschlag = "Fluggeschwindigkeit"

Doch welche Vorraussetzungen stecken eigentlich implizit in der Berechnungsformel dieser Geschwindigkeit, wenn man die Tauben nach dem Wettflug auf Grundlage dieser Berechnung sortiert auflistet und so die oberste dieser Liste als Beste definiert? Aus physikalischer Sicht folgende:

1. Es wird davon ausgegangen, dass die Tauben direkt (also absolut ohne
Verzögerung am Auflassort losfliegen. Würden Tauben z.B. bei einem Jungtierflug von 120 min Dauer 10 min am Auflassort kreisen und dann erst losfliegen, dürfte man das Ergebnis der obigen Berechnung nicht mehr Fluggeschwindigkeit nennen, denn obwohl die Tauben am Auflass kreisten und sich nicht der Heimat näherten, waren sie ja bereit schnell fliegend unterwegs, doch in die obige Berechnung geht dies nicht mit ein, so dass das Ergebnis dieses Fluges einen niedrigeren Zahlenwert für die "Geschwindigkeit" ergibt, als wären die Tauben direkt abgeflogen.

2. Es wird davon ausgegangen, dass die Tauben direkt ohne Verzögerung am Heimatschlag konstatiert werden. Nun dies ist das Pendant zum Fall 1. nur eben in der Heimat und leuchtet daher schnell ein.

3. Es wird davon ausgegangen, dass die Tauben den direkten Weg nach Hause fliegen und keinen Millimeter von dieser Linie abweichen, denn es wird ja durch die Strecke in der Vermessungsliste geteilt und nicht durch den realen Flugweg. Die 10km die die Tauben am Auflassort im Kreis geflogen sind, werden also nicht berücksichtigt in der Berechnung. Da die Tauben diesen Weg aber eindeutig zurück gelegt haben, kann man in diesem Fall physikalisch gesehen wiederum nicht von der "Fluggeschwindigkeit" sprechen.

4. Es wird davon ausgegangen, dass die Tauben immer die gleiche Geschwindigkeit fliegen, wenn Sie sich zwischen Auflass und Heimat befinden.
Diese impliziete Vorraussetzung wird deutlich, wenn man sich vorstellt, wie die Rangliste aussieht, wenn die Tauben die letzten 10-15 km in der Heimat tatsächlich plötzlich nur noch 1000 m/min (z.B. durch gerade aufkommenden Nebel) fliegen während sie zuvor alle z.B. 1300 m/min geflogen sind. Plötzlich stehen die Tauben der Schläge mit der kürzesten Entfernung oben in der Rangliste, während die, bei denen die Tauben sich eine längere Strecke durch den Nebel kämpfen mußten, auf den hinteren Plätzen zu finden sind. Obwohl alle Tauben der Situation entsprechend gleich gut geflogen sind.

5. Es wird davon ausgegangen, dass die Fluggeschwindigkeit über Grund (also die Geschwindigkeit des Schattens der Taube am Boden) identisch ist mit der Fluggeschwindigkeit der Taube in der Luft. Aha, und das ist etwa nicht so? Genau, das ist fast nie so! Denn die Taube fliegt durch ein fluides Medium das sich selbst auch bewegt. Die Luft.
Die am Boden zu beobachtende Geschwindigkeit des Schattens der Taube ist also eine Überlagerung der wirklichen Fluggeschwindigkeit der Taube und der Geschwindigkeit der Luftbewegung, dem Wind. Stellen wir uns also vor die letzten 10 km wäre kein Nebel entstanden, sondern es sei Wind mit einer Geschwindigkeit von 18 km/h aufgekommen (= 300 m/min). Und dieser Wind bläßt genau von vorne. Die zuvor bei Windstille 1300 m/min fliegenden Tauben fliegen auch weiterhin diese 1300 m/min, aber der Schatten am Boden "fliegt" nun nur noch mit 1000 m/min. Da leicht einsichtig ist, dass auch dies direkte Auswirkungen auf unsere Rangliste für die vorgelagerten und hinten liegenden Schläge hat, ist hiermit gezeigt, dass die obige Berechnung und Sortierung der Tauben danach tatsächlich impliziert auch impliziert, dass die Taubenfluggeschwindigkeit auch die Geschwindigkeit der Taube über Grund ist.
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  #2  
Alt 06.06.2007, 21:18
Freiheitstauben
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard (Teil 2)

