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Alt 03.08.2022, 22:17
OOO OOO ist offline
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Standard Narbonne 2022 und notwendige Konsequenzen

Hallo,
es ist ein zweischneidiges Schwert, über schlecht verlaufene Flüge einen öffentlichen Diskurs zu führen. Der diesjährige Flug ab Narbonne wird jedoch bereits rege öffentlich diskutiert und die Statements des KBDB hierzu machen es notwendig, mit in die Diskussion einzusteigen, um derartige Desaster in Zukunft zu verhindern.


Für alle, die nicht im Thema sind hier zunächst die Ausgangslage:
Für den Auflasstag waren für Südwest Frankreich dichte Bewölkung mit Regen und tw. Gewittern gemeldet und für den Folgetag störungsfreies Wetter. Genauso kam es dann auch. Zum Zeitpunkt des Auflasses war es am Auflassort (direkt an der Küste gelegen) nahezu bedeckt, es gab starke, ablandige Winde und bereits wenige Kilometer landeinwärts entfernt regnete es für jeden erkennbar. Ein ausgedehntes Regenband mit Gewitterpotential zog in Richtung Küste. Das Originalposting zum Auflass des Veranstalters inkl. Video kann ich leider nicht mehr finden, aber man kann es sich (noch?) bei PIPA anschauen. Ich hänge daher mal 3 Screenshots an, die das Gesagte verdeutlichen.


Da dieser Auflass fraglos so eindeutig schlecht war, ist es wichtig zu verstehen, warum so etwas geschieht. Zudem sind leider in den letzten Jahren mehrfach nicht nachvollziehbare Auflassentscheidungen bei Weitstreckenflügen durch Belgische Veranstalter zu beobachten gewesen.


Es scheint mir daher ein systemisches Problem vorzuliegen!


Die Statements, die der KBDB zu diesem Flug veröffentlicht hat (siehe hier unter Nieuws), deuten das eigentliche Problem an (auch wenn der KBDB es tragischer Weise selbst augenscheinlich noch nicht identifiziert hat).


Die KBDB Meldung vom 2.8.2022 hier einmal durch den Deepl-Übersetzer gejagt:
"02-08-2022 Mitteilung über den Wettbewerb von Narbonne vom 29/07/2022

Gestern, am 08.01.2022, fand eine Videokonferenz zwischen dem Organisator des Rennens aus Narbonne, den ausländischen Partnern (internationale Organisatoren), den Präsidenten der teilnehmenden ausländischen Verbände und dem nationalen Vorstand und der Leitung des KBDB statt.

Es stellte sich heraus, dass der Veranstalter, Indépendante de Liège, die betroffenen internationalen Partner am Freitagmorgen gegen 06.00 Uhr kontaktierte. Die Mitglieder aus Frankreich (LCIF) und den Niederlanden (ZLU) hatten sich zunächst darauf geeinigt, so früh wie möglich freizugeben, sofern die Wetterbedingungen dies noch zuließen (Gewitterwahrscheinlichkeit in der Nähe des Freisetzungsortes Narbonne gegen 7 Uhr morgens vorausgesagt). Der deutsche Mitorganisator hatte seine Vorbehalte gegen die Freigabe am Freitag, aber er hat sich der Mehrheit der Stimmen angeschlossen. Der ZLU-Präsident war jedoch überrascht, dass er zwischen dem ersten Kontakt um 06.00 Uhr und der endgültigen Freigabe um 07.20 Uhr keine weiteren Informationen vom Veranstalter "Indépendante de Liège" erhalten hatte. Er erfuhr erst gegen 07.30 Uhr, dass die Tauben um 07.20 Uhr freigelassen wurden, obwohl er auf eine frühestmögliche Freilassung bestanden hatte, und wurde somit vor vollendete Tatsachen gestellt. Dies zeigt deutlich die mangelhafte Kommunikation des Veranstalters mit den ausländischen Partnern.

Für den Veranstalter Indépendante de Liège wurde die Freigabe am Freitag vorgezogen, da die Wettervorhersage für Samstag und Sonntag (30. und 31.07.2022) aufgrund eines angekündigten Mistralwindes schwieriger sein würde, so Frau Lageot.

Der KBDB möchte jedoch klarstellen, dass der Veranstalter, Indépendante de Liège, den Artikel 52 der NSR nicht eingehalten hat. Der Vorsitzende des nationalen Sportausschusses wurde um 07.23 Uhr per E-Mail darüber informiert, dass die Tauben um 07.20 Uhr freigelassen wurden.

Ein Gewitter auf den ersten Kilometern nach dem Start, die warmen Temperaturen und ein leichter Gegenwind haben dazu beigetragen, dass dieser Wettflug von Narbonne so schlecht verlaufen ist, sehr zum Ärger der vielen teilnehmenden Züchter, die alles tun, um ihre Tauben perfekt auf den Wettflug vorzubereiten.

Die endgültige Verantwortung liegt beim Veranstalter, Indépendante de Liège, ABER bis jetzt konnte niemand erklären, warum der Veranstalter die Tauben am Freitag um 7.20 Uhr unter diesen Umständen freigelassen hat.

Mit freundlichen Grüßen.
Im Namen der Mitglieder des NRBB,
Der nationale Vorsitzende,

Pascal Bodengien."


