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  #1  
Alt 19.04.2023, 09:21
WernerW WernerW ist offline
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Standard Georg Heise Teil I

Hallo Sportsfreunde
im Moment ist hier im Forum nicht viel los , ich werde mal versuchen einige Beiträge von Georg Heise – von Januar 2022 hier ins Forum zu stellen, natürlich
mit freundlicher Genehmigung von Held Elfriede, da Georg Heise leider am 05. August 2022 Verstorben ist
.


Mein Abschied vom Brieftaubensport!
Für immer Abschied nehmen tut weh. Nun kommt auch für mich der Moment, in dem auch ich meinen letzten kleinen Lebenshalt verliere. Die Gelenke wollen nicht mehr so recht, und die Treppe zum Schlag wird zusehens mühsamer, und so kommt der Tag, an dem ich es nicht mehr schaffe, immer näher. Oft denke ich an die Zeit zurück, als ich die ersten Tauben bekam. Es waren zwei junge Feldflüchter, die von einem Bauernhof stammten. Einmal erzählte mir mein Freund, der auch taubenbegeistert war, dass es auch Brieftauben geben würde. Au! Das war ja spannend. Nur konnte man erst mit Brieftauben beginnen,nachdem man von einem Verein aufgenommen worden war. Als das geschehen war, hat uns mal ein älterer Züchter mit auf seinen Schlag genommen, und da staunten wir nicht schlecht. Denn jedes Pärchen hatte eine eigene Zelle, in der es brüten und seine Jungen großziehen konnten.

Und so kam die Zeit, als auch ich, nachdem ich mir aus alten Brettern einen kleinen Schlag gebaut hatte, meine ersten Brieftauben, die Ringe an den Beinen trugen, bekam. Dann ging es peu a peu so weiter. Wenn wir in der heutigen Zeit den damals züchterischen Charakter mit dem der heutigen Brieftaubenhalter vergleichen, wird man feststellen, dass der inzwischen im Brieftaubensport weitestgehend verloren gegangen ist. Das könnt ihr lieben Sportsfreunde selbst feststellen. Wenn ein Sportsfreund mit den Leistungen seiner Tauben nicht zufrieden ist, dann sortiert er nicht die Fehlerhaften aus, sondern versucht es mit Zukauf. Für mich ist es unverantwortlich, dass einige Verantwortliche in der Brieftaubenkultur den Idealismus und Pioniergeist der Geldgier opfern.

Wie konnte das passieren? Nach meiner Meinung liegt hier keine bewusste Zielsetzung vor, sondern mangelnde Grundkenntnisse. Gerade Brieftauben stecken voller Geheimnisse. So fragen oft Laien, wie die Tauben es schaffen, wieder heimzufinden. Doch dieses ist innerhalb der Brieftaubenvisualität unwichtig. Viel wichtiger ist das Flugvermögen und die Züchtung. Gerade bezüglich der Vererbung, die für Brieftaubenzüchter scheinbar nicht zu lenken ist, fehlt ein gewisses Know How.


Es kann sich jeder vorstellen, dass wir als Anfänger sehr wissbegierig waren. Statt klarer Strukturen häuften sich immer neue Ungewissheiten an. Dann las ich mal in der Brieftaubenzeitung, innerhalb der Brieftaubenrasse würden die Mendelschen Gesetze nicht greifen. Genau diese Behauptung war der Anstoß und der Beginn meiner Forscherkarriere. Denn nach meiner Meinung können diese Gesetze, die das Leben auf dieser Erde allein bestimmen, bei der heutigen Brieftaubenart keine Ausnahme machen. Aber warum diese Unwissenheit bei vielen Brieftaubenzüchtern? Warum dieser Irrglaube? Dies lässt sich nur mit Fakten belegen.


Ein Sportsfreund in unserer R.V. hatte einen blauen Vogel mit der Nr. 499, der hatte es auf 100 Preise gebracht. Ein damaliger Vereinskollege hatte einen eher dunkel gehämmerten Vogel Nr. 635, der hatte allerdings nur 98 Preise „geschafft“! Ausgerechnet diese beiden Granaten hatten nicht auch nur einen einzigen gescheiten Nachkommen zustande gebracht. Andererseits gibt es Asse, die locker ihre Leistungsfähigkeit auf ihre Nachkommen übertragen.