Was bedeuten diese Vorraussetzungen?:
Zunächst einmal, so hart das auch klingen mag:
Wenn die Punkte 1.-5- nicht erfüllt sind, steht in der Preislist nicht immer die schnellste Taube oben.
Da eigentlich nie alle der Punkte 1.-5. erfüllt sind, steht sogar praktisch nie die schnellste Taube ganz oben in der Preisliste (es sei denn sie hat einen deutlichen Vorsprung, der größer ist, als die durch 1.-5- erzeugten Abweichungen). Und damit müssen und sollten wir uns erst einmal alle abfinden, denn es gibt keine Möglichkeit anders zu rechnen, bzw. es ist auch in vielen Fällen nicht sinnvoll.
Denn natürlich sollte der Züchter belohnt werden, dessen Tauben sofort hereinkommen und nicht auf dem Dach sitzen bleiben.
Natürlich sollte die Taube belohnt werden, die sofort am Auflass abzieht, und nicht erst lange kreist.
Natürlich sollte die Taube belohnt werden, die den direkten Weg fliegt und keine Umwege.
Natürlich ist der Brieftaubensport ein Natursport und dem Wetter sind wir alle ausgeliefert. Heute habe ich ev. mal Pech, morgen habe ich mal Glück. Such is live!


Daher möchte ich im folgenden auch nicht über die Abweichungen in der Preislist diskutieren, die durch die Punkte 1.-4. hervorgerufen werden!
Und darüber hinaus gibt es auch noch einen 6. Punkt, die ungünstige geografische Lage. Wer auf Pellworm oder oben auf dem Feldberg schickt, schickt mag sich schwerer tun als der Kollege an der Festlandsküste oder im Rheintal.

Jedoch zum 5. Punkt denke ich, muß man einmal klarstellen wie groß, oder wie klein (je nach Sichtweise) der Einfluß des Windes tatsächlich sein kann. Dies in der Form anzugehen, dass über den Züchter XY berichtet wird, der nach Wechsel der RV vom schlechten zum guten Spieler (oder umgekehrt) wurde, oder dass, man seine eigene Randlage und eigenen tollen Erfolge in die die Diskussion wirft, ist meiner Ansicht nach nicht zielführend, da es immer Einzelfälle sind, die alle anders gelagert sein können. Hier wäre eine erschöpfende statistische Betrachtung hilfreich (z.B. wo relativ zur Windrichtung eines Fluges fallen wann Tauben). Und dies über mehrere RVen, oder gar RegVs und mehrere Flüge (oder gar Saisons). Erst dann hat man eine Basis aus der man tatsächlich Schlüsse ziehen darf, um die man nicht herum kommt. Doch wer möchte sich diese Arbeit antuen??


Der konkrete Einfluß von Wind
Ich bin daher einen anderen Weg gegangen. Denn insbesondere wenn sich das Einfluggebiet relativ zur Reiserichtung in die Breite ersteckt, hat Wind einen belegbaren signifikanten Einfluß auf die Preisliste, selbst, wenn die oben diskutierten Punkte 1.-4. zutreffen.
Also selbst wenn
- alle Tauben direkt abfliegen
- alle Tauben direkt einspringen und konstatiert werden
- alle Tauben über den gesamten Flugverkauf die gleiche Geschwindigkeit flögen
- und selbst wenn alle Tauben Einzelgänger wären, und sich !NICHT! von einem Schwarm mitziehen ließen und den direkten Weg nach hause flögen.