Es verstört mich geradezu , das die Antwort auf die Frage, die am Ende dieses Statements gestellt wird (siehe roter Text), dem KBDB nicht bereits klar ist.


Weil das Prozedere, das hier zur Auflassentscheidung führte, individuelle Fehleinschätzungen und Fehler nicht ausreichend abfängt und es menschliche Eigenarten (z.B. "Overconfidence" und verzerrte Risikowahrnehmung, durch falschen Bias) zu wenig berücksichtigt, ja geradezu begünstigt, passieren solche Auflässe!


Es wird nichts nutzen zu diskutieren, welche Person hier Fehler gemacht hat, oder wer mit wem wann nicht gesprochen hat (so wie es hier in den violett, grün und blau gekennzeichneten Textpassagen jedoch passiert). Solch eine Aufarbeitung führt meist zu nichts und ist der falsche Denkansatz.




Durch die Suche nach Schuldigen entsteht keine Verbesserung der Situation, da die Ursache eben nicht menschliche Unzulänglichkeiten sind, sondern dass diesen nichts Ausreichendes entgegen gesetzt wird. Unzulänglichkeiten betreffen nämlich jeden Menschen. Wir sind alle nicht perfekt! Und solche Unzulänglichkeit lassen sich auch nicht durch Entscheidungshierachien verhindern, wie ev. durch den genannten Artikel 52 der NSR suggeriert wird. Denn warum sollte z.B. ein Vorsitzender des Sportausschusses bessere Entscheidungen treffen, als die, die sich zuvor ausgiebig mit der Materie beschäftigt haben? Er ist nämlich auch nur Mensch. Und wenn er keine Entscheidung treffen soll/kann/darf nützt auch die in diesem Artikel geforderte Informationspflicht an ihn nichts.



Die Ursache ist, dass den typisch menschlichen Unzulänglichkeiten im Entscheidungsprozess zum Auflass hier keine Rechnung getragen wurde und wird.

Eine gute Auflassentscheidung ist das Ergebnis einer guten Auflass-Prozedur, die nicht so sehr geprägt sein sollte durch individuelle Meinungen und Einschätzung oder gar auf Gefühl setzt, sondern die auf objektiven Informationen, validen/bewährten Prozeduren und Protokollen basiert, welche dann durch geschulte und erfahrene Personen IMMER und VERPFLICHTEND abzuarbeiten und zu dokumentieren sind. Und so eine Prozedur fehlt hier!

Denn nur damit ist der "Faktor Mensch" zu kontrollieren. Das zeigen Erfahrungen aus vielen anderen Gebieten, in denen Menschen sicherheitsrelevante Entscheidungen zu treffen haben. Und im Taubensport geht es bei Auflassentscheidungen um die Sicherheit der Tauben.


Es gibt zudem neben individuell zu bewertenden Risikofaktoren auch bewiesene, eindeutige Show-Stopper für einen Auflass (wie z.B. ein ausgedehntes Regenband mit Gewitterpotential, das sich auflassnah in Flugrichtung der Tauben befindet). Und diese brauchen auch wirklich nicht mehr individuell bei jedem Auflass neu bewertet oder ausgetestet werden. Und dabei ist es auch völlig egal, wie das Wetter für den nächsten Tag einzuschätzen sein mag. Das Wetter wird sowieso immer erst am jeweiligen Tag des Auflasses "gemacht" und eine Vorhersage für den nächsten Tag ist eben nur eine Vorhersage.


Manchmal ist es wichtig, dass solche Entscheidungsprioritäten Entscheidern z.B. in Form einer Checkliste, die abzuarbeiten ist, noch einmal vor Augen geführt werden, damit sie auch wirklich bei ihrer Entscheidung berücksichtigt werden, da Menschen unter Stress eben zu Fehlern neigen.


Dadurch kann dann beispielsweise verhindert werden, dass ein durch frische Erfahrungen erzeugtes Unbehangen gegenüber Gegenwind (Mistral, wie beim Barcelona und Marseille Flug diesen Jahres), welches sich daher viel stärker anfühlt (typisch Mensch), als die Gefahr, die von einem solchen Regenband ausgeht, falsch bewertet wird, der Fokus verloren geht und es schließlich zu einer solch fatalen Fehlentscheidung kommt.


Ich bin mir sicher, dass sich in den drei großen Verbänden (KBDB, NPO und DV) kluge und erfahrene Personen finden lassen, die eine solche Prozedur für Auflassentscheidungen für internationale Weitstreckenflüge erarbeiten können. Eine solche vordefinierte Auflass-Prozedur sollte dann zukünftig für ALLE belgischen Veranstalter von derartigen Weitstreckenflügen verpflichtend sein.


Ich finde dies sind angesichts der Missstände, die hier zu Tage getreten sind, wichtige Anforderungen, für deren Umsetzung sich die Vertreter der deutschen Züchter beim KBDB und den belgischen Veranstaltern unbedingt einsetzen sollten.


Denn solche Zustände (das Wort "Umstände" wäre hier tatsächlich zu mild), wie sie hier deutlich wurden, dürfen einfach nicht weiter bestehen!


Allen Gut Flug für den Rest der Saison.
Meinolf
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"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben." Alexander von Humboldt

Geändert von OOO (03.08.2022 um 22:44 Uhr)
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