Doch bei aller Widersprüchlichkeit war ich immer davon überzeugt, dass hier irgendwo der Wurm drin ist. Nein, es kann nicht sein, dass ausgerechnet bei der Brieftaubenrasse die Mendelschen Gesetze nicht greifen. Doch nach vielen Jahren lethargischen Grübelns schoss es mir blitzartig durch den Kopf ! Kann es sein, dass nach unserem Ermessen eine erfolgreiche Taube biologisch wertvoll sein kann, aber nicht sein muss. Und so ist es! Denn auf der biologischen Festplatte ist Wettfliegen nicht geordert. Eigentlich ist es doch so: aus einem Trichter kommt unten nur das heraus, was wir oben hineinschütten. Doch durchs Wettfliegen wird dieser Modus unterbrochen. Nehmen wir nur mal 1 kg Gerste und geben zwei rotgefärbte Körner hinzu. Körner, die in Kooperation mit Anatomie/Physiologie erst ein erfolgreiches Fliegen ermöglichen.

Wenn diese beim Hineinschütten getrennt werden, dann ist es ein seltener Zufall, wenn die beiden verantwortlichen Gene wieder zusammentreffen. Andererseits erschlaffen auch die Gene, wenn die Anforderungen für die nötige Leistung nicht mehr gegeben sind. Leider hat in den letzten Jahrzehnten in der Brieftaubenkultur eine idiologische Konvertierung vom züchterischen Idealismus zur Modifizierung stattgefunden.

Es liegt schon beinahe 50 Jahre zurück, als meine Frau und ich bei Bekannten meiner Frau zu Besuch waren. Zu meiner Überraschung waren Vater( so über 80 )und Sohn Brieftaubenzüchter. Und der Vater erzählte nach einiger Zeit von einem Rotscheck, der auf Insterburg „1000 km“(das heutige Tschernjachowsk in Russland ) einen Preis errungen hätte. Ein anderes Mal waren wir in der Nähe von Dortmund zu Besuch, da erzählte der Opa, dass er mal vier Tauben mit nach Insterburg eingesetzt hätte und zu seiner großen Freude hatte eine dieser Tauben den ersten Preis errungen. Da wäre aber was los gewesen ! Von nah und fern wären die Züchter mit dem Fahrrad gekommen um den Vogel zu bewundern oder auch zu erwerben. Es liegt schon wer weiß wie lange zurück, da rutschte jemand beim Einsetzten zum Endflug, er war auch nicht mehr der Jüngste, zu mir auf die Bank und sagte, die Endflüge seien doch reiner Murks. Früher Insterburg, das wäre ein wahrer Endflug gewesen !

Inzwischen wurde mir klar, was die älteren Züchter bei den Versammlungen gemeint hatten:der Flug Insterburg war für die damaligen Züchter, oder soll ich besser Idealisten und Pioniere sagen, der heilige Gral, die Erfüllung ihrer züchterischen Träume. Auch mir ist es nicht anders ergangen, als ich 1959 mit nur 10 Tauben Winterbestand, die R.V. Meisterschaft erringen konnte.

In der heutigen Zeit hat bei einigen Züchtern leider die Profitsucht den Idealismus und den Pioniergeist früherer Zeiten verdrängt.

Jedenfalls waren die damaligen Züchter, ohne Medikamente, aber unter härteren Bedingungen, näher dran an der von der Natur vorgegebenen Widerstandskraft und dem Durchhaltevermögen. Erklärung folgt:


Jedenfalls gehört schon etwas dazu Raßen erhaltene Anforderungen zu kürzen, ebenso zu umgehen und dann noch mit aller Kraft Forschung und Bildung zu missachten. Nun die Frage: „Wie können wir die Auslesekriterien der Natur erfolgreich nachvollziehen?“ Denn in der Natur können nur die Stärksten und Anpassungsfähigsten ihr Erbgut auf ihre Nachkommen übertragen. Was ich nun schreibe, schreibe ich allein für Züchter, die auf sich allein gestellt irgendwo am Rand herumkrebsen und Begabte, die noch wissenshungrig sind. Die tödlichste Redewendung, die es im Brieftaubensport gibt, heißt „Hauptsache Spitze“ wir werden sehen!

Was wir Züchter bei der Auslese brauchen ist Charakterstärke. Ein Züchter muss sich auf sich selbst verlassen können. Ratschläge, die Geld kosten sind schlechte Ratschläge. Was wir brauchen sind leistungsfähige Tauben, die Wind und Wetter trotzen und sich selbst helfen können, wenn sie sich mal verfliegen und große Entfernungen überwinden müssen. Diese Auslese sind wir der Brieftaubenrasse schuldig. Aber wie können wir die jetzige Brieftaubenart naturgemäß auslesen ? Wie siebt man Fehlentwicklungen und körperliche Schwäche aus?