Aber diese Tatsache wird leider allzuoft ignoriert oder gar verneint!

Auf Basis der Regeln der Mathematik und Physik, die allgemein anerkannt sind um das Problem von bewegten Körpern und überlagerten Bewegungen zu lösen, kann man diese Tatsache leicht zeigen.

Ich habe dazu eine Excel-Tabelle erstellt, mit der jeder berechnen kann wieviel seine Tauben relativ zu Tauben eines anderen Schlages durch Wind ausgebremst oder ev. beschleunigt werden.
Ergänzend zu den oben diskutierten Vorraussetzungen habe ich mich allerdings bei der Berechnung auf den Fall beschränkt, bei dem der Wind über den gesamten Flugverlauf mit konstanter Geschwindigkeit aus einer konstanten Richtung kommt. Dies macht die Berechnungen einfacher und nachvollziehbarer. (Kritikern möchte ich gleich sagen, dass dies die Aussage des Ergebnisses jedoch nicht verfälscht. Denn um die reale Situation abzubilden, müßte man die Flugstrecke in Segmente unterteilen, in denen jeweils Windrichtung und Windgeschwindigkeit konstant sind, und aller Ergebisse addieren. Wenn also nicht auf einer Flugstrecke der äußerst seltene Fall auftritt, dass mal der Wind von West und dann über exakt die gleiche Strecke der Wind mit der gleichen Stärke aus Ost bläst, bleibt unterm Strich ein Effekt übrig)

Die Tabelle findet Ihr unter http://www.internet-taubenschlag.de/office/welcome.htm

Als Eingangsgrößen gibt man den Winkel des Windes relativ zur Reiserichtung in Grad an. Zudem die Schlagentfernung, die Windgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit, die die Tauben bei absoluter Windstille auf dem betreffenden Flug über Grund Wohl gehabt hätten.
Dies ist gleichbedeutend mit der Geschwindigkeit, die die Tauben im Medium Luft auch dann haben, wenn Wind weht!
1300 m/min ist hier, denke ich, ein ganz guter Standardwert. Aber wenn das Wetter sehr heiß ist, oder was auch immer kann man natürlich mal mit einer geringeren angenommenen Geschwindigkeit rechnen.

Die Tabelle gibt dann eine Liste von effektiv am Boden gemessenen "Fluggeschwindigkeiten" für zwei theoretische Tauben aus zwei unterschiedlichen Schlägen aus, die exakt gleich schnell fliegen. Um dies noch zu verdeutlichen werden zusätzlich noch Flugzeit und Zeitdifferenz für den Fall ausgegeben, dass diese beiden tauben auch die Gleiche Entfernung zum Auflassort haben.


Ein Beispiel (ich hoffe die Darstellung klappt hier):

Winkel des Windes zur Reiserichtung d. Schlages 1 ß -90

Windgeschwindigkeit in Bf 3 bzw. in km/h
Windgeschwindigkeit in m/min |w| 260,674
reale Fluggeschwindigkeit i.d. Luft in m/min |f| 1300,000
Vermessung in km der Schläge 1 u. 2 338,00 km

A Winkel zwischen Reiserichtung Schlag 1 und Schlag 2 µ in °

B resultierender Fluggeschwindig-keitsunterschied am Boden in m/min dv
Um wieviel ist Taube1 schneller?

C Geschwindigkeit der Taube2 auf Schlag 2

D reale Flugstrecke für Taube2 aus Schlag 2 in km

E mehr geflogene Strecke von Taube 2 rel. zu Taube 1

F Zeitdifferenz von Taube 2 zu Taube 1

G Flugdauer auf Schlag 2



A B C D E F G
0 0,000 1273,597 345,01 km 0,00 km 0:00:00 4h 25min 23sec

1 -4,558 1278,154 343,78 km -1,23 km 0:00:57 4h 24min 27sec

2 -9,130 1282,727 342,55 km -2,46 km 0:01:53 4h 23min 30sec

3 -13,716 1287,313 341,33 km -3,68 km 0:02:50 4h 22min 34sec

Winkel zwischen SG Looser & SG Topspieler auf Hanau

4 -18,313 1291,910 340,12 km -4,89 km 0:03:46 4h 21min 38sec

5 -22,922 1296,519 338,91 km -6,10 km 0:04:42 4h 20min 42sec

6 -27,539 1301,136 337,70 km -7,30 km 0:05:37 4h 19min 46sec

7 -32,164 1305,761 336,51 km -8,50 km 0:06:32 4h 18min 51sec

8 -36,795 1310,392 335,32 km -9,69 km 0:07:27 4h 17min 56sec


Durch die Abweichung von 4° der Reiserichtung der SG Looser zur SG Topspieler und einem Wind von Windstärke 3, der exakt seitlich in die Reiserichtung bläßt (90°), erhält bei diesem Flug die in der Luft !gleichschnelle! Taube der SG Topspieler am Boden einen Zeitvorteil von 3:46 min!

Es geht mit dieser Tabelle nicht darum der SG Topspieler den Erfolg zu neiden! Aber ein gewissenhafter Züchter kann anhand dieser Abschätzung einordnen, was der z.B. 100. Konkurs der SG Looser denn tasächlich im Hinblick auf die Leistung dieser Taube bedeutet.

Noch einmal: Die Tabelle gibt nur einen sehr isolierten Effekt wieder, der meist durch einen Effekt der obengenannten Punkte 1.-4. (und 6.) überlagert wird, so daß die realen Abweichungen meist noch größer sind als hier gezeigt.

Wer sich fragt wie die unterschiedlichen ERgebnisse für Taube 1 und Taube 2 sein können, dem hilft vielleicht folgendes Experiment:
Er stelle sich beim derzeitigen warmen Sommerwetter auf ein Ufer eines Flusses. Nun peilt er genau den gegenüberliegenden Punkt an. Einmal schwimmt er auf direktem Wege (über Flußgrund) dauf den Punkt zu der 1m links vom angepeilten Punkt liegt. Ein Zweitesmal schwimmt er auf direktem Wege zu einem Punkt der 1m rechts vom angepeilten Punkt liegt. Nun vergleiche er die Zeiten. Er wird feststellen, dass das Schwimmen zum Fluß aufwärts gelegenen Punkt länger gedauert hat, obwohl die Distanzen exakt gleich waren und selbst wenn er exakt gleich schnell geschwommen ist.

So, ich hoffe mein Monolog nützt dem einen oder anderen (auch wenn er krass lang geworden ist)

Grüße
Meinolf

PS: Leider klappte die Darstellung nicht, wüßte aber nicht wie ich sonst einen Teil einer Exceltabelle hier abbilden kann( Also am besten selbst mit der Tabelle mal Ausprobieren
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  #3  
Alt 07.06.2007, 04:55
Freiheitstauben
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Standard

Ergänzend möchte ich mich noch bei Herrn Zimmermann für das Einstellen der Datei bedanken

Und für die Rechtschreibfehler entschuldigen. Es war etwas offensichtlich spät am Abend:schäm:

Meinolf
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  #4  
Alt 07.06.2007, 19:52
Freiheitstauben
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Tabelle Windeffekt_1.xls

Hallo,
habe das Feedback erhalten, dass die Excel-Tabelle auf manchen Rechnern recht blöd dargestellt ist, Sorry. Lag wohl an der bei mir gewählten Einstellung.

Wer den Blattschutz bei Excel aufhebt (Menü EXTRAS - SCHUTZ - BLATTSCHUTZ AUFHEBEN) kann sich in der Tabelle und in der Zeichnung (eigener Blattschutz) hin und her bewegen und alles sehen.

Das Blattschutzkennwort lautet: 08092

Grüße
Meinolf
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