Ganz einfach: Irgendwann im Januar füttert man die Tauben mit 10 Gramm Gerste pro Tag und Taube. Schon nach drei bis vier Tagen schälen sich die ersten Schwächlinge heraus. Sie spladdern unkonzentriert um den Trog herum, während die wertvolleren Tauben konzentriert die Körner weiter aufpicken. Nun sortiert man nach und nach die schwächeren Tiere aus. Mit dieser Maßnahme lesen wir schon einmal den Konzentrationsmangel und die abfallende Stresstoleranz aus und beeinflussen somit das Erbgut. Im übertragenen Sinne ist die Brieftaube eine Amphibie. In und um Ihren Schlag herum ist sie ein Haustier. Wenn sie aber auf sich allein gestellt, wer weiß wie viele hunderte Kilometer heimwärts fliegen muss, dann ist sie ein Wildtier. Genau hier steckt genetisch der Schlüssel im Schloss. Man braucht ihn nur noch herumdrehen, aber wer keine Hände hat (Ausbildung), der kommt ins Reich der Vererbung nicht hinein. In der freien Natur funktionieren nur noch rote Körner in Koexistenz beieinander, und aus diesem Grund zeigt jede Art für sich, durch radikale Selektion, die sichtbar gleiche Uniform und vor allem die makellose Physis. Warum ist ausgerechnet die Brieftaubenart so heterogen (mischerbig)?
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ES IST IMMER BESSER, DASS MAN MEHR WEISS, ALS MAN SAGT!
mit freundlichen Grüßen
Werner
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  #2  
Alt 19.04.2023, 09:22
WernerW WernerW ist offline
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Standard Georg Heise Teil II

Ihr kommt nicht drauf! Ganz einfach, weil wir Züchter, wie alle Menschen auf dieser Erde, selbst heterogen sind. Jeder denkt anders, jeder hat eine andere Ausbildung, vor allem ist der Eine gieriger als der Andere usw.. Um es ein wenig pathetisch herüber zu bringen, wenn wir Menschen zufällig, wann und wo auch immer, Brieftauben sehen, dann sehen wir allein unser eigenes Spiegelbild. Natürlich werden die Mendelschen Gesetze auch innerhalb der Brieftaubenart greifen.


Denn diese von Züchtern unnatürliche, aufgezwungene Stressempfindlichkeit verdrängt naturgemäß den Urinstinkt, im Schutz des Schwarms heim zufliegen. Anstatt dass wir Schlauberger nun versuchen würden, diesen gordischen Knoten zu entflechten, zurren wir ihn durch zügellose Gier und Bildungsverweigerungsenergie hemmungslos erst recht für immer zu. Noch einmal : Die Mendelschen Gesetze greifen nur innerhalb der biologischen Selektion. Zufälliges Spitzenfliegen ist die Folge genetischer Ausschläge, die nie lenkbar sein werden. Das gleiche gilt ebenfalls für Unterforderung und Modifizierung aller Art.
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ES IST IMMER BESSER, DASS MAN MEHR WEISS, ALS MAN SAGT!
mit freundlichen Grüßen
Werner
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  #3  
Alt 19.04.2023, 11:05
timo timo ist offline
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Beiträge: 1.117
Standard

Hallo Werner,
danke für deine Nachforschungen.
Ich denke, den Ausführungen eines "weisen Mannes" Georg Heise, ist nichts hinzuzufügen.
Leider verfallen wir nahezu Alle, nicht nur wir Brieftaubenzüchter, der Werbung für jenes und Alles und schlittern daher immer tiefer in den Graben.
Wäre es nicht doch besser, sich auf diese, wenn auch alten Erfahrungen zurückzubesinnen?
Gruß
Gerhard
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  #4  
Alt 19.04.2023, 17:40
Benutzerbild von gesmo
gesmo gesmo ist offline
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Beiträge: 872
Standard

http://www.weitstrecke-freckenhorst.de/georgs-news.html


Etwas mehr darüber zu lesen ...


Gruß Wilfried .


N S Georg hat mir vor einigen Jahren ein Buch geschenkt .

Geändert von gesmo (19.04.2023 um 17:44 Uhr)
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  #5  
Alt 20.04.2023, 19:25
Lessing Lessing ist offline
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Registriert seit: 31.01.2019
Ort: Wolfenbüttel
Beiträge: 743
Standard Danke Wilfried..,

Habe mir die Gedanken einmal näher durchgelesen und stelle fest, die basieren auf „Relatitäten“ die viele nicht „wahr haben wollen“ Zeiten ändern sich, ob immer zum „Guten“?
Lg und bleibt gesund. Vor Allem denkt mal über Einges nach!!